zum Hauptinhalt
Auge um Auge. Atlético und Real (hier Diego Godin und Pepe) sind in diesem Jahr in Spanien und in Europa Titelaspiranten.

© Imago

Champions League: Real Madrid und Atlético: Sieben Kilometer, zwei Welten

Zum ersten Mal in der Geschichte könnten zwei Teams aus einer Stadt ins Endspiel der Champions League einziehen. Was Real und Atlético Madrid voneinander unterscheidet.

Am Karfreitag trat Diego Simeone nicht so selbstsicher wie gewöhnlich vor die Presse. Der Trainer von Atlético Madrid sah zerknirscht aus, und das nicht nur, weil sich seine Mannschaft gerade zu einem 2:0 gegen den Abstiegskandidaten FC Elche gemüht hatte. Etwas schien ihn zu belasten. Er sagte: „Ich rechne für Dienstag mit Courtois. Das Präsidium hat mir nichts Gegenteiliges übermittelt.“

Am Dienstag empfängt Atlético Madrid im ersten Halbfinale der Champions League den FC Chelsea (20.45 Uhr). Jenen Verein, bei dem Atléticos Torhüter Thibaut Courtois auf der Gehaltsliste steht. Der Belgier ist nur an Atlético ausgeliehen, und laut Leihvertrag würden pro Einsatz gegen Chelsea drei Millionen Euro fällig werden. Zu viel Geld für das verschuldete Atlético. Obwohl der europäische Verband Uefa die Klausel jüngst für unzulässig erklärte, scheint Simeone dem Frieden noch nicht zu trauen.

Madrid ist beim Fußball eine Stadt der Gegensätze

Bei Real Madrid weiß Trainer Carlo Ancelotti dagegen ganz genau, wer am Mittwoch beim Spiel gegen den FC Bayern (20.45 Uhr, live im ZDF) das Tor hüten wird. Iker Casillas, wie immer, wenn Real in dieser Saison in der Champions League antritt. Die Ligaspiele bestreitet Diego Lopez, ein anderer Torwart mit überragenden Fähigkeiten. Dass Real um den Einsatz eines Spielers zittern muss, weil der dem Verein nicht gehört – unvorstellbar.

Geht es um den Fußball, ist Madrid eine Stadt der Gegensätze. Diego Simeone hat bei Atlético ein funktionierendes Kollektiv geformt, das in der Abwehr kaum zu überwinden ist. Kein Vergleich zum offensiven Spektakelfußball von Real. Trotzdem kämpft Atlético um das gleiche Ziel: Das Finale der Champions League am 24. Mai in Lissabon. Zum ersten Mal in der Geschichte des Wettbewerbs könnten sich zwei Mannschaften aus einer Stadt im Endspiel gegenüberstehen.

Die Zeit, in der Real und der FC Barcelona alle Pokale in Spanien unter sich aufgeteilt haben, ist vorbei. Atlético liegt in der Primera División bei einem mehr ausgetragenen Spiel sechs Punkte vor Real, und sollte man tatsächlich den Titel holen, die Feier würde wohl lauter, rauschender, überschwänglicher ausfallen als alles bisher Dagewesene. Weil sie das Feiern bei Atlético lange nicht gewohnt waren. Das hat sich erst in den letzten Jahren etwas geändert, seit 2010 hat Atlético zweimal die Europa League und einmal den spanischen Pokal gewonnen. Aber die letzte Meisterschaft datiert aus dem Jahr 1996. Kein Vergleich zu all den Titeln, die Real in dieser Zeit gesammelt hat.

Gute sieben Kilometer trennen das Estadio Vicente Calderón, Atléticos Heimstätte, und das Estadio Santiago Bernabéu, wo Real spielt. Sieben Kilometer, zwei Welten. Atlético ist im Süden der Stadt beheimatet. Dort stehen die Bloques, Hochhaussiedlungen, seit Jahrzehnten Arbeitergebiet. Im Stadion geht es manchmal zu wie auf den umliegenden Straßen: laut, rau, derb, aber meist herzlich. Das stimmungsvollste Stadion Spaniens ist der totale Kontrast zum Bernabéu, wo Fußballspiele die Anmut von Opernaufführungen erlangen können. Wo wunderschöne Tore erhaben beklatscht werden. Wo sie alle gespielt haben, die Großen der Großen: Di Stéfano, Puskas, Raúl, Figo, Zidane, Ronaldo und jetzt wieder Ronaldo. Der aus Portugal. Real steht für alles, was Atlético nicht besitzt oder lange nicht besaß: Glamour, Eitelkeit, Selbstvertrauen.

Das "Derbi madrileño" steht immer noch hinter dem "Clasico" zurück

So haben die Fans aus dem Süden oft neidisch auf den Rivalen aus dem Zentrum geschaut. Das „Derbi madrileño“ ist vor allem vonseiten Atléticos stets leidenschaftlich geführt worden, und doch steht es in der allgemeinen Wahrnehmung weit hinter dem Clasico zwischen Real und Barcelona. Auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten könnte der Unterschied nicht größer sein. Obwohl Atlético in den vergangenen Jahren in Person von David de Gea, Diego Forlán, Sergio Agüero und Radamel Falcao seine besten Spieler für rund 130 Millionen Euro verkaufen musste, drücken den Klub Schulden von mindestens 150 Millionen Euro. Das ist nur ein Bruchteil von dem, was Real verschiedenen Institutionen schuldet, aber dort muss man sich um Geld nur geringfügig sorgen. Präsident Florentino Perez, einer der reichsten Menschen Spaniens, gleicht Defizite schon mal aus, wenn es sein muss.

Perez’ Denken und Handeln war viele Jahre von der Rivalität zum FC Barcelona geprägt. Kaufte Barcelona einen teuren Spieler, holte Perez einen noch teureren. Nun ist ihm in der eigenen Stadt ein Rivale erwachsen, der nicht mal genügend Geld besitzt, um seinen Torhüter zu kaufen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false