zum Hauptinhalt
Läuft nicht. Lasse Schöne und Ajax stecken in der Krise.

© Olaf Kraak/AFP

Champions League gegen Real Madrid: Ajax Amsterdam erlebt eine Krise zur falschen Zeit

Im Herbst galt Ajax Amsterdam als das nächste große Ding im internationalen Fußball. Doch das Team droht wieder zu zerfallen - nicht erst nach der Saison.

Vielleicht hat der Schrecken ja wirklich angefangen, als die Fußballer von Ajax Amsterdam im Trainingslager in Florida mit Shrek für ein Foto posierten. Jener Filmfigur, die in einer Märchenwelt lebt und versehentlich in ein Abenteuer um die Rettung einer Prinzessin gerät. Passt eigentlich ganz gut zu Ajax, dem holländischen Rekordmeister, von dem man zuletzt auch dachte, dass er in einem Märchen gelandet wäre und versehentlich die Fußballromantik retten müsste. Inzwischen ist Ajax zurück in der schnöden Realität. Es gäbe bessere Zeitpunkte: An diesem Mittwoch empfängt die Mannschaft im Achtelfinale der Champions League den Titelverteidiger Real Madrid. „Es wird kein Spaziergang werden“, sagt Verteidiger Daley Blind.

Erik ten Hag, Trainer der Amsterdamer, sah am Samstag nicht so aus, als würde er vor Euphorie durchgeschüttelt. Als im Ligaspiel gegen den Tabellenachten Heracles Almelo der Schlusspfiff ertönte, blieb er erst einmal einen Moment regungslos sitzen, um sich zu sammeln. Der Traum von der nationalen Meisterschaft, der ersten seit 2014, wird für Ajax wohl auch in diesem Jahr ein Traum blieben. 0:1 hatte seine Mannschaft gegen Heracles verloren, das vom Deutschen Frank Wormuth trainiert wird – und das völlig verdient. Almelo verschoss sogar noch einen Elfmeter. Und so erlebte Ajax „den Tiefpunkt in einem Monat voller Tiefpunkte“, wie die Zeitung „De Telegraaf“ schrieb.

Angefangen hat es mit der Tabellenführung

Angefangen hat alles vor drei Wochen, als Ajax mit einem Heimsieg gegen den Zehnten Heerenveen erstmals in dieser Saison die Tabellenführung in der Ehrendivision hätte übernehmen können. Das Spiel endete 4:4. Aus zwei Punkten Rückstand auf den Titelverteidiger PSV Eindhoven sind inzwischen sechs geworden, weil Ajax anschließend – nach insgesamt 21 Pflichtspielen ohne Niederlage – gegen den Erzrivalen Feyenoord Rotterdam (2:6) und eben in Almelo verlor. In den ersten 17 Saisonspielen kassierte das Team gerade acht Gegentore, gegen Heerenveen und Feyenoord waren es zehn in zwei Spielen. „Es scheint, als ob Kraft, Überzeugung und Zusammengehörigkeitsgefühl verschwunden sind“, schrieb die „Volkskrant“.

Dabei wurde die Perspektive des Klubs im Herbst noch als glänzend bewertet. Vor allem in den Champions-League-Partien gegen Bayern München zeigte ter Hags Mannschaft ihr übergroßes Talent. „Wir haben gezeigt, dass wir gegen die europäische Spitze bestehen können“, sagt Daley Blind, dessen Vater Danny 1995 dabei war, als der Klub letztmals die Champions League gewann.

Von der Besetzung und der Begabung ist das aktuelle Team das vielleicht beste Ajax-Team seit 2003, als Rafael van der Vaart, Wesley Sneijder, Nigel de Jong und Zlatan Ibrahimovic erst im Viertelfinale durch ein Gegentor in der Nachspielzeit am späteren Titelträger AC Mailand scheiterten. Seitdem ist Ajax in der Champions League nie wieder so weit gekommen.

Große Freude auf Real Madrid

Entsprechend groß war nach der Auslosung die Vorfreude auf das Achtelfinale gegen Real Madrid: Hier die jungen Wilden aus Amsterdam, da der kriselnde Titelverteidiger – da sollte was gehen. Inzwischen hat sich der Trend umgekehrt. Real hat am Wochenende 3:1 gegen den Lokalrivalen Atletico gewonnen. „Es ist schon gekonnt, wie es Ajax geschafft hat, den Glanz der Sehnsucht weckenden Spiele gegen Real bereits vor dem Anpfiff wegzuscheuern“, schrieb die „Volkskrant“.

Inzwischen deutet einiges darauf hin, dass die Dinge wieder so laufen werden, wie sie in den vergangenen zwanzig Jahren immer gelaufen sind. Die Mannschaft zerbricht, ehe sie zu voller Blüte gereift ist – und das nicht erst nach dieser Saison, sondern mitten in deren Verlauf. „Beim ersten leichten Gegenwind denkt jeder an seinen eigenen Lebenslauf“, hat „De Telegraaf“ festgestellt.

Frenkie de Jong, 21, wechselt im Sommer für eine Ablöse von 75 Millionen Euro zum FC Barcelona, auch Kapitän Matthijs de Ligt, 19, könnte den Klub dann verlassen, ebenso Spielmacher Hakem Ziyech, 25, der ohnehin im Ruf steht, ein Einzelgänger zu sein. Flügelstürmer David Neres, 21, wollte schon im Winter weg, nach China. Seitdem der Klub den Wechsel unterbunden hat, reagiert der Brasilianer mit offensiver Bockigkeit – und Trainer ten Hag, so die „Volkskrant“, hinterlässt einen zunehmend hilflosen Eindruck. Es sei wirklich bitter, hat die Zeitung geschrieben, „dass das Duell gegen Real eher ein Duell der Vergangenheit ist als eins der Zukunft“.

Zur Startseite