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In Sami Khedira und Toni Kroos stehen sich zwei aus dem Herzzentrum der deutschen WM-Elf gegenüber.

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Champions-League-Finale: Dirigent Kroos trifft auf Arbeiter Khedira

Duell der Mittelfeldakteure: Im Champions-League-Finale zwischen Madrid und Turin stehen sich auch zwei deutsche Nationalspieler gegenüber.

Ein bisschen Deutsch scheint das Finale von Cardiff um den Titel der Champions League ja dann doch zu werden. In Sami Khedira von Juventus Turin und Toni Kroos von Titelverteidiger Real Madrid stehen sich zwei aus dem Herzzentrum der deutschen WM-Elf gegenüber. Aufseiten der Italiener der 30 Jahre alte Schwabe Sami Khedira, der gerade Meister und Pokalsieger geworden ist, der den größten Verein Italiens zum ersten Champions-League-Gewinn seit 1996 führen möchte.

Und auf der anderen Seite der 27 Jahre alte Greifswalder Toni Kroos, der mit Real gerade den FC Barcelona als Meister abgelöst hat und mit den Madrilenen das Kunststück fertigbringen könnte, als erstes Team überhaupt den Champions-League-Titel erfolgreich zu verteidigen. Als dieser Wettbewerb um den begehrtesten Klubtitel der Welt noch Europapokal der Landesmeister hieß, konnte als Letzter der AC Mailand diesen zweimal hintereinander gewinnen, das war 1989 und 1990.

Zwei Weltmeister im Mittelfeld

Das war, als Toni Kroos inmitten der Wirren der deutschen Wende in der vorpommerschen Küstenstadt geboren wurde. Sami Khedira, Sohn einer Deutschen und eines Tunesiers, war damals knapp drei Jahre alt und wuchs in Fellbach-Oeffingen auf. 24 Jahre später führten die beiden Mittelfeldspieler die deutsche Nationalmannschaft in Brasilien zum WM-Titel. Jeder auf seine Weise.

Auch in Turin schätzen sie an Khedira seine Dynamik und seine Präsenz. Er kommt sehr über seine physische Konstitution, über seine Robustheit, aber auch Bereitschaft, getrieben von Ehrgeiz und Wille. „Meine deutschen Tugenden werden nie aus mir rausgehen“, sagte Khedira unlängst, „sie zeichnen mich aus und machen mich stark.“ Seine Art zu spielen hat Treibendes, Draufgängerisches, aber auch Wachsames. Er bereichert sein Team durch Körpersprache und Haltung, Qualitäten, die bei ihm recht früh ausgeprägt waren, die ihn zum Kapitän der U-21-Auswahl machten, die 2009 Europameister wurde. Khedira ist ein Kämpfer, ein Arbeiter im besten Wortsinne.

Der Stil von Toni Kroos hat etwas Dirigentenhaftes

Mit einem Sieg könnte Khedira der erst zweite Deutsche sein, der die Champions League (2014 mit Real Madrid) mit zwei verschiedenen Vereinen gewonnen hätte – nach Toni Kroos. Der hatte die wichtigste Klubtrophäe 2013 mit dem FC Bayern gewonnen und im Vorjahr mit Real.

Toni Kroos, der in den vergangenen sieben Jahren mit seinen Klubs immer mindestens im Halbfinale der Champions League stand, ist vom Spielertyp her fast ein Gegenentwurf zu Khedira. Kroos braucht keinen Körper. Ihn tragen Intuition und Technik; das Gefühl dafür, wo der Ball jetzt hin sollte und das Geschick im Fuß dafür, dem Ball den passenden Drive zu verleihen. Der 27-Jährige ist kleiner und zierlicher als der kräftige Khedira, körperlich eher ein Durchschnittstyp. Aber alles andere ist von seltener Begabung. Es gibt nur wenige Spieler, die Schweres so leicht aussehen lassen können. Sein Stil hat etwas Dirigentenhaftes.

„Es ist nicht unmöglich, dass sich unsere Wege kreuzen“, sagt Kroos vor dem Duell im Millennium Stadium in der walisischen Hauptstadt Cardiff, „sonst spielen wir ja Seite an Seite. Jeder kennt den anderen ganz genau.“

Was die Turiner an Khedira wertschätzen, bewundern die Madrilenen an Kroos. Nirgendwo sonst in der Welt wird der defensive Aspekt eines Spiels, das Stabilisierende, derart gewürdigt wie in Italien. Khedira ist wie geschaffen für Juventus. Ins Estadio Santiago Bernabéu dagegen strömen die Madrilenen, weil sie einen Schuss Genialität erleben wollen. Es geht ihnen gar nicht so sehr um die Tore an sich, sondern um deren Entstehung.

Ein genialer Streich, etwa ein perfekt getimter Pass, der die Hintermannschaft durchschneidet, oder ein entwaffnender Diagonalpass, der zum Spektakel taugt. So hat Kroos sich Ansehen und eine Unverrückbarkeit in der Mannschaft des früheren Weltfußballers Zinedine Zidane erspielt, wie sie sonst nur noch Kapitän Sergio Ramos oder Torjäger Cristiano Ronaldo zufallen. „Er ist ein außergewöhnlicher Spieler. Er ist beidfüßig und ein unglaublich intelligenter Spieler“, sagt Zidane, „wir alle lieben ihn.“

Teamgefühl ohne Ego

Es ist heute noch schön, sich jene Sechs-Minuten-Sequenz aus dem WM- Halbfinale von 2014 anzuschauen, auf die sich das sagenhafte 7:1 des späteren Weltmeisters Deutschland gegen Brasilien verdichten ließe. In diesen paar Minuten machen Kroos (zwei Tore) und Khedira (eins) aus einem 2:0 ein uneinholbares 5:0. Sie legen sich ihre Tore gegenseitig auf, es sieht so leicht aus, so aufreizend selbstverständlich. Auch deshalb sprechen sie heute im Land westlich der Copacabana von „Mineiraço“, dem „Schock von Mineirão“.

Was beide eint, ist ihre Kollegialität, ihr aufrichtiges Teamgefühl. Beide führen frei von jeglichem Ego auf ihre Art, beide machen ihre Mitspieler besser und tragen ihre Mannschaft. Und so kann es sein, dass das Finale von Cardiff von einem Deutschen entschieden wird, vermutlich weniger als Torschütze, wohl aber als ein Vollstrecker der anderen Art.

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