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In der Stadt ihres größten Triumphes. Genau ein Jahr und drei Tage nach dem WM-Titel startet Caster Semenya wieder in Berlin. Foto: dpa

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Caster Semenyas Comeback: Die Athletin und die Big Boys

Caster Semenya startet am Sonntag in Berlin beim Istaf – den Streit über ihr Geschlecht will die südafrikanische 800-Meter-Läuferin hinter sich lassen

Auf Caster Semenyas türkisblauem T-Shirt rennt ein Marsmännchen herum. Es wäre nicht verwunderlich, wenn sich Semenya manchmal genauso fühlen würde. Weil alle sie anglotzen wie ein außerirdisches Wesen. Auf der Suche nach weiblichen und männlichen Merkmalen, seitdem der Internationale Leichtathletik-Verband (IAAF) nach ihrem Sieg bei der WM 2009 in Berlin über 800 Meter erklärte, es gebe Zweifel an ihrem Geschlecht.

Jetzt ist die 19 Jahre alte Südafrikanerin zurück in Berlin, am Sonntag wird sie beim Istaf im Olympiastadion starten, ein Jahr und drei Tage nach ihrem Weltmeistertitel. „Ich bin glücklich“, sagt sie über ihre Rückkehr nach Berlin, auch wenn ihr Gesichtsausdruck das gerade nicht bestätigt. „Dass ich elf Monate nicht laufen konnte, war nicht gut für meine Karriere, aber gut für mich und meine Familie, weil ich viel Zeit mit ihr verbringen konnte.“

Ihr finnischer Manager Jukka Härkönen richtet sich derweil zwei Plätze neben ihr auf dem Podium schon mal das Mikrofon zurecht, weil er weiß, was gleich kommt in dieser Pressekonferenz: die Fragen nach dem Ärger mit dem internationalen Verband, nach entwürdigenden medizinischen Tests, nach den vergangenen Monaten, als sie nicht starten konnte. Bis am 6. Juli die IAAF drei Sätze veröffentlichte, von denen der wichtigste lautete: „Die IAAF akzeptiert die Entscheidung einer Kommission von medizinischen Experten, dass sie mit sofortiger Wirkung wieder laufen darf.“

Das menschlich Verständliche fasst Härkönen dann selbst zusammen. Es sei sehr hart für eine junge Frau, in der Zeitung zu lesen und im Fernsehen anzuschauen, dass über ihr Geschlecht spekuliert werde und dass sie nicht laufen kann. „Aber der Fall ist abgeschlossen.“ Der lange Zeitraum bis zur Entscheidung hat jedoch allerhand Spekulationen aufkommen lassen. Zunächst hieß es, IAAF-Präsident Lamine Diack sei schlicht zu bequem, um den Fall schnell zu lösen. Das wäre, wenn man das Gebaren in solchen Kreisen kennt, wenig überraschend. Es ist aber noch ein anderes Gerücht aufgetaucht.

Das Gerücht geht so: Die IAAF habe Semenya zu medizinischen Eingriffen gedrängt, um mögliche Wettbewerbsvorteile zu beseitigen – sei es eine Operation oder eine Hormonbehandlung. Das Gerücht lässt sich vielleicht damit nähren, dass sie nun schmaler aussieht, nicht mehr so muskulös. „Ich will nicht über jemanden reden, der größer ist als ich“, sagt Semenya über die IAAF, „da müssen Sie die Big Boys beim Verband fragen.“ Ihr Manager springt ihr zur Seite und sagt auf die Frage, was sie in den vergangenen Monaten gemacht habe: „Sie hat studiert.“ Dann schiebt er die kategorische Erklärung hinterher: „Wir reden nicht über die Vergangenheit, wir reden über die Zukunft.“ Was im vergangenen Jahr passiert ist, wird also kaum zu klären sein, zumal auch die IAAF mitgeteilt hat, sich nicht weiter zum Fall Semenya äußern zu wollen. Das Recht zu schweigen hat Caster Semenya dazu sicher genauso wie das Recht zu laufen.

Bei den ersten beiden Rennen seit ihrer Rückkehr war sie noch einige Sekunden entfernt von ihrer Siegerzeit in Berlin von 1:55,45 Minuten. Sie brauchte bei zwei Läufen in Finnland jeweils mehr als zwei Minuten. „Jeder weiß, dass sich Caster in der ganzen Zeit auf kein Rennen vorbereitet hat. Wir brauchen mehr Rennen, um ihre Beine schneller zu machen“, sagt ihr Trainer Michael Seme. In Brüssel und zweimal in Italien will sie nun die beiden Stadionrunden laufen, bevor sie ihre Chance bei den Commonwealth Spielen in Indien sucht. „Ich bereite mich auf die Olympischen Spiele vor“, sagt Semenya auch noch.

Ihre Karriere als Weltklasseläuferin ist noch kurz und hat ihr trotzdem schon mehr Kummer bereitet als den meisten ihrer Konkurrentinnen. „Ich hoffe, der Rest ihrer Karriere wird positiver und entspannter sein als die vergangene Zeit“, sagt ihr Manager Härkönen und hat dafür schon einen konkreten Wunsch: „Dass die Menschen in Berlin sie genauso freundlich empfangen wie bei ihren letzten Rennen in Finnland.“

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