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Er soll’s richten. Matthias Ginter ist der teuerste Transfer der Vereinsgeschichte.

© picture alliance / Roland Weihra

Bundesliga-Saisonvorschau (10): Borussia Mönchengladbach: Jugend forscht

Borussia Mönchengladbach hat sich mit vielen jungen Spielern verstärkt. Mit ihnen soll alles besser laufen als in der Vorsaison.

Am 18. August startet die Fußball-Bundesliga in die neue Saison. In unserer Serie testen wir die Vereine. Teil zehn: Mönchengladbach

Was hat sich verbessert?

Die Frage stellen sie sich in Mönchengladbach seit Freitag auch. Da blieb Tobias Strobl beim Test gegen Leicester City kurz nach seiner Einwechslung im Rasen hängen und verdrehte sich das Knie. Die Diagnose: Kreuz- und Außenbandriss. Strobl, Borussias defensiver Allzweckreiniger und Trainer Dieter Hecking zufolge „einer der Besten der Vorbereitung“, fällt monatelang aus. Geht das also schon wieder los? Bereits in der Vorsaison waren die Gladbacher übermäßig arg von Verletzungen gebeutelt. Im Schnitt fehlte jeder Spieler des Kaders zwei volle Monate lang, wie das Portal Fussballverletzungen.com herausgefunden hat. Nur drei Vereine traf es härter. Auch deshalb haben die Gladbacher ihren Trainerstab um einen Spezialisten erweitert. Andreas Schlumberger kommt ablösefrei vom FC Bayern und darf sich nun „Leiter Medizin und Prävention“ nennen. Seit Freitag weiß man: Magische Kräfte hat der promovierte Sportwissenschaftler leider auch nicht.

Wie sind die Neuen?

Jung bis sehr jung. Neben Denis Zakaria, 20, Julio Villalba, 18, Reece Oxford, 18, und Michael Cuisance, 17, müssen sich Matthias Ginter und Vincenzo Grifo mit ihren 23 respektive 24 Jahren vorkommen wie Abiturienten in einer Grundschulklasse. „Charakterlich passen die Neuen alle rein“, sagt Trainer Hecking, der von einem interessanten Mix aus Qualität und Talent spricht. Zu Beginn der Vorbereitung hat vor allem der Jüngste seine Kollegen über alle Maßen verzückt. „So weit war ich mit 22“, sagt Christoph Kramer über Cuisance. Der Franzose, für den die Gladbacher nur eine Ausbildungsentschädigung von 250 000 Euro an AS Nancy überweisen mussten, könne Bälle spielen, die nicht jeder spielt, schwärmt Hecking. „Der Junge weiß, wie es geht.“ Trotzdem ist er wohl erst einmal kein heißer Kandidat für die Startelf. Die besten Aussichten haben aktuell Ginter als neuer Abwehrchef und der Schweizer Zakaria für die vakante Position im defensiven Mittelfeld. „Er ist ein starker Balleroberer mit unglaublicher Dynamik und Zweikampfhärte“, sagt Sportdirektor Max Eberl.

Wer hat das Sagen?

Psst! Hören Sie was? Nein? Ging Dieter Hecking in der vergangenen Saison manchmal auch so. Seine Mannschaft war ihm ein bisschen zu ruhig, zu lieb, zu genügsam. „Manchmal würde der Gruppe vielleicht ein bisschen Reibung guttun“, hat Borussias Trainer diese Woche im Interview mit dem „Kicker“ gesagt. „Ich will Selbstbewusstsein und dominantes Auftreten sehen.“ Matthias Ginter, mit 17 Millionen Euro Ablöse teuerster Transfer der Vereinsgeschichte, sollte es als Weltmeister, Confed- Cup-Sieger, Olympiazweiter und Pokalsieger zumindest an Selbstbewusstsein nicht mangeln. Der Verteidiger wurde bei den Gladbachern ausdrücklich als künftige Führungsfigur präsentiert. Eine ähnliche Rolle traut Sportdirektor Eberl auch Denis Zakaria zu. Mit seiner Art sei er ein Spieler, „der eine ganze Mannschaft mitreißen kann“.

Was erwarten die Fans?

Borussias Sportdirektor ist in der vergangenen Saison mit jenen Teilen der Fans aneinander gerasselt, die ihre überzogenen Erwartungen durch Pfiffe zum Ausdruck gebracht haben („dumme Menschen“). Generell aber hält Eberl den eigenen Anhang für durchaus realistisch und selbstreflektiert. Als kleines Entgegenkommen ist er in diesem Sommer von seinem ewigen Mantra „einstelliger Tabellenplatz“ als Saisonziel abgerückt. Diesmal hat er – in einem Anflug von Waghalsigkeit – verkündet, er wolle „besser abschneiden als in der vergangenen Saison“, also mindestens Achter werden. Das wäre a) auch einstellig und widerspricht b) nicht den Vorstellungen der Fans, die fest davon überzeugt sind, dass die Mannschaft in ihrem Studiengang Europawissenschaften lediglich zwei Wartesemester eingelegt hat.

Was ist in dieser Saison möglich?

Max Eberl ist ein sehr analytischer Mensch, und seine Analyse der vergangenen Saison hat ergeben, dass die Mannschaft die ganz großen Ziele auch deshalb verpasste, weil sie zu viele Gegentore kassiert hat. Die defensive Stabilität ist daher als Garant für Erfolg – siehe Hertha, siehe Köln – in der Prioritätenliste an erste Stelle gerückt. In der Vorbereitung ging das allerdings ein wenig zu Lasten der offensiven Durchschlagskraft. In 720 Testspielminuten traf die Mannschaft ganze neun Mal. „Wir müssen noch etwas zielgerichteter und effektiver werden“, sagt Hecking. Gelingt seinen Spielern das, erfüllen sie nicht nur die Vorgabe des Sportdirektors, sondern auch die Erwartungen der Fans (siehe oben).

Und sonst?

Haben die Gladbacher in diesem Sommer einen Exodus an selbstausgebildeten Talenten erlebt wie lange nicht. Neben den beiden A-Jugendlichen Tom Baller (zu Hannover 96) und Florian Schikowski (Legia Danzig) haben auch Tsiy William Ndenge (seit 2013 im Verein, ausgeliehen nach Kerkrade), Mahmoud Dahoud (seit 2010, nach Dortmund), Julian Korb (seit 2006, nach Hannover) und Marvin Schulz (seit 2003, nach Luzern) den Klub verlassen – insgesamt 36 Jahre Vereinszugehörigkeit. Der eigene Nachwuchs hat es bei der Borussia zunehmend schwerer. Das kratzt zwar am Selbstbild, ist aber auch Ausdruck des Qualitätssprungs, den der Verein in den vergangenen Jahren gemacht hat.

Nächste Folge: Werder Bremen. Bisher erschienen: Hannover 96, VfB Stuttgart, VfL Wolfsburg, 1. FSV Mainz 05, Hamburger SV, FC Augsburg, Bayer Leverkusen, Eintracht Frankfurt und FC Schalke 04

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