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Leblosigkeit herrscht auf den Plätzen hierzulande.

© dpa

Breitensport drängt auf Lockdown-Ausweg: „Vereine kollabieren und jahrelange Aufbauarbeit wird zerstört“

Bewegung hilft – physisch und psychisch. Auch deswegen ist der Lockdown so hart für viele Menschen. Nun fordern Aktivisten Perspektiven für den Sport.

Seit November 2020 befindet sich der Berliner Amateursport im Lockdown. Das sind vier Monate, in denen „Sportvereine kollabieren und jahrelange Aufbauarbeit zerstört wird“, sagt Gabriel Straub.

Der 46-Jährige sammelt im Internet Stimmen für die „sofortige Öffnung des Vereinssports im Freien“ und hat dafür eine Petition ins Leben gerufen. Straub geht es dabei vor allem um die Kinder und Jugendlichen, als achtfacher Vater weiß er, wie sehr die Jüngsten unter dem Sportentzug leiden.

Er ist einer von drei Initiatoren der Petition. Egal ob beim Fußball, beim Hockey oder in der Leichtathletik – über alle Sportarten hinweg verlieren die Vereine ihre Mitglieder. Besonders den Jugend- und Breitensport trifft es hart. Straub kommt aus dem Hockey, hier sei es bereits vor der Corona-Pandemie schwer gewesen, die Mannschaften zu füllen. Wie es danach aussehen wird, möchte er sich gar nicht vorstellen.

Die Mitgliederzahlen sind das eine, die psychische Komponente gerade bei den Kindern das andere. Als Straub mit seiner Familie aus einem Urlaub zurückkehrte, wollten seine Kinder gar nicht wieder zurück nach Berlin. Unter den Kommentaren unter seiner Petition berichten viele weitere Eltern, wie sehr ihre Kinder unter den aktuellen Einschränkungen leiden und den Sport vermissen. Neben der mangelnden körperlichen Betätigung seien auch ausbleibende soziale Kontakte ein Problem.

Seit einer Woche läuft die Online-Petition. Fast 1000 Unterstützer haben sich bisher gemeldet, davon etwa 800 aus Berlin. Auf der Plattform „openPetition“ kann für verschiedenste Anliegen geworben werden und nur wenige Klicks genügen zur Unterschrift.

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Sollten 11.000 Stimmen zusammenkommen, müsste das Berliner Abgeordnetenhaus eine Stellungnahme abgeben. Bis zum 22. April läuft die Petition noch. Aber auch wenn die erforderlichen Unterschriften nicht erreicht werden, kann die Petition eingereicht werden. Von den Berliner Sportverbänden ist Straub enttäuscht. Seine Anfragen zur Unterstützung wurden ignoriert oder abgelehnt. Stattdessen verteilen die Initiatoren jetzt Flugblätter auf öffentlichen Sportplätzen und werben für ihre Petition.

Berlin knüpft damit an zahlreiche Schwesterpetitionen in anderen Bundesländern an. Besonders gut läuft es in Bayern. Nach zwei Wochen fehlen nur noch wenige tausend Stimmen. Initiator hier ist Michael Luntz vom Post SV Nürnberg. Seit Beginn der Corona-Pandemie haben ungefähr 3000 Mitglieder den Verein verlassen.

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Der 46-jährige Luntz ist Leiter der Fußballabteilung und betreibt seinen Sport schon lange. Deshalb sei seine „Muster“-Petition auch mit Beispielen aus seinem Lieblingssport unterfüttert. Damit möchte er aber keine anderen Sportarten ausschließen. Ganz im Gegenteil: „Wenn die Vollkontaktsportart Fußball wieder möglich ist, dann sollten es auch alle anderen sein“. Auch seinen eigenen Kindern merke er an, dass sie kaum noch aus dem Haus gehen. Der Berliner Straub und der Bayer Luntz stehen in Kontakt.

Was Straub und Luntz im kleinen Rahmen versuchen, das forderte am Dienstag der organisierte Sport in einem Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Nach unserer Überzeugung ist es nun höchste Zeit dafür, dem vereinsbasierten Sport, den sozialen Tankstellen unserer Gesellschaft, endlich wieder eine Perspektive zu geben“, heißt es in dem Schreiben mit Blick auf die Bund-Länder- Schalte am Mittwoch zwischen Kanzlerin und Ministerpräsidenten.

Luntz kann sich nicht vorstellen, dass die aktuellen Beschränkungen des Sports nach der Konferenz aufrechterhalten werden können. Dazu fehlten einfach die Argumente, und zumindest eine schrittweise Lockerung liege auf der Hand: „Das Thema drückt einfach zu sehr“.

In einem vorläufigen Beschlussentwurf für die Bund-Länder-Runde seien laut dpa Lockerungen erst ab einer Inzidenz unter 35 geplant. Der „kontaktfreie Sport in kleinen Gruppen von maximal zehn Personen im Außenbereich, auch auf Außensportanlagen“ könnte dann wieder erlaubt werden. Für Straub wäre das keine ernsthafte Perspektive. Man müsse „jetzt handeln und dringend lockern“. Sein Engagement dürfte also weitergehen.

Luca Füllgraf

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