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Das Parkett wurde in Florida wegen des Protests nicht betreten.

© dpa

Boykott im US-Sport: Protest ist super – solange er nicht zu missionarisch daherkommt

Der Protest in der NBA gegen Polizeigewalt zeigt die gesellschaftliche Bedeutung des Sports. Doch er sollte die Zögernden nicht verurteilen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Martin Einsiedler

Traurig, dass die Popkultur, zu der auch der Sport gehört, immer noch strukturellen Rassismus und Polizeigewalt in den USA vor Augen führen muss. Vor über 30 Jahren machte die Hip-Hop-Combo N.W.A. dies zum zentralen Inhalt ihrer Songs („Fuck tha Police“), vor vier Jahren ging der Footballer Colin Kaepernick bei der Nationalhymne als Zeichen des Protests in die Knie. Und am Mittwoch boykottierten die Milwaukee Bucks ihr Play-off-Spiel in der nordamerikanischen Basketballliga gegen die Orlando Magic.

Die weiteren Spiele des Abends wurden daraufhin abgesagt. Auch der vorzeitige Abbruch der Saison ist offenbar eine Option. "Scheiß’ drauf, man. Wir wollen Veränderung. Ich habe es satt”, twitterte LeBron James, der Star der Los Angeles Lakers. Hintergrund sind die Schüsse von Polizisten auf den Afro-Amerikaner Jacob Blake.

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Der Boykott der Milwaukee Bucks könnte eine Wegmarke im Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA sein. Innerhalb kürzester Zeit breitete sich der Protest sportartenübegreifend aus. In der Baseball-Profiliga MLB schlossen sich sechs Teams dem Boykott der Basketballer an. Und auch in der Fußballliga MLS fielen fünf der sechs Mittwoch-Spiele aus.

Der Profisport war in den vergangenen Monaten stark in die Kritik geraten, weil die Wiederaufnahme des Spielbetriebs in den Ligen letztlich wirtschaftliche über gesundheitliche Interessen stellte. In der Krise zeigt sich nun, welchen gesellschaftlichen Nutzen der Sport haben kann. Indem er reichweitenstark Missstände benennt. Er zeugt auch vom Mut der Akteure, vor allem der Spieler, die sich gegen wirtschaftliche Zwänge stellen und nicht einfach immer weiter laufen im Hamsterrad Sportbusiness.

So gewinnbringend die Ausweitung des Protests nun ist, so sehr liegt die Gefahr darin, mit dem moralischen Finger auf jene zu zeigen, die sich nicht sofort anschließen. In der nordamerikanischen Eishockey-Liga NHL etwa fanden am Mittwochabend sämtliche Spiele statt, lediglich ein Statement mit Genesungswünschen an Jacob Blake wurde verlesen. In den sozialen Medien löste der defensive Umgang der NHL mit dem Thema viel Entrüstung aus.

Die Vergangenheit aber hat gezeigt, dass ein mit dem Protest verbundener Aufforderungsdruck an andere, mitzumachen, zu nichts führt. Sondern im Gegenteil jene in die Ecke drängt, die ihre Meinung noch entwickeln müssen. Abgesehen davon ist der Eishockeysport in den USA konservativer und weißer als die meisten anderen Sportarten. Die Zurückhaltung der Liga in puncto Protest ist Ausdruck dessen. Daran mögen sich nun viele stoßen. Doch das zu akzeptieren, ist ein elementarer Bestandteil der Demokratie.

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