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Kann auch Tore. Mittelstürmer hatten es bei Borussia Mönchengladbach zuletzt nicht leicht, bei Alassane Plea aber sind alle Beteiligten sehr zuversichtlich.

© imago/Laci Perenyi

Borussia Mönchengladbach: Alassane Plea: Mehr als ein Mittelstürmer

Rekordeinkauf Alassane Plea hat schon gezeigt, dass er Gladbachs Spiel neue Wucht verleihen kann. Am Samstag tritt er mit der Borussia bei Hertha BSC an.

Als Alassane Plea vorigen Samstag kurz vor Schluss ausgewechselt wurde, erhoben sich die Menschen im Mönchengladbacher Borussia-Park und applaudierten. Der Beifall fiel – je nach Betrachter – donnernd oder tosend aus; er war in jedem Fall mehr als nur pflichtschuldig oder höflich. Alassane Plea, der Gladbacher Mittelstürmer, hatte kein Tor erzielt, er war mit einem Kopfball aus aussichtsreicher Position an Schalkes Torhüter Fährmann gescheitert, und seine Vorlage zum 2:0 war in Wirklichkeit der missglückte Versuch gewesen, den Ball aus der Luft anzunehmen. „Die harten Fakten“, wie Borussias Sportdirektor Max Eberl es nennt, sprachen also nicht unbedingt für den Franzosen. Trotzdem war die allgemeine Begeisterung berechtigt. „Alassane bringt genau die Dinge ein, die wir gebraucht haben“, sagt Eberl.

Mönchengladbach hatte Pech mit den Mittelstürmern

Insofern war das Wochenende für die Gladbacher nicht nur wegen des 2:1-Erfolgs gegen Schalke ein erfolgreiches, sondern auch, weil es verlässliche Hinweise darauf gibt, dass das gemeine Volk Plea ähnlich einschätzt wie die sportlich Verantwortlichen; dass der 25-Jährige mehr ist als ein Mittelstürmer, eben kein Büffel, der nur vorne im Strafraum wartet, bis die Bälle zu ihm kommen. „Er hat Präsenz gezeigt, ist immer anspielbar gewesen, hat viele Wege gemacht, Löcher gerissen, war ballsicher“, hat Trainer Dieter Hecking nach Pleas Startelfdebüt in der Fußball-Bundesliga gesagt. „Das sind alles Dinge, die wir uns durch ihn erhoffen.“

Borussia Mönchengladbach und die Mittelstürmer: Das ist in der jüngeren Vergangenheit keine ganz einfache Geschichte gewesen. „Da kommen gleich ein paar Mechanismen hoch“, sagt Hecking. Im Sommer 2012 verpflichteten die Gladbacher für die damalige Rekordsumme von zwölf Millionen Euro Luuk de Jong, aber der Holländer wirkte in Borussias Spiel, das maßgeblich vom damaligen Trainer Lucien Favre geprägt war, wie ein Fremdkörper. Dass auch Josip Drmic nie das halten konnte, was man sich von ihm erhofft hatte, scheint da nur ins Bild zu passen. Eberl hat sich allgemein den Ruf erworben, einen guten Blick für entwicklungsfähige Spieler zu besitzen. Das Lob für seine Transferpolitik war allerdings häufig mit der Fußnote versehen: Nur Stürmer kann er nicht.

Eberl ist oft genug mit der latenten Sehnsucht nach einem Stürmer konfrontiert worden, der anders ist als die Grenzgänger zwischen Mittelfeld und Angriff, die Borussia zuletzt hatte: als Marco Reus, Max Kruse, Raffael, Lars Stindl. Er hat oft genug „diesen Hilferuf“ vernommen: „Wann holt er endlich einen echten Mittelstürmer?“ Insofern wurde seine Ankündigung, etwas Neues zu probieren, auch als Bekenntnis zum guten alten Stoßstürmer verstanden. Doch Plea ist kein Sandro Wagner oder Simon Terodde. „Er ist ein Stürmer, der in unserem System Fußball spielen kann“, sagt Eberl.

Plea will sich seine Räume erobern

Plea selbst sieht sich nicht nur als Abschlussspieler, sondern als mitspielenden Stürmer. Dem „Kicker“ hat er gesagt: „Ich glaube, das Finden von Räumen zählt zu meinen Stärken.“ Natürlich ist es nach gerade drei Spielen noch zu früh für ein abschließendes Urteil, aber es ist wieder mehr Wucht im Spiel der Gladbacher, die am Samstag bei Hertha BSC antreten. Das kann an Heckings Systemwechsel (vom 4-4-2 zum 4-3-3) liegen, aber auch an diesem 1,81 Meter großen und 79 Kilogramm schweren Franzosen im Zentrum.

Eberl kennt den Vorwurf, „dass wir nicht den Weg in den Strafraum suchen, sondern immer noch mal quer spielen“. Plea bringt mehr Stringenz in die Offensive. „Wenn er den Fuß frei hat, schießt er. Er hat die Qualität, die Technik und das Ziel. Dadurch ist er eine Bereicherung für unser Spiel“, sagt Borussias Sportdirektor. „Er hat gezeigt, dass er den Ball behaupten und man über ihn das Spiel fortsetzen kann. Er ist der Stürmer, den wir uns gewünscht haben.“

Plea kommt von OGC Nizza, wo er in den vergangenen beiden Jahren von Lucien Favre trainiert wurde. Dass er es sein soll, war Eberl früh klar, „aber wir hatten die Sorge, dass wir ihn uns nicht leisten können“. Verhandlungsbasis war Pleas festgeschriebene Ablösesumme von 50 Millionen Euro. Mit 23 Millionen Euro wurde es am Ende zwar weniger als die Hälfte, aber selbst die konnte der Klub nur aufbringen, weil er durch den Verkauf von Jannik Vestergaard an den FC Southampton einen ähnlich hohen Betrag erwirtschaftete. Für keinen Spieler hat Gladbach jemals mehr Geld ausgegeben.

„Deshalb haben wir eine besondere Verantwortung“, sagt Trainer Hecking, der den Franzosen behutsam an die neue Liga herangeführt hat. Plea musste sich erst an die höhere Intensität gewöhnen. Im Pokalspiel gegen den Fünftligisten Hastedt stand er in der Startelf. Mit drei Treffern holte sich Plea das erwünschte Erfolgserlebnis. Dass manches noch etwas hölzern aussah und er eigentlich noch zwei Tore mehr hätte schießen müssen, spielte später keine Rolle mehr. In der Bundesliga eine Woche später kam Plea zunächst von der Bank. Am zweiten Spieltag in Augsburg erzielte er als Joker den 1:1-Endstand, und bei seinem Startelfdebüt gegen Schalke bereitete er einen Treffer vor.

An der Sprache hapert's, am Fußballerischen nicht

Plea ist ein eher ruhiger Typ. Er spricht nur wenig Englisch, Deutsch noch gar nicht. „Er spricht mit seinen Augen, seiner Mimik“, sagt Eberl. Trotzdem sei er komplett angekommen, „das ist seiner fußballerischen Qualität geschuldet“.

Die Erfahrungen der Vergangenheit verbunden mit dem hohen Preis und den daraus resultierenden Erwartungen lassen die Angelegenheit nicht ganz unkompliziert erscheinen. Aber Eberl sagt: „Wenn ich von einem Spieler überzeugt bin, versuche ich mich davon frei zu machen.“ Die Verpflichtung des Mittelstürmers war keine einsame Entscheidung des Sportdirektors, sondern eine gemeinsame mit dem Trainerteam und der Scoutingabteilung. Alle Beteiligten hätten ein gutes Gefühl gehabt, sagt Max Eberl. „Alassane Plea ist jemand, der Tore schießt. Da mache ich mir keine Sorgen.“

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