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Mit hängenden Schultern. Der Auftritt des BVB in Frankfurt bestätigte viele in ihren Vorurteilen.

© dpa

Borussia Dortmund und die Mentalität: Der BVB ist manchmal schwer selbstverliebt

Bei Borussia Dortmund können sie den Vorwurf nicht mehr hören, mental nicht stabil genug zu sein. Das Problem der Mannschaft ist ein anderes. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stefan Hermanns

Lucien Favre hat ein Imageproblem. Der Trainer von Borussia Dortmund gilt als nerdig und verschroben, vor allem aber hat er den Ruf, ein Zweifler und Zauderer zu sein. Im Fußball, dieser Welt der starken Männer, kommt das gar nicht gut.

Vermutlich ist es Favre relativ egal, was die Leute von ihm denken. Ärgerlich ist nur, dass sein Image ungeprüft auf seine Mannschaft übertragen wird. Dass auch dem BVB immer häufiger vorgehalten wird, in unpassenden Augenblicken zaudernd und zweifelnd zu sein. So wie am frühen Sonntagabend in Frankfurt, wo die Dortmunder zweimal in Führung gingen. Zwei Minuten vor Ende der ersten Halbzeit kassierten sie zum ersten Mal den Ausgleich, zwei Minuten vor dem Ende der zweiten Halbzeit ein weiteres Mal, so dass ihnen statt drei Punkten nur einer blieb. Der BVB (Saisonziel: Meistertitel) muss sich erst einmal hinter den beiden Führenden aus Leipzig und München einsortieren.

Lucien Favre wird wahrscheinlich bis zum Ende seiner Tage das Verdikt nicht mehr los, dass ihm und damit auch seinen Teams in entscheidenden Moment die mentale Härte fehlt. Ein Blick in seinen Lebenslauf zeigt, dass das Blödsinn ist: In der Schweiz gewann er zweimal den Meistertitel, einmal durch einen Sieg am letzten Spieltag beim damaligen Tabellenführer. Borussia Mönchengladbach rettete er in aussichtsloser Lage vor dem Abstieg in die Zweite Liga – über die Relegation, den ultimativen Mentalitätshärtetest. Und auch die Dortmunder haben in der vergangenen Saison gezeigt, dass es ihnen am Willen nicht mangelte: Neun Mal trafen sie in oder sogar nach der 90. Minute.

Trotzdem hält sich das Gerücht, dass der Klub Mats Hummels auch deshalb verpflichtet hat, weil er in einer Art Nebenjob als Mentalcoach und Motivator in der Kabine fungieren soll. Vielleicht war es tatsächlich kein Zufall, dass das 2:2 für Eintracht Frankfurt fiel, als Hummels wegen einer Verletzung nicht mehr auf dem Platz stand.

Reus zürnte: „Ihr mit eurer Mentalitätsscheiße“

Beim Thema Mentalität reagieren sie in Dortmund inzwischen recht sensibel. Anders ist der Ausbruch von Kapitän Marco Reus vor laufender Sky-Kamera („Ihr mit eurer Mentalitätsscheiße“) kaum zu verstehen. Im Grunde hat er Recht. Fehlender Wille lässt sich einer Mannschaft leichter unterstellen als ein fehlender Plan des Trainers oder die mangelhafte Ausführung des genialen Matchplans. Umgekehrt loben sich die Spieler immer wieder gerne für ihren überragenden Willen und ihre unvergleichliche Mentalität, wenn sie ein verloren geglaubtes Spiel doch noch für sich entscheiden.

Generell hat der BVB eine Mannschaft, die sich auf ihre fußballerische Qualität verlassen kann. Genau das aber wird ihr bisweilen zum Verhängnis. Weil sie sich – wie in Frankfurt – zu sehr darauf verlässt, dass sie die Angelegenheit schon irgendwie nach Hause schaukeln wird. Weil sie so viele gute Fußballer in ihren Reihen hat, die ihrem Hang zu Kringeln und Schleifchen nicht immer widerstehen können. Und weil sie ein bisschen zur Selbstverliebtheit neigt. Es ist eine gefährliche Daddelmentalität, die sich in solchen Momenten offenbart. Von Lucien Favre haben die Spieler die ganz sicher nicht.

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