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Sport: Boateng wartet, Schorch geht zu Real

Der 18 Jahre alte Verteidiger wechselt für eine Million Euro von Hertha BSC nach Madrid

Berlin - Kevin-Prince Boateng verfolgt seinen Weg mit einem gewissen Stolz, und Kritik daran nimmt er gerne persönlich. Gestern, im Training des Berliner Fußball-Bundesligisten Hertha BSC, war das wieder einmal zu beobachten. Mit Mühe setzte sich Boateng gegen zwei Gegenspieler durch, als er sich anschließend auch noch mit einem dritten anlegte, verlor er den Ball. „Hör mal auf, alles alleine zu machen!“, rief Christian Giménez, der im Sturm vergeblich auf einen Pass gewartet hatte. „Spiel mal ab!“ Dann folgte ein ausgedehnter Disput.

Dass Boateng die Konfrontation nicht scheut, hat er oft genug bewiesen. Gestern legte sich der 20 Jahre alte Profi mit seinem Arbeitgeber an. In einem Interview mit der „Sportbild“ beklagte er sich über Herthas Umgang mit jungen Spielern. Vielleicht war diese Wortmeldung des Mittelfeldspielers als vergifteter Gruß zum Abschied gedacht. Boatengs Wechsel zum englischen Erstligisten Tottenham Hotspur sollte eigentlich längst über die Bühne sein. Der Vollzug aber steht immer noch aus. „Das wird sich noch ein bisschen hinziehen“, sagte Boateng gestern. Die Vereine sind sich über die Ablösesumme von rund 7,4 Millionen Euro zwar einig, Boatengs Berater Karel van Burik und der neue Klub offensichtlich aber noch nicht. „Es nervt, dass der Verein so viel Ablöse zahlen und dann an Kleinigkeiten sparen will.“

Christopher Schorch ist da schon weiter. Der 18 Jahre alte Innenverteidiger mit der Erfahrung von zwei Kurzeinsätzen in der Bundesliga verlässt seinen Ausbildungsverein und wechselt zum spanischen Rekordmeister Real Madrid – angeblich für eine Ablöse von einer Million Euro. Der U-19-Nationalspieler, der noch in der A-Jugend spielen könnte, soll zunächst zum Kader von Reals zweiter Mannschaft gehören, die gerade aus der Zweiten Liga abgestiegen ist. Der Wechsel sei für alle Beteiligten wahrscheinlich das Beste, sagte Herthas Manager Dieter Hoeneß, „für uns auf jeden Fall“.

Schorch ist nach Ashkan Dejagah (jetzt Wolfsburg) und den Brüdern Kevin- Prince und Jerome Boateng (beim Hamburger SV im Gespräch) der nächste Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, der sich mit Hertha überworfen hat. „Eine gewisse Enttäuschung“ wollte Hoeneß nicht leugnen, denn als Schorch vor einem Jahr aus der Jugend in den Profikader aufstieg, galt er noch als vorbildlicher Absolvent der Berliner Nachwuchsakademie. Hoeneß hat ihn als professionellen und sehr ehrgeizigen Spieler kennengelernt, „aber der Junge hat sich komplett verändert“.

Der Streit eskalierte, als Schorch zu einem Gespräch mit Hoeneß den Stiefvater seiner Freundin als vermeintlichen Berater mitbrachte, die Gültigkeit seines Vertrages anzweifelte und mehr Geld verlangte. Den Wechsel zu Real Madrid wickelte Hertha ausschließlich mit dem Anwalt des Spielers ab, wobei die kuriose Situation entstand, dass die Berliner bis zuletzt über die Identität des interessierten Vereins im Unklaren blieben. „Wir hatten ein paar Informationen und eine gewisse Ahnung“, sagte Hoeneß. Aber erst als Hertha am Montagabend per Fax die Bestätigung für den Wechsel erhielt, wussten die Berliner, dass sie mit Real Madrid verhandelt hatten. „Das habe ich in der Form noch nie erlebt: einen Transfer mit einem Phantom zu tätigen“, sagte Hoeneß.

Wie Christopher Schorch fühlt auch Kevin-Prince Boateng seine Qualitäten bei Hertha nicht ausreichend gewürdigt, auch finanziell nicht. Er sieht darin ein generelles Problem: „Die jungen Spieler werden immer heruntergestuft und mit kleinem Geld bezahlt.“ Beim VfB Stuttgart zum Beispiel, der ebenfalls auf Spieler aus dem eigenen Nachwuchs setzt, sei das anders. Da wüssten sie, was sie an ihren jungen Spielern hätten. Bei Hertha hingegen seien immer die Jungen schuld.

Den neuen Trainer Lucien Favre nahm Boateng von seiner Kritik grundsätzlich aus. „Die Leute, die ich meine, das ist die Führung“, sagte Boateng. An eine Lösung des Problems glaubt er nicht: „Mit Dejagah hat es Ärger gegeben, mit Schorch hat es Ärger gegeben, mit meinem Bruder hat es Ärger gegeben, mit mir hat es Ärger gegeben. Es wird auch mit den anderen noch Ärger geben.“ Manager Hoeneß wollte diese Aussagen nicht kommentieren, nur so viel: „Wenn man das Gefühl hat, alle gegen sich zu haben, sollte man sich selbst mal hinterfragen.“

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