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Laura Dahlmeier gewann bei der Biathlon-Weltmeisterschaft fünfmal Gold und einmal Silber.

© dpa

Biathlontrainer über Laura Dahlmeier: "Laura macht nie Larifari"

Laura Dahlmeiers Heimtrainer Bernhard Kröll spricht über ihre WM-Rekorde, ihren Ehrgeiz und Autovergleiche. Ein Interview.

Von Johannes Nedo

Herr Kröll, Sie kennen Laura Dahlmeier seit ihrer Kindheit und trainieren sie seit acht Jahren in Ihrer Trainingsgruppe. Hat sie Sie mit ihren fünf WM-Titeln und der Silbermedaille trotzdem überrascht?

Dass sie in Hochfilzen Medaillen gewinnen konnte, war kein Geheimnis. Aber sie hat mich dennoch positiv überrascht. Dass sie so stark regenerieren konnte trotz der hohen Belastungen mit den Medienterminen und dem ganzen Drumherum war extrem grandios. Es war wirklich phänomenal, dass sie sich immer wieder sowohl physisch als auch psychisch so fokussieren konnte, um dann wieder absolute Spitzenleistungen zu zeigen. Weil es ja schon hätte sein können, dass sie mal einen Wettkampf bestreitet, bei dem es nicht so klappt.

Woher kommt es, dass sie sich so fokussieren kann?

Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Sie ist einfach in einer harmonischen Situation, hinzu kam die Umgebung in Hochfilzen. Dieses Bergpanorama genießt sie unwahrscheinlich, da fühlt sie sich richtig wohl. Das mag sich jetzt komisch anhören, aber es gibt ihr sehr viel Kraft. Das Gesamtpaket passt derzeit unglaublich gut.

Was gehört noch zu diesem Gesamtpaket?

Sie hat schon während der Saisonvorbereitung im Sommer und Herbst sehr gut gearbeitet. Laura ist ja eine Athletin, die sehr individuell trainieren will, weil sie auch schon viel über sich weiß. Sie kann ihre körperlichen Fähigkeiten eben sehr gut einschätzen, trotz ihres jungen Alters von 23 Jahren. Man kann sich darauf verlassen: Wenn sie sagt, sie braucht morgen einen Ruhetag, dann macht das Sinn, weil sie dann übermorgen wieder 100 Prozent geben kann. Sie ist sehr schlau, hinterfragt viel und denkt viel mit, weil sie das Optimum anstrebt.

Warum dominiert sie die Konkurrenz so?

Sie arbeitet extrem konzentriert. Jedes Training sieht sie als Herausforderung, sich zu verbessern. Sei es im Laufen oder im Schießen. Darum hat sie an jedes Training eine hohe Erwartungshaltung. Sie macht nie Larifari während der Einheiten. So hat sie etwa Bewegungsabläufe beim Schießen absolut automatisiert.

Welche sind das?

Schon als Jugendliche hat sie sich an dem Italiener Lukas Hofer orientiert, wie schnell man die Waffe nach dem Schießen schultert. Er war da zwei bis drei Sekunden schneller als die anderen, weil er in fast einer durchgehenden Bewegung mit dem Arm in die Schlaufe geht und dann die Waffe auf den Rücken setzt. Sie probiert es so lange, bis sie es ebenfalls kann.

Hat sie beim Laufen auch so einen Biathleten, auf den sie schaut?

Obwohl sie schon ein unheimlich gutes Gefühl für den Ski hat, was das Gleiten angeht, orientiert sie sich an dem Franzosen Martin Fourcade, etwa an seiner Technik am Berg oder an seinen Tempowechseln. Sie will das nicht kopieren. Sondern versucht, das für sich zu übernehmen und so anzupassen, um aus jeder Situation des Wettkampfs das Maximum herauszuholen. Das sind alles Kleinigkeiten, die nicht so auffallen, aber es soll im Rennen einfach keine Situation entstehen, in der sie eine Sekunde verlieren könnte. Das macht eben den Unterschied aus zu den anderen. Für Laura bedeutet Stillstand Rückschritt. Ehrgeizig war sie immer schon.

Bernhard Kröll.
Bernhard Kröll.

© imago sportfotodienst

War ihr Talent beim Schießen ähnlich groß wie ihr Talent beim Laufen?

Sie hat sich viel erarbeitet. Dass sie als Schülerin viele Fehler geschossen hat, wollte sie nicht hinnehmen. Sie hat viel am Anschlag gearbeitet und am Abzugsverhalten, auch mit Trockenübungen.

Hinzu kommt ihre große Nervenstärke.

Das ist wirklich eine gesunde Frechheit und Kaltschnäuzigkeit, das kann man aber nicht 100-prozentig lernen.

In Hochfilzen erlitt Dahlmeier aber auch zwei leichte Schwächeanfälle.

Da spielten die vergleichbar hohen Temperaturen von um die zehn Grad eine Rolle. Aber das muss niemanden beunruhigen, sie erholt sich immer schnell. Sensationeller ist: Im entscheidenden Moment kann sie über ihre körperlichen Grenzen hinweggehen. Ich vergleiche das mal lapidar mit einem Auto, das bei Tempo 200 abriegeln würde. Sie kann aber die Verriegelung lösen und doch Tempo 210 fahren. Ob das in dem Moment dem Motor so gut bekommt, ist eine andere Frage. Dieses Verschieben von Grenzen konnte vorher nur Magdalena Neuner.

Sie haben beide in Ihrer Trainingsgruppe betreut. Wie kann man beide vergleichen?

Das ist schwierig. Jede war zu ihrer Zeit die weltbeste Athletin – das Tolle daran ist, dass beide aus Werdenfels kommen.

Der Trubel um Dahlmeier wird nun noch größer werden. Kann sie damit umgehen?

Ihr Rekord von fünfmal Gold und einmal Silber wird natürlich sehr lange Bestand haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand das wiederholen oder knacken kann. Aber Laura ist sehr gereift und wird all die neue Aufmerksamkeit gut wegstecken. Ich mache mir keine Gedanken, dass sie abheben könnte. Sie ist sehr geerdet.

Bernhard Kröll, 40, hat einige der besten Biathletinnen in seiner Trainingsgruppe betreut: Magdalena Neuner, Martina Beck und jetzt Laura Dahlmeier.

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