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Mit ruhigem Blick. Mark Kirchner wird von Verband und Athleten höchst geachtet. Er führte viele deutsche Biathleten zu großen Erfolgen. Kirchner selbst wurde drei Mal Olympiasieger und sieben Mal Weltmeister.

© Gerhard König/Imago

Biathlon: Mark Kirchner: Ein Stoiker steht für Erfolg

Mark Kirchner tritt in Oberhof erstmals als Chef-Bundestrainer vor den heimischen Biathlon-Fans auf – und will einiges verändern.

Das Halstuch ist immer noch das gleiche. Orange, mit kleinen Schäfchen darauf, das hat man immer gesehen, wenn am Schießstand von Pyeongchang in Südkorea Mark Kirchner die Schießbilder seiner Athleten beobachtete. Auch jetzt, in der neuen Saison nach Olympia: Kirchner, Schießstand, Schäfchen. Doch ein Detail hat sich eben geändert. Mark Kirchner ist nicht mehr nur Halstuchträger und Männer-Bundestrainer. Wenn ab Donnerstag der Weltcup in Oberhof in Thüringen Station macht, dann tritt Kirchner, der in der Nähe geboren wurde, mit neuem Amt vor die Fans. Im Sommer hat er die nächste Stufe seines Biathlon-Lebens erklommen und kann nun als Chef-Bundestrainer die Heimrennen dirigieren.

Rückblick, Februar 2018, Olympische Spiele in Südkorea. Da war Kirchner neben Gerald Hönig, dem damaligen Noch-Bundestrainer der Frauen, schon ein sehr glücklicher Mensch. Staffel-Bronze gab es da zu feiern, zudem rannten drei seiner Athleten in Einzelwettbewerben aufs Podest in Pyeongchang. Benedikt Doll gewann Bronze in der Verfolgung, Simon Schempp Silber im Massenstart. Und klar, Arnd Peiffer: Der war zum Sprint-Olympiasieger aufgestiegen und fragte danach verblüfft: „Der Mark hatte wirklich Tränen in den Augen?“ Hatte er, was für Beobachter einer Ekstase gleichkam, ist Kirchner doch eher einer, der seine Gefühle tief hinter Schäfchentüchern verborgen hält und sich wortkarg gibt. Die Olympia-Saison hat nur er im deutschen Trainer-Team überstanden, alle anderen Positionen sind neu besetzt worden – nun ist Kirchner der Amtsälteste beim Versuch, die erfolgsverwöhnten Biathleten zukunftsfähig zu machen.

„Er hat immer einen Plan“, sagte Peiffer über Kirchner neulich der Deutschen Presseagentur und der Olympiasieger muss es wissen: Seit 2008 trainiert Peiffer schon am Stützpunkt in Oberhof mit Kirchner, auch Doll und Erik Lesser setzen auf seine Trainingspläne. Sie alle sind Weltmeister unter ihm geworden, wie auch Simon Schempp, der in Ruhpolding trainiert. Als Lesser 2014 Olympia-Silber im Einzel gewann, nannte er Kirchner „den besten Trainer der Welt“, eine feste Umarmung gab es damals nach dem Erfolg und Lesser erklärte noch: „Wenn wir zusammen frühstücken, dann reden wir meist fünf Worte miteinander. Diesmal waren es vier. Herzlichen Glückwunsch! Danke! Sein viertes Wort habe ich vergessen.“ Und auch Doll dachte an Kirchner, als er 2017 in Hochfilzen mal nicht die gewohnten Schwächen am Schießstand zeigte und fehlerfrei zu WM-Gold lief. „Mark hat immer an mich geglaubt“, sagte Doll, und vielleicht liegt dann in dieser stoischen Ruhe von Kirchner tatsächlich die entscheidende Kraft: Geduld mit den Sportlern zu haben und ihnen Vertrauen zu schenken.

"Kirchner ist keiner, der rumschreit"

Dem Deutschen Skiverband (DSV). geht es vor allem darum, dass der 48-Jährige bei den Frauen als Ratgeber zur Seite steht, für die inhaltliche Ausgestaltung wurden zwei neue Trainer engagiert. Kristian Mehringer ist seit dem Sommer leitender Disziplintrainer, Florian Steirer sein Co-Trainer, beide sind erst 37 Jahre alt und waren vorher im Nachwuchsbereich unterwegs. Gerald Hönig, der seit 2010 für die Frauen zuständig war und mit ihnen etliche Titel feierte, hätte gerne noch zwei Jahre weitergemacht, doch nach dem vermurksten Staffelrennen von Pyeongchang mit Platz acht gab es auch Differenzen zwischen einzelnen Athletinnen und ihm. Der 60-Jährige ist nun als Schießtrainer für beide Teams vorgesehen, aus der Öffentlichkeit aber weitgehend verschwunden.

Und dann ist da noch Isidor Scheurl, der Co-Trainer an Kirchners Seite: Auch er hat seinen Job im Sommer neu angetreten, nachdem er jahrelang den Nachwuchs in Ruhpolding betreut hat. „Wie er Lehrgänge plant und die Trainings gestaltet, davon kann man sich unheimlich viel abschauen“, sagt Scheurl über Kirchner, „er ist keiner, der rumschreit oder es emotional angeht. Er macht das sehr strukturiert.“ Scheurl war selber Biathlet, trainierte noch mit Schempp und Johannes Kühn zusammen, die er heute in Ruhpolding betreut – doch dass es für eine Profikarriere nicht reichen sollte, merkte er recht früh. Seit 2009 ist er im Trainergeschäft dabei, mit 33 Jahren gerade mal ein Jahr älter als Peiffer. „Ich bin froh, dass ich da nicht mehr mitlaufen muss. Was die Jungs da leisten, ist schon irre“, sagt Scheurl. Dass Kühn zu Saisonbeginn erstmals auf dem Podest stehen konnte, freute den Co-Trainer besonders, mit 27 Jahren gehört Kühn nicht mehr unbedingt zu den Nachwuchsathleten.

Überhaupt sind in diesem Winter bisher vor allem die Männer positiv in Erscheinung getreten, mit insgesamt drei Podestplätzen durch Kühn, Doll und Peiffer. Bei den Frauen hat nur Laura Dahlmeier einen zweiten Platz in Nove Mesto erreichen können, wie bei den ersten beiden Weltcup-Stationen wird sie auch in Oberhof aussetzen. Sie hatte sich über Weihnachten erkältet und muss sich schonen.

Dort, wo 2023 wieder eine Biathlon-WM stattfindet, ist der Name Kirchner schon seit Jahrzehnten fest verankert: Kirchners Vater leitete einst das Leistungszentrum der Oberhofer Biathleten. 1991 feierte der Sohn sein ersten Weltcup-Sieg überhaupt in Oberhof und ist dann sieben Mal Weltmeister und drei Mal Olympiasieger geworden. Ein schönes Zitat findet sich noch aus dem Jahr 1994, als Kirchner zum deutschen Fahnenträger bei den Olympischen Spielen in Lillehammer ernannt wurde. Walther Tröger, damaliger Chef de Mission, beschrieb die Stimmungslage Mark Kirchners so: „So weit wir wissen, freut er sich darauf.“

Saskia Aleythe

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