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Sport: Besser zusammen

Nach den verpassten Medaillen fordert Anni Friesingers Coach eine Trainingsgemeinschaft mit Claudia Pechstein

Anni Friesinger ist es zu warm im Turiner Oval Lingotto, der olympischen Eisschnelllauf-Arena. Ihren Rennanzug will die 29-Jährige deshalb ein bisschen aufschneiden, hinten am Hals, damit sie künftig nicht wieder so schnell ins Schwitzen gerät wie beim olympischen 3000-Meter-Lauf am Sonntag. Das ist eines der Ergebnisse der ersten olympischen Rennanalyse, die Friesinger und ihr Trainer Markus Eicher beim Abendessen vornahmen. Den Gemütszustand seiner Athletin beschrieb Eicher als „gefasst“. Denn eigentlich sei gar nichts Ungewöhnliches passiert, wie Eicher gleich mehrmals sagte. „Die 3000 Meter sind die offenste Strecke überhaupt. Ich hatte sowieso keine Goldhoffnung.“

Trotzdem ist es ungewohnt: Rang vier für Friesinger, Rang fünf für Claudia Pechstein bei einem Doppelsieg der Holländerinnen Ireen Wüst und Renate Groenewold vor Weltrekordhalterin Cindy Klassen aus Kanada. Obwohl deutsche Läuferinnen seit 1972 bei Winterspielen über 3000 Meter stets Podiumsplätze belegt hatten, versuchte auch Pechsteins Trainer Joachim Franke, die Situation normal zu finden: „Die Läuferinnen, die die ersten fünf Plätze belegt haben, sind alle Weltklasse. Wer weiß – wenn Claudia heute laufen würde, dann käme vielleicht ein ganz anderes Ergebnis dabei heraus.“ Pechstein hatte am Sonntag genauso wie Friesinger über schwere Beine und Atemnot geklagt.

Weil nun aber das 3000-Meter-Rennen in Turin nicht wiederholt wird, orientierten sich Trainer wie Athletinnen umgehend nach vorn. Friesinger, die sich wie Pechstein einen Olympiasieg als Ziel für Turin gesetzt hat, denkt an die 1000 sowie die 1500 Meter, Distanzen, auf denen die Inzellerin in diesem Winter ihre besten Resultate erzielt hat. „Ich habe mir da sowieso die besten Chancen ausgerechnet“, sagte sie. Pechstein startet über 5000 Meter – und beide zusammen gehen sie im Teamwettbewerb aufs Eis, dessen olympische Uraufführung am Mittwoch und Donnerstag stattfindet. „Ich gehe davon aus, dass wir ins Finale kommen. Und wenn wir das geschafft haben, werden wir auch gewinnen“, verkündete Eicher, der in Turin für die Mannschaft zuständig ist. Zwei Dreier-Teams treten jeweils gegeneinander an. In der ersten Runde, in der die Startaufstellung für das Viertelfinale ermittelt wird, will Eicher seine Starläuferinnen schonen und stattdessen Sabine Völker, Daniela Anschütz-Thoms und Lucille Opitz einsetzen. Erst im Viertelfinale am Mittwochabend, wenn es im K.-o.-System weiter geht, sollen Friesinger und Pechstein laufen. Hauptkonkurrenten sind die Teams aus Holland und Kanada. Bei der WM-Premiere in Inzell 2005 gewannen die deutschen Läuferinnen vor dem Team aus Nordamerika. „Deutschland ist nicht unschlagbar, wir wollen Gold“, sagte Silbermedaillen-Gewinnerin Groenewold beschwingt durch den olympischen Traumstart.

Unabhängig davon, wie die Wettbewerbe enden – Eicher fordert schon jetzt, der deutsche Verband müsse sich künftig am System der Holländer orientieren. Dort trainieren die besten Eisschnellläufer – Männer wie Frauen – zusammen in einem Profiteam, in Deutschland sind die Spitzenathleten dagegen auf vier Stützpunkte verstreut. „In Holland profitieren sie voneinander. Die Mannschaft mit den vier, fünf besten Läuferinnen muss an einem Standort konzentriert werden und ein Trainer den Hut auf haben“, sagte Eicher.

Die Rivalinnen Friesinger und Pechstein zusammen in einer Mannschaft? Ein heikles Team. Entsprechend vorsichtig äußerte sich Günter Schumacher, Sportdirektor der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft, zu dem Vorschlag. Grundsätzlich habe er nichts dagegen – aber: „Wichtigste Philosophie ist die Einsicht, dass alle an einem Strang ziehen.“ Falls Friesinger und Pechstein in Turin nicht die erhofften Medaillen gewinnen sollten, dürfte das Thema vertieft werden.

Christiane Mitatselis[Turin]

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