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Sieht Änderungsbedarf. Stefan Kretzschmar, der Sportdirektor der Füchse Berlin.

© Andreas Gora/dpa

Berlins Handballer streben nach mehr: Wie Stefan Kretzschmar die Füchse Berlin umkrempelt

Die Füchse Berlin basteln an der Mannschaft der Zukunft – um endlich zu den Topklubs aufzuschließen. Dafür stellen sie nun alles auf den Prüfstand.

Die Begeisterung hält sich im Sommer 1996 in überschaubaren Grenzen. In der Stadt Magdeburg geht es noch, da freuen sich viele Fans über den neu verpflichteten Linksaußen. Bei den Spielern des lokalen Handballvereins sieht das aber etwas anders aus.

„Die Mannschaft fand es damals scheiße, dass ich kam. Der SC Magdeburg war immer ein Arbeiterverein mit entsprechenden Spielertypen und vielen Einheimischen“, erinnert sich Stefan Kretzschmar. „Und die haben sich schon gefragt: Was wollen wir mit so einem Künstler wie dem?“ Wenn Kretzschmar die Geschichte heute erzählt, muss er laut lachen.

Drei neue Spieler sind schon da

Wie viele Arbeiter braucht eine Handball-Mannschaft, wie viele Künstler verträgt sie? Mit dieser Frage darf sich der neue Sportvorstand der Füchse Berlin in diesen Tagen vor der Europameisterschaft eingehender befassen. Wenn die Nationalspieler der Füchse in Österreich, Norwegen und Schweden mit ihren Nationalteams um den Titel und die Olympia-Qualifikation kämpfen, wird Kretzschmar die Planungen für die Saison 2020/21 vorantreiben.

Drei neue Spieler hat er vor dem Jahreswechsel bereits verpflichtet: aus Minden kommt Marian Michalczik, 21 Jahre jung und eines der größten deutschen Talente auf der Rückraum-Mitte-Position. Aus Barcelona gesellt sich der dänische Nationalspieler Lasse Andersson dazu, aus Tatabanya (Ungarn) der Linksaußen Milos Vujovic.

Zudem besetzen die Füchse ihre Trainerbank im Sommer neu: mit Jaron Siewert, 25, einem Berliner, der nach Lehrjahren beim Zweitligisten Essen zum jüngsten Bundesliga-Trainer der Geschichte aufsteigen wird.

Zentrale Rolle. Paul Drux soll einer der Führungsspieler bei den Füchsen bleiben.
Zentrale Rolle. Paul Drux soll einer der Führungsspieler bei den Füchsen bleiben.

© imago images/Nordphoto

Es sind gravierende Eingriffe, die Geschäftsführer Bob Hanning vornimmt. Denn zuletzt war er nicht der einzige Beobachter, der mit der Entwicklung seines Vereins und so manchen Auftritten des Profiteams unzufrieden war.

Hanning hatte manchmal das Gefühl, die Füchse würden nach Jahren des steten, sportlichen Aufstiegs stagnieren. „Wir nehmen ja nicht ohne Grund personelle Veränderungen auf allen Ebenen vor“, sagt er. „Uns fehlen 20 Prozent zu den Spitzenmannschaften – und diesen Abstand wollen wir wieder verringern.“

Zentrale Rollen bei der Umsetzung dieses Vorhabens sind für Paul Drux und Fabian Wiede vorgesehen, die beiden Rückraumspieler, die schon im Sportinternat der Füchse die Schulbank gedrückt haben und mittlerweile zum festen Stamm der deutschen Nationalmannschaft gehören. Wenngleich Wiede die EM wegen einer Operation an der Wurfschulter verpassen wird. Auch bei den Füchsen sollen die zwei Mittzwanziger künftig noch mehr Verantwortung übernehmen.

Der Noch-Trainer. Velimir Petkovic (r.), der hier mit Manager Bob Hanning jubelt, wird nächstes Jahr nicht mehr die Füchse betreuen.
Der Noch-Trainer. Velimir Petkovic (r.), der hier mit Manager Bob Hanning jubelt, wird nächstes Jahr nicht mehr die Füchse betreuen.

© Jörg Carstensen/dpa

Dazu brauchen beide aber mehr Regenerationsphasen als in der jüngeren Vergangenheit. „Wir müssen wieder dahin kommen, dass Paul und Fabi auch mal Verschnaufpausen kriegen, dass sie nicht in jedem Spiel 50 Minuten auf dem Feld stehen“, sagt Kretzschmar. Dafür benötigt es vor allem: adäquate Alternativen wie Neuzugang Andersson. Perspektivisch wollen die Füchse ihren Kader noch breiter aufstellen.

Auf der anderen Seite wird sich der Verein in absehbarer Zeit auch von einigen Profis trennen. Derzeit ist Nationaltorhüter Silvio Heinevetter nicht nur der prominenteste, sondern auch der einzige Abgang, der feststeht. Ihn zieht es am Saisonende bekanntlich zur MT Melsungen. Es wird garantiert nicht der Einzige bleiben.

Sportvorstand Kretzschmar würde womöglich gern mehr verändern, als er im Moment angesichts der Vertragssituationen verändern darf. Im Sommer 2020 laufen nur sehr wenige Arbeitsverhältnisse bei den Füchsen aus, im Sommer 2021 dagegen sehr viele – unter anderem die Verträge von Kapitän Hans Lindberg, Abwehrchef Jakov Gojun, vom Kreisläufer-Gespann Mijajlo Marsenic/Johan Koch sowie arrivierten Spielern wie Michael Müller oder Stipe Mandalinic.

Stefan Kretzschmar muss noch warten

Der Kroate Mandalinic steht stellvertretend für einige Transfers, die zuletzt nicht gesessen haben: 2017 kam er als bester Torschütze der Champions League nach Berlin, im Füchse-Trikot war er aber nie der Spieler, als der er geholt und angekündigt worden war. Ein Kreuzbandriss machte die Sache für Mandalinic nicht eben leichter.

Es ist also gut möglich, dass Hanning und Kretzschmar einigen Profis nahelegen werden, Augen und Ohren nach potenziellen neuen Vereinen offen zu halten. Gerade jetzt, da bei den Füchsen alles auf dem Prüfstand steht – nicht nur der Mix aus Arbeitern und Künstlern.

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