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Sport: Berliner Lob verblüfft Bayern

Nach dem Teamgold bedankt sich Pechstein bei Friesingers Trainer, bangt aber um 1500-Meter-Start

Claudia Pechstein hat Husten. Wenn sie spricht, muss sie im Moment ihre Sätze immer wieder unterbrechen. „Die Luft in der Halle bekommt mir nicht“, sagte die Berliner Eisschnellläuferin am Freitag. Warum sie so sensibel reagiert, wusste sie nicht. Aber sie wusste sehr genau, warum sie gerade jetzt so gute Laune hatte. Denn trotz der schlechten Luft in der Halle „Oval Lingotto“ in Turin hatte Pechstein am Donnerstagabend ihre fünfte olympische Goldmedaille gewonnen. Und Gold im Teamwettbewerb war eine besondere Medaille, weil hier Individualistinnen zusammenarbeiten mussten. Eine der Individualistinnen heißt Anni Friesinger, Pechsteins Dauerrivalin.

Die 33-jährige Claudia Pechstein kann diesen Erfolg gut erklären. „Wir mussten an einem Strang ziehen. Und das haben wir auch getan.“ Eine klassische Zweckgemeinschaft also. Aber es steckt mehr hinter diesem Gold, und Pechstein lächelte, als sie darüber sprach: „Es liegt auch am Teamchef, ja Herr Eicher, auch daran liegt es.“ Markus Eicher aus Inzell, der neben ihr auf dem Podium vor den Journalisten saß, war perplex. Denn er ist auch Friesingers Trainer. Ausgerechnet ihn lobte Pechstein. Sie verkörpert Berlin, Friesinger und Eicher verkörpern Bayern, und diese Gruppen lagen ständig im Streit miteinander. Es war aber auch ein Ost-West-Konflikt, viele Jahre nach der Wende. Und jetzt dieses Lob.

Eicher ist in Turin zuständig für die Frauen-Mannschaft. Seine Nominierungen traf er mit Chef-Bundestrainer Helmut Kraus aus München und mit Stephan Gneupel aus Erfurt. Gneupel trainiert auch die Sprinterin Sabine Völker. Dem Chef-Bundestrainer Kraus hatte Pechstein vor einem Jahr noch den Rücktritt nahe gelegt. Er sei eitel und unfähig zur Kommunikation, hatte sie gesagt. Streitpunkt damals: die Besetzung des deutschen Teams

Und jetzt diese Harmonie. Die war schon auf dem Eis zu sehen. Die Deutschen arbeiteten exzellent zusammen, deshalb hatten sie im Finale am Ende 1,66 Sekunden Vorsprung auf Kanada. „Die Harmonie war unser Trumpf“, sagte Daniela Anschütz-Thoms. Nach dem Rennen freilich hatte die 31-jährige Erfurterin, die als Einzige alle vier Teamläufe bestritten hatte, noch geklagt, ihre Leistung sei nicht genug gewürdigt worden. Nun, am Freitag, sah sie glücklich aus. Denn Gneupel hatte gesagt: „Was Dani geleistet hat, ist unbeschreiblich.“ Eicher nannte Anschütz-Thoms’ Einsatz sogar „sensationell“ und „fantastisch“. „Dieses Lob war Balsam“, sagte Anschütz-Thoms.

Jetzt konzentrieren sich einige der deutschen Läuferinnen wieder auf die Einzelstrecken. Friesinger startet am Sonntag über 1000 Meter, auf der sie vor kurzem die weltbeste Zeit gelaufen und in dieser Saison noch unbesiegt ist. Außerdem hat die 29-Jährige die 1500 Meter und die 5000 Meter eingeplant.

Diese beiden Strecken hatte eigentlich auch Pechstein auf ihrem Plan. Doch ihr Husten zwingt sie möglicherweise umzuplanen. Ob sie die 1500 Meter absolviert, ist jetzt unklar. Auf jeden Fall wird sie aber die 5000 Meter laufen. Dort will sie wieder Gold. Es wäre ihr sechstes Olympiagold, und wenn sie es gewinnt, dann wäre sie auf Platz eins der Rangliste der erfolgreichsten Sportlerinnen bei Winterspielen. Allerdings nicht allein. Sechsmal Gold haben schon die Russinnen Ljubow Jegorowa (Skilanglauf) und Lidija Skoblikowa (Eisschnelllauf).

Christiane Mitatselis[Turin]

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