zum Hauptinhalt
Schieber, Schieber! Auf die Kraft eines Eric Franke vertraut Pilot Nico Walther am Wochenende bei der Viererbob-WM in Altenberg.

© Sven Hoppe/dpa

Berliner bei der Bob-WM in Altenberg: Eric Franke will sich endlich belohnen

Der Bobfahrer vom SC Potsdam will als Anschieber eine WM-Medaille holen – ausgerechnet in Altenberg, wo Frankes Schlitten 2019 umkippte.

Es ist ein normaler Trainingstag auf der Bahn in Altenberg Ende Oktober 2019. Nico Walther, einer der besten Bobpiloten weltweit, ist in Altenberg aufgewachsen. Er kennt die Bahn, auf der Geschwindigkeiten von bis zu 140 Stundenkilometern erreicht werden, auswendig. Doch in der Ausfahrt der Kurve elf kippt der Vierer-Schlitten ohne erkennbaren Fahrfehler um.

„Das fühlte sich nicht richtig an. Als ob dich jemand am Schlafittchen packt und rausziehen will“, erinnert sich Anschieber Eric Franke. Rausgeschleudert zu werden, kann das Quartett verhindern. Aber neben Pilot Walther, der sich an der Brustwirbelsäule verletzt, erwischt es auch den 30-jährigen Franke. Der Rücken und die Rippen sind lädiert.

2014 wechselte Leichtathlet Franke zum Bobsport

2014 war der Berliner von der Leichtathletik zum Bobsport gewechselt. Ein Wechsel, den schon einige Leichtathleten vor ihm mit Erfolg vollzogen hatten. Auch für den früheren Sprinter Franke, der voriges Jahr vom BSC Sachsen Oberbärenburg zum SC Potsdam ging, sollte es sich lohnen.

Er holte unter anderem 2018 Olympiasilber in Walthers Viererbob. Gestürzt war er bis zu jenem Oktobersamstag 2019 nicht. „Dadurch bin ich zu einem richtigen Bobfahrer geworden“, nimmt es Franke mit Humor. Im Bobsport gibt es den Spruch, dass man erst nach einem Sturz richtig dazugehöre.

Vier Tage später trainierte Franke wieder, so gut es möglich war. „Ich verwende das Wort selten, aber das war eine Quälerei.“ Vor allem natürlich wegen der angebrochenen Rippe. Aber bis zur Heim-Weltmeisterschaft in – mal wieder – Altenberg durfte er nicht viel Zeit verlieren.

Knapp eine Woche vor Weihnachten gab es das Wiedersehen mit der Bahn. Franke hatte schon vor dem Sturz mit einer Psychologin zusammengearbeitet und mit ihr dann auch die Geschehnisse aus dem Herbst aufgearbeitet. „Als Profi musst du das ausblenden. Wenn das im Hinterkopf bleibt, ist es hinderlich.“ Anspannung habe er gespürt, als der Bob beim Training oben am Start stand. Angst nicht. Es klappte alles.

Nach Weihnachten qualifizierte sich Walthers Crew bei einem nationalen Ausscheid für die Weltmeisterschaften, doch Franke musste sich seinen Platz noch erkämpfen. Mitte Februar stand er allein auf einer Anschubstrecke. Also fast allein.

Ein knapp 100 Kilo schweres Gewicht, das den Bob simulierte, war auch dabei. 50 Meter anschieben, volle Pulle. Für ihn leuchtete danach eine Topzeit auf, Franke war dabei. „Es war eine sehr schwierige Saison für uns. Jetzt wollen wir eine Medaille. Die Farbe ist völlig egal“, sagte der Sportsoldat vor Beginn der WM. Die Aussage bezog sich auf den Viererbob. Dann fiel Joshua Bluhm, Walthers Anschieber im kleinen Schlitten, mit Rückenproblemen kurzfristig aus. Nachrücker: Eric Franke.

Für Walther/Franke lief es am vergangenen Wochenende hervorragend, nach drei Läufen lagen sie auf Rang zwei. Doch durch den schwierigen Wetter-Mix mit Regen, Wind und hohen Temperaturen wurde die Bahn immer langsamer, sie verreifte. „Ein fahrerisch guter Pilot wie ich kann seine Stärken auf einer schnellen Bahn ausspielen, bei Reif ist das anders. Die Bahn ist griffig, und da kann jeder gut runterfahren“, sagte Walther der „Sächsischen Zeitung“.

Eine Chance bleibt Franke noch

Am Ende stand für den vierten Lauf nur Platz 19 und im Gesamtklassement Rang vier, acht Hundertstelsekunden hinter dem Bronzeplatz. WM-Gold holte sich zum sechsten Mal in Serie Francesco Friedrich. „Für das Wetter kann niemand etwas“, sagte Friedrich tröstend Richtung seiner Landsmänner Walther und Franke.

Nach der verkorksten Saison mit dem schweren Sturz und der langen Pause sei das Ergebnis „akzeptabel und respektabel“, aber nach der formidablen Ausgangsposition sei es eine „Mega-Enttäuschung“, findet Franke.

Eine Chance bleibt noch. Am Wochenende im Viererbob. Diese Chance ist nicht schlecht, glaubt Kevin Kuske. „Ich bin fest davon überzeugt, dass sie eine Medaille holen können“, sagt Kuske, der zusammen mit Franke 2018 in Pyeongchang Silber gewann und dadurch zum erfolgreichsten Bobsportler der Olympiahistorie aufstieg. „Das war für mich eine ganz große Sache und Eric war dabei. Wir sind in der Saison den ganzen Weg gemeinsam gegangen. So etwas schweißt zusammen.“

Inzwischen ist Kuske Stützpunkttrainer in Potsdam, wo es eine hochmoderne Anschubstrecke gibt. „Die Bedingungen sind perfekt“, sagt Franke. Zudem profitiert er von Kuskes Erfahrung: „Kevin kann sehr viel weitergeben.“ Franke pendelt beim Training zwischen Potsdam und dem Sportforum in Berlin-Hohenschönhausen.

Kuske ist inzwischen Stützpunkttrainer

Das spezielle Bob-Training findet dann in den Hochburgen dieses Sports in Sachsen oder Thüringen statt. 180 Tage war Franke im vergangenen Jahr unterwegs, das klingt viel. Für Franke war es vergleichsweise wenig. Vor Olympia waren es 270 Tage. So blieb diesmal mehr Zeit für die Familie, Franke hat einen drei Jahre alten Sohn.

„Eric will sich bobtechnisch immer weiterentwickeln und ist sehr wissbegierig. Das macht einen großen Athleten aus. Von ihm können wir noch viel erwarten“, sagt Kuske. Zudem sei Franke mit seinen rund 95 Kilo verteilt auf 1,91 Meter „prädestiniert als Anschieber“.

Kuske trat direkt nach Olympia 2018 zurück, mit 39 Jahren. Franke hat auch noch einiges vor, „aber mit knapp 40 sehe ich mich nicht mehr bei Olympia. Da sitze ich eher im Garten und werfe den Grill an“. Kurze Pause. „Wobei das zu der Jahreszeit, zu der Olympia stattfindet, schwierig werden könnte.“ Aber erst einmal will er am Sonntag die Medaille. Es wäre seine zweite bei einer WM nach Bronze 2017 – und die Belohnung nach einer sehr schwierigen Saison.

Zur Startseite