zum Hauptinhalt
Tatort Sotschi. Sebastian Rudy bekam kräftig was auf die Nase.

© Ina Fassbender/dpa

Belastungen während der WM: "Ganz wichtig ist genügend Schlaf"

Herthas Teamarzt Ulrich Schleicher über Sebastian Rudys Verletzung, den speziellen Druck für Nationalspieler und die Reisestrapazen während einer WM.

Herr Schleicher, beim Spiel gegen Schweden erlitt Sebastian Rudy einen Nasenbeinbruch, am Sonntag wurde er in Moskau operiert. Deshalb wird der Bayern-Profi heute gegen Südkorea vermutlich nicht spielen. Ist das wirklich nötig?

Ulrich Schleicher: Ich fände es sehr vernünftig, ihm die Zeit und Ruhe zu geben, bis er wieder fit ist. Sollte es ein Trümmerbruch sein, würde das die Sache nochmal komplizierter machen, was Schwellung und Blutungsneigung angeht. Umso schwieriger ist die Nase auch mit einer Maske zu schützen und das Risiko steigt, dass die Nase im Spiel wieder bricht. Aber auch bei einem einfachen Bruch ist es vernünftig, ihm ein paar Tage Ruhe zu gönnen.

Wie stellt man auf dem Platz fest, dass die Nase gebrochen ist?

Indem man tastet, ob die Nase verschoben ist. Auch wenn sie schon von außen sichtbar schräg steht, spricht das für einen Bruch. Genau weiß man das aber erst nach dem Röntgen. Rudys Nase hat so stark geblutet, dass die Diagnose nahe lag. In der Schleimhaut sind viele kleine Adern. Bricht die Nase, können sie auseinanderreißen und bluten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Wird Rudy in einem möglichen Achtelfinale wieder spielen können?

Wenn, dann sicher nur mit einer Gesichtsmaske. Sie schützt die Nasenwurzel, indem sie Stöße ableitet. Aber auch sie bietet keine hundertprozentige Sicherheit. Die Maske kann etwa während des Spiels verrutschen, auch Kopfbälle sind ein Risiko. Viele Spieler stört sie, weil sie die Sicht einschränkt. Man muss vorher schon mit ihr trainieren, um sich daran zu gewöhnen. Letztendlich muss jeder selbst entscheiden, wie sicher er sich mit so einer Maske fühlt.

Mats Hummels hingegen wird voraussichtlich spielen, nachdem er seine verrenkte Halswirbelsäule kuriert hat. Wie kommt es zu so etwas?

Da reicht schon eine unglückliche Bewegung, etwa beim Kopfball. Dann verhaken sich zwei Halswirbel gegeneinander, das spielt sich im Millimeterbereich ab. Dadurch verspannt sich die Muskulatur und schmerzt. Man kennt das, wenn man selbst nach dem Aufstehen plötzlich Nackenschmerzen hat, weil man falsch gelegen hat. Ärzte und Physiotherapeuten können die Blockierung mit manuellen Techniken lösen. Auch Spritzen in die Muskulatur und die Wirbelgelenke können helfen.

Das DFB-Team steht vor dem Spiel gegen Südkorea stark unter Druck. Bei einer Niederlage muss es nach Hause fahren. Überfordert das nicht viele Spieler?

Mit so einer Situation geht jeder unterschiedlich um. Die erfahrenen Spieler sind meist etwas entspannter als die Jüngeren. Es ist wichtig, nicht zu verkrampfen, damit man seine Leistung abrufen kann. Der Druck muss in eine positive Energie umgewandelt werden. In die Köpfe muss rein „Wir packen das!“ Deshalb ist jetzt die mentale Arbeit mit den Spielern und ihre psychologische Unterstützung unheimlich wichtig.

Teammanager Oliver Bierhoff sagte am Montag, es sei wichtig, die Spieler bis Mittwoch wieder „frisch zu bekommen“. Wie funktioniert das?

Da helfen Massagen, Sauna und die berühmte Kältetonne. Ganz wichtig ist außerdem genügend Schlaf. Die Mannschaft ist nach dem Spiel gegen Schweden erst mitten in der Nacht wieder in Moskau gelandet. Da kann man diskutieren, ob sie nicht hätten in Sotschi übernachten sollen. Aber von unseren Spielern bei Hertha weiß ich auch, dass viele lieber gleich zurückfliegen. Nach solch intensiven Spielen schlafen sie sowieso nicht ein.

"Das kommt darauf an, was kaputt gegangen ist"

Gesundheit im Blick. Ulrich Schleicher, Mannschaftsarzt von Hertha BSC.
Gesundheit im Blick. Ulrich Schleicher, Mannschaftsarzt von Hertha BSC.

© Mike Wolff

Zwischen Moskau und Sotschi liegen 1700 Kilometer, zwischen Moskau und Kasan 800. Kann man bei solchen Distanzen schon von Reisestrapazen sprechen?

Flüge, die eine bis zwei Stunden dauern, sind in Ordnung, alles darüber hinaus ist schon Stress. Deshalb hat das DFB-Team ja auch sein Quartier in Moskau aufgeschlagen. Von dort halten sich die Wege noch in Grenzen. Schlecht ist es, wenn es bei der Anreise zu den Spielorten Verzögerungen gibt. Oder wenn, wie beim Flugzeug der saudischen Mannschaft, das Triebwerk Feuer fängt. Das ist hochgradiger Stress für die Spieler. 24 Stunden vor dem Spiel sind die gewohnten Abläufe enorm wichtig, um die Konzentration hoch zu halten.

In Kasan ist es wärmer als in Moskau. Heute werden im Stadion etwa 30 Grad erwartet. Welche Rolle spielt die Hitze für die Kondition?
Die Spieler brauchen vor dem Spiel etwas Zeit, sich daran zu gewöhnen. Wenn wir mit Hertha manchmal im Frühjahr zum Auswärtsspiel nach Freiburg gefahren sind, waren in Berlin teilweise noch 10 Grad, im Breisgau aber schon fast 20. Während unsere Spieler nach einer Weile anfingen zu pumpen, hatten die Freiburger noch Puste, weil sie schon die ganze Woche unter diesen Bedingungen trainiert hatten. Sicher auch deshalb ist das deutsche Team schon am Dienstag nach Kasan geflogen.

Abgesehen von Rudys Nase und Hummels‘ verrenkter Halswirbelsäule: Was ist zwischen den Spielen die Hauptaufgabe der medizinischen Abteilung?

Die hat mehr als genug zu tun. Auch Kleinigkeiten wie Prellungen oder kleine Muskelverhärtungen können, wenn sie nicht gut behandelt werden, zu Verletzungen führen. Muskelproblemen und Fehlbelastungen muss man sofort entgegentreten. Deshalb sind Müller-Wohlfahrt und sein Team auch jetzt an jedem Spieler dran. Das ist eine Menge Arbeit, nur bekommen das die wenigsten mit. Die Öffentlichkeit sieht die Ärzte und Physiotherapeuten ja nur, wenn sie aufs Feld stürmen, weil ein Spieler verletzt ist.

Dann müssen Sie schnell eine Diagnose stellen. Wie machen Sie das?

Während des Spiels haben wir nur die Hände und einen mobilen Ultraschall zur Verfügung. Aber auch aus dem Hergang der Verletzung kann man schon einiges schließen. Wenn ein Spieler aufs Knie fällt, dann ist es in der Regel eine Prellung. Wenn er aber im Rasen hängen bleibt, man sieht, dass sich das Knie verdreht, und der Spieler dann schmerzgequält liegenbleibt, kann man fast mit Sicherheit sagen, dass ein Band verletzt ist.

Wie viel kann man dann durch eine schnelle Behandlung noch verhindern?

Das kommt darauf an, was kaputt gegangen ist. Wenn ein Band durchgerissen ist, kommt man zu spät. Anders ist die Lage, wenn es nur angerissen ist. Geht dabei ein Gefäß kaputt, kann das eine Blutung im Sprunggelenk verursachen, die das Gelenk für drei bis vier Wochen lahmlegt. Legt man sofort an der Seitenlinie einen Kompressionsverband an und kühlt die Verletzung zwei Stunden immer wieder mit Eiswasser, kann man vielleicht verhindern, dass es ins Gelenk einblutet. So kann man verhindern, dass für den Spieler das Turnier vorbei ist und er kann nach ein paar Tagen wieder auf dem Platz stehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false