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Darja Domratschewa hat derzeit wenig Grund zur Freude.

© dpa

Belarussische Biathlon-Legende: Das Schweigen der Darja Domratschewa

Ihr Bruder wird von Sicherheitskräften Lukaschenkos verprügelt, aber Darja Domratschewa hält sich mit Kritik zurück. Damit eckt sie in ihrer Heimat an.

Als Sportlerin war Darja Domratschewa erfolgsverwöhnt. Vier Mal holte die heute 34-jährige Belarussin olympisches Gold im Biathlon, mehrmals war sie Weltmeisterin. Eine Vorzeigeathletin, mehr noch: in ihrem Heimatland ist sie eine Legende. Dort hat sie jedoch in den letzten Tagen beträchtlich an Ansehen verloren – jedenfalls bei dem großen Teil der Bevölkerung, der gegen den autokratischen Herrscher Alexander Lukaschenko aufbegehrt.

Domratschewas Bruder Nikita war am vergangenen Wochenende am Rande einer der Massendemonstrationen gegen Lukaschenko in Minsk von Sicherheitskräften brutal zusammengeschlagen worden. Eine Nacht musste er im Krankenhaus verbringen.

Am Tag darauf wurden in den sozialen Netzwerken Fotos veröffentlicht worden. Sie zeigten, wie schwer Nikita misshandelt worden war. Oberkörper und Armee sind von Blutergüssen bedeckt. Am Kopf trägt der junge Mann einen Verband, durch den an zwei Stellen Blut getreten ist. An einer weiteren Stelle am Kopf wurde offensichtlich eine Platzwunde genäht.

Und Darja Domratschewa, die Schwester, die weltbekannte Sportlerin schwieg. Sie schwieg einen Tag und einen zweiten. Domratschewa hat vor zwei Jahren ihre Karriere beendet, sie lebt schon lange nur noch wenige Tage im Jahr in ihrem Heimatland. Sie ist mit dem noch bekannteren Ole Einar Björndalen verheiratet, seit September letzten Jahres bereiten beide die chinesischen Biathletinnen und Biathleten auf die Olympischen Spiele vor.

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Domratschewa ist mit Ole Einar Björndalen verheirat und lebt nicht in Weißrussland

Lange führte Domratschewa das typische Leben einer Spitzensportlerin in einer Diktatur. Das Regime Lukaschenkos schmückte sich mit ihr. Fotos an der Seite des Herrschers, auf denen beide lächeln, waren unvermeidlich. Die Sportlerin hatte einen Offiziersrang, sie war Oberleutnant des berüchtigten und gefürchteten Geheimdienstes KGB. Der hatte und hat die Schirmherrschaft über den Biathlonsport in Belarus.

Nun wird Domratschewas Schweigen in den sozialen Medien heftig diskutiert. Manche äußern Verständnis, aber die meisten greifen die Sportlerin heftig an. „Wie können Sie schweigen?“, heißt es da beispielsweise. „Sie müssten in die ganze Welt hinausschreien, was in unserem Land passiert. Heute ist es ihr Bruder, morgen sind es Ihre Eltern. Was muss noch passieren?“ Andere belarussische Sportler hatten zuvor klar gegen Lukaschenko Stellung bezogen, einige sitzen im Gefängnis.

Doch auch Domratschewa hatte nicht geschwiegen. Mitte August bereits hatte sie die Schergen Lukaschenkos aufgefordert, von ihrer Gewaltorgie abzulassen. Journalisten befragten Bruder Nikita nun zum Verhalten seiner Schwester. Er nahm sie nicht in Schutz. „Es steht jedem frei, zu reden oder nicht. Ich werde die Entscheidung meiner Schwester nicht diskutieren.“

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Die äußerte sich nun am Dienstag doch. Vorsichtig, abwägend, mit Kritik am Regime und an den Protestierenden gleichermaßen. Sie unternehme schon etwas, ließ teilte sie mit, „aber mein öffentlicher Schmerz würde keines der gesellschaftlichen Probleme lösen“.

Es sei unnütz, „die Luft mit den aggressiven Worten der einen Seite zu füllen, und absolut genauso auf der anderen Seite, die Menschen von den Straßen zu vertreiben, sie zu verhaften und zu schlagen“. Alle sollten sich beruhigen und die Lage diskutieren, schrieb sie auf Facebook.  

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