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Sport: Bejubelte Boxer

Prügeleien, 211 Strafminuten, 10:0 gegen Ingolstadt: Wie ein Eishockeyspiel in Köln im Irrsinn endete

Die Spuren des Kampfes waren nicht zu übersehen: Der Kölner Moritz Müller, 20, hatte einen Riss im Ohr, der genäht werden musste. Das Gesicht des Ingolstädters Christoph Melischko, 23, war geschwollen, über dem Auge prangte ein blutiger Cut. Nun sind die beiden jungen Herren mitnichten Box-, sondern Eishockey-Profis. Am Dienstagabend wechselten sie jedoch das Metier. Die beiden Deutschen waren umjubelte Nebenkämpfer einer wilden Massenkeilerei, die sich am Dienstagabend vor knapp 10 000 Zuschauern in der Kölnarena während des Spiels zwischen den Kölner Haien und dem ERC Ingolstadt abspielte.

Das Spiel war in vielerlei Hinsicht denkwürdig: Schiedsrichter Rick Looker verteilte insgesamt 211 Strafminuten, darunter sieben Spieldauer-Disziplinarstrafen – eine neue Bestmarke in der Kölnarena, in der die Haie seit 1998 spielen. Und auch das Ergebnis ist ein Arena-Rekord: Mit 10:0 Toren deklassierten die Haie den Spitzenreiter der Deutschen Eishockey-Liga, der zuvor sieben Spiele hintereinander gewonnen hatte.

Ingolstadts Geschäftsführer Stefan Wagner bewahrte trotz des Debakels Fassung: „Wir werden viele Gespräche führen müssen, um unsere Spieler wieder aufzubauen“, sagte er, konnte dem Spiel aber sogar noch etwas Positives abgewinnen: „Jetzt wissen wir wenigstens, dass wir nicht so gut sind, wie viele uns nach unseren Siegen gemacht haben.“ Es war ein Abend, an dem die Kölner alles richtig, die Ingolstädter dagegen alles falsch machten. In drei Überzahlsituationen im ersten Drittel erzielten die Haie drei Tore – das war offensichtlich zu viel für die Nerven von ERC-Torhüter Jimmy Waite. 13 Sekunden vor Ende des ersten Drittels verpasste der Kanadier dem vorbeifahrenden Haie-Stürmer Aaron Gavey einen Hieb mit dem Schläger. Gavey echauffierte sich, sofort eilten fast alle Spieler beider Teams herbei. Es entwickelte sich ein zehn Minuten langer Faustkampf rund um Waite und Gavey. Einziger Spieler auf dem Eis, der nicht mitprügelte, war KEC-Keeper Adam Hauser. Müller und Melischko trugen neben dem großen Pulk ihr Duell mit blanken Fäusten aus. Die beiden kennen sich aus Jugendmannschaften und hatten noch eine Rechnung offen. Haie-Spieler Müller zeigte dabei, sehr zur Freude des heimischen Publikums, einen bemerkenswerten Punch. Für die unvermeidliche Spieldauer-Strafe, die Referee Looker gegen ihn verhängte, wurde Müller mit Sprechchören gefeiert. „Für 1,5 Millionen Euro boxe ich auch gegen Brian Minto“, scherzte Müller in Anspielung auf Axel Schulz’ Niederlage vom Samstag.

Neben Müller musste Melischko vorzeitig duschen gehen, ebenso die Kölner Tino Boos und Gavey sowie Ingolstadts Waite, Jason Holland und Jakub Ficenec. Der Ärmste von allen war Ingolstadts 20 Jahre alter Ersatztorhüter Sebastian Vogel, der für Waite ins Spiel kam. Seine Vorderleute wehrten sich nach der 15-minütigen Unterbrechung kaum noch, so dass der Nachwuchsmann noch sieben Treffer kassierte. Freitag im Heimspiel gegen den Tabellenzweiten Düsseldorf muss Vogel wieder ins Tor. Jimmy Waite, Initiator der Prügelei, ist gesperrt.

Christiane Mitatselis[Köln]

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