zum Hauptinhalt
Bayer’s Law. Michael Ballack schoss beim 0:2 in Unterhaching ein Eigentor – Leverkusen verlor den Titel im Jahr 2000 noch. Foto: Imago

© Imago

Bayer Leverkusen: Mit Roger Schmidt gegen das Vizekusen-Image

Bayer Leverkusens Verliererimage ist legendär. Heute Abend ist der FC Bayern München im DFB-Pokal zu Gast. Kann Roger Schmidt seinem Klub das Gewinnen beibringen?

Wie ein Verlierer sieht Roger Schmidt nicht aus. Vor dem Pokalviertelfinale gegen Bayern München zeigt sich der Trainer von Bayer Leverkusen wie immer adrett gestylt und erhobenen Hauptes. „Es schadet nichts, mit dem Wissen um die eigene Stärke ins Spiel zu gehen“, sagt der 48-Jährige betont selbstsicher. „Wir sind in einem sehr guten Zustand.“

Roger Schmidt hat schon gezeigt, dass er als Fußballtrainer wandlungsfähig ist. In seiner Anfangszeit als Coach von Bayer Leverkusen ließ er ein sehr offensives und attraktives, aber ebenso konteranfälliges System spielen. Inzwischen geht seine Mannschaft nicht mehr mit so viel Risiko zu Werke und arbeitet defensiv derart effizient, dass sie aus den letzten fünf Bundesliga-Partien 15 Punkte holte und 13:0 Tore schoss. Nun muss er zeigen, ob der Trainer Leverkusen auch im Großen wandeln kann. Denn Schmidts Verein ist berühmt dafür, in großen Spielen als Verlierer vom Platz zu gehen.

Mit den Bayern sind heute die personifizierten Gewinner zu Gast in der Bayarena (20.30 Uhr/live in der ARD). Gibt es einen besseren Anlass zu zeigen, dass Schmidt Leverkusen nicht nur ein neues System, sondern auch eine Siegermentalität einzuhauchen vermag? Seine Profis wirken jedenfalls verhalten optimistisch. „Ich glaube, dass wir in der Lage sind, den FC Bayern in einem Spiel, an einem Abend, zu schlagen“, sagt Stürmer Stefan Kießling. „Wir wollen ins Finale.“

Bayer ließ sich "Vizekusen" offiziell schützen

Auf dem Weg dahin müssen die Leverkusener ihre historische Last loswerden. Den beiden Titeln der Vereinsgeschichte (Pokalsieg 1993, Uefa-Cup-Triumph 1988) steht eine lange Liste legendärer Niederlagen gegenüber. Berühmt ist das Drama von Unterhaching. Unter Christoph Daum hatte Leverkusen im Mai 2000 am letzten Bundesliga-Spieltag als Tabellenführer drei Punkte Vorsprung auf die Bayern – und wurde nach einem 0:2 beim Aufsteiger doch nur Vizemeister. Zwei Jahre später verlor Leverkusen mit Klaus Toppmöller die Endspiele in der Champions League und im Pokal und wurde auch in der Meisterschaft wieder nur Zweiter. Der Begriff „Vizekusen“, den sich Bayer im Jahr 2010 sogar offiziell schützen ließ, wurde geboren. Michael Ballack, der damals für Leverkusen spielte, glaubt inzwischen, dass das ständige Scheitern tatsächlich eine Art Bayer-Phänomen ist. Im Interview mit „11 Freunde“ sagte er unlängst, gefehlt habe Leverkusen „vielleicht der Glaube an den eigenen Erfolg, der sich aus der Historie eines Klubs speist“.

Dass Bayer verlässlich einknickt, wenn es darauf ankommt, mag mit dem behaglich-ruhigen Ambiente zu tun haben, das Trainer Bruno Labbadia einst Komfortzone nannte. Das sollte heißen: Mit dem Leistungsdruck hält es sich in Grenzen. Egal, wie es läuft – Leverkusener Profis erhalten vom Klub eine Premium-Behandlung. Wenn es nicht klappt, sind meist die anderen schuld, ob Schiedsrichter oder Medien. Nicht nur der innere, auch der äußere Druck ist für Bundesliga-Verhältnisse niedrig. Vermeidbare Niederlagen ziehen jedenfalls kein Getöse nach sich wie etwa beim 1. FC Köln auf der anderen Rheinseite.

Roger Schmidt sorgt für mehr Leistungsdruck

Schmidt ist nun der zehnte Trainer seit dem legendären Vizetriple 2002. Auch er versucht, der Bayer-Geschichte eine Wende zu geben und einen Gewinner aus dem ewigen Zweiten zu machen. Keinem seiner Vorgänger ist das gelungen. Zwar gab es regelmäßig Lob für schöne Spiele und einen attraktiven Stil. Unter Labbadia besiegte Bayer 2009 sogar die Bayern im Pokal-Viertelfinale 4:2 – scheiterte dann aber im Endspiel an Werder Bremen. Die aktuellen Leverkusener Spieler Simon Rolfes, Gonzalo Castro und Stefan Kießling waren damals schon dabei.

Doch Schmidt scheint fest entschlossen zu sein, das Verliererimage abzuschütteln. Teaminternen Leistungsdruck erzeugt der Trainer dadurch, dass er rotieren lässt. Weder ein Jungstar wie Hakan Calhanoglu noch ein Routinier wie Kießling erhalten eine Startelf-Garantie. Die vergangenen Ligaspiele absolvierte Schmidts Team cool und selbstbewusst, jeder Spieler war engagiert und bereit, Fehler des Nebenmannes auszugleichen.

Bayern muss Mittwoch auf viele Topspieler verzichten

Doch im Champions-League-Achtelfinale gegen Atletico Madrid schimmerte unlängst auch beim neuen Trainer die alte Vizekusen-Mentalität wieder durch. Im Hinspiel war Bayer zwar drückend überlegen, gab sich aber mit einem 1:0 zufrieden, das Schmidt am Ende mit defensiven Wechseln absicherte, anstatt das zweite Tor zu erzwingen. Das Rückspiel in Madrid verlor Bayer im Elfmeterschießen, drei Leverkusener Schützen versagten im entscheidenden Moment am Punkt.

Am Mittwoch wollen sie die Champions aus München aber fallen sehen, zumal die Bayern auf die verletzten Frank Ribéry, Arjen Robben, David Alaba und Bastian Schweinsteiger (Sprunggelenksverletzung) verzichten müssen. „Wenn wir so weiterspielen wie bisher, wird es für jeden Gegner schwer“, sagt Kapitän Rolfes. Der 33-Jährige wird seine Karriere nach zehn Jahren in Leverkusen beenden. Der Pokal ist seine letzte Chance, doch noch einen Titel mit diesem Verein zu gewinnen.

Zur Startseite