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Brav Abstand halten. So gesittet wie hier in Duisburg sollte es ablaufen.

© AFP

Auflagen, Unsicherheitsfaktoren, Reaktionen: Das müssen Zuschauer vor dem Bundesliga-Wochenende wissen

Die Zuschauer dürfen zurück zum Sport. Aber nicht viele. Wie kommt man an Tickets und welche Gefahren gilt es zu vermeiden? Eine Übersicht.

Welche Auflagen gibt es für den sechswöchigen „Probebetrieb“?
Als zulässige Höchstkapazität wird oberhalb einer absoluten Zahl von 1000 Zuschauern eine Auslastung von 20 Prozent der jeweiligen Stadien- oder Hallenkapazität empfohlen. Das bedeutet, dass zum Beispiel im Stadion von Borussia Dortmund bis zu 16.400 Zuschauer Einlass finden können, im Berliner Olympiastadion rund 15.000 Zuschauer und in der Berliner Mercedes-Benz-Arena (14.200 Zuschauer Kapazität) immerhin 2800 Fans.

Ohne Zuschauer müssen Fußball-, Basketball- oder Eishockeyspiele stattfinden, wenn es in der Region, in der sich das Stadion oder die Halle befinden, 35 oder mehr Neuinfektionen je 100.000 Einwohner gibt und das Infektionsgeschehen nicht klar einzugrenzen ist. „Stets bedarf es einer engen Abstimmung mit den örtlich zuständigen Gesundheitsämtern“,, heißt es im entsprechenden Beschlusspapier der Chefs der Staats- und Senatskanzleien der 16 Bundesländer.

Zudem soll es drinnen 1,5 Meter Abstand zwischen den Zuschauern geben, einen getrennten Ein- und Auslass, ein Verbot des Ausschanks und Konsums von Alkohol sowie „ein Zutrittsverbot für erkennbar alkoholisierte Personen“, um unkontrollierte Reaktionen und ein Missachten der coronabedingten Regeln zu vermeiden.

Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung während der gesamten Veranstaltung soll  „in Abhängigkeit vom Veranstaltungsort“ entschieden werden – generell gibt es an der frischen Luft, also auch in Stadien ein weit geringeres Infektionsrisiko. In Hallen ist das mit Blick auf die Aerosole anders, hier muss auch für „ausreichende Lüftung und/oder Luftdesinfektion bzw. -filterung gesorgt werden.

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Wie wird entschieden, wer ins Stadion darf?
Die Tickets, so die einheitliche Regelung, werden personalisiert vergeben. Nur so können Infektionsketten nachverfolgt werden. Vor- und Nachname, Adresse, Handynummer sowie eine private E-Mail-Adresse müssen angeben werde. Gästefans sind laut Beschluss bei den Spielen nicht zugelassen. Wer dann die glücklichen 20 Prozent sind, die ins Stadion dürfen, bleibt unter Berücksichtigung der vorgegebenen Bedingungen den Vereinen überlassen.

Die Klubs vergeben fast alle der zur Verfügung stehenden Tickets an ihre Dauerkartenbesitzer. Bei Hertha BSC zum Beispiel reicht das noch nicht aus. Wer die Chance auf eine Karte beim Berliner Bundesligisten haben will, muss nicht nur Dauerkartenbesitzer sein, sondern zudem Vereinsmitglied. Dann hat er bei einem nicht näher erläuterten Losverfahren die Möglichkeit, ein Ticket zu erwerben.

Genauso läuft es beim Lokalrivalen 1. FC Union ab und ähnlich verfahren auch die anderen Bundesliga-Klubs. Berücksichtigt werden von den Vereinen zudem auch Mitglieder der Fanklubs.

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Sind auch mehr Zuschauer möglich?
Ja, wenn der Test bis Ende Oktober gut verläuft. Der Probebetrieb soll von den Verbänden wissenschaftlich begleitet werden, sie sollen also bundesweit Wissenschaftler beauftragen und bezahlen, damit Erkenntnisse gewonnen werden, vor allem darüber, ob sich mit den Konzepten das Infektionsrisiko minimieren lässt.

“Dabei soll insbesondere auf die Problematiken der Aerosole, Verkehrslenkung, Ticketing, Einlass und Verlassen des Stadions und die Unterschiede zwischen Hallen- und Freiluftsport eingegangen werden”, fordern die Bundesländer. Ende Oktober wird über eine Fortsetzung und gegebenfalls auch eine Ausweitung des Probebetriebs entschieden.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) betont, er gehe davon aus, dass die Regelung für bundesweite Sportveranstaltungen auch eine Blaupause sein kann für alle anderen Großveranstaltungen – "gerade auch im Kulturbereich".

Wie reagieren die Bundesligaklubs?
Das Echo fiel unterschiedlich aus. Die meisten Klubmanager aber äußerten sich zufrieden über den Beschluss, garantierte dieser doch eine Chancengleichheit. „Wenn ein Verein dauerhaft vor 300 Zuschauern spielt und ein anderer vor 8000, dann haben wir eine Wettbewerbs-Ungleichheit. Von daher wünsche ich mir, dass die Testphase erfolgreich verläuft“, sagte etwa Jörg Schmadtke, Sport-Geschäftsführer vom VfL Wolfsburg.

Auch der 1. FC Union ist laut Pressesprecher Christian Arbeit froh, dass der Beschluss vom Dienstag ein weiterer Schritt für die Bundesliga-Klubs sei, wieder mehr Zuschauer in die Stadien zu bekommen. „Gleichwohl müssen die Regelungen jetzt erst einmal in das Landesrecht verankert werden“, sagte Arbeit dem Tagesspiegel. In Berlin sind bislang 5000 Personen bei Veranstaltungen unter freiem Himmel erlaubt. Für den 1. FC Union ändert die Regelung kaum etwas: Das Stadion an der Alten Försterei fasst 22.012 Zuschauer, 20 Prozent davon ergeben 4.400 Personen.

Manche Vereine wurden durch die Regelungen aber offensichtlich überrumpelt. Laut „Stuttgarter Zeitung“ wird der VfB Stuttgart aller Voraussicht nach nicht die ihm zustehenden 12.000 Zuschauer zum Heimspiel gegen den SC Freiburg empfangen können. Demnach ist der Vorlauf für Aufbau, Organisation und Kartenverkauf für den Traditionsverein zu kurz.

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Wie reagieren die Verbände anderer Sportarten?
Für die Hallensportarten wie Eishockey, Handball, Basketball oder Volleyball sind die Regelungen von besonderer Bedeutung. Im Gegensatz zum Bundesliga-Fußball sind diese sehr viel stärker auf die Einnahmen durch Ticketing und Catering angewiesen. Mit einer Auslastung von 20 Prozent kommen die Profivereine dieser Sportarten perspektivisch kaum über die Runden – es sei denn, sie fahren allesamt ihren Umsatz drastisch herunter.

"Wir müssen diese Entscheidung der Politik erst mal sacken lassen und abwarten, wie die praktische Handhabung erfolgt. Die 20-Prozent-Grenze ist als Empfehlung formuliert, und die Abstandsregelungen verweisen auf das jeweilige Landesrecht", sagte Gernot Tripcke. Der Geschäftsführer der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) hofft also, dass ihm und den vielen anderen Klubs in Deutschland der Föderalismus in die Karten spielt. Grundsätzlich habe er sich nach den Gesprächen der letzten Woche hatten deutlich mehr Unterstützung in diesem für uns wirtschaftlich so existenziellen Bereich erhofft", meinte der DEL-Chef. 

Deutlich positiver äußerte sich Kaweh Niroomand, der Sprecher der Vereinigung der Berliner Profiklubs sowie der Geschäftsführer des Volleyball-Bundesligisten BR Volleys. "Das Gute ist", sagte er dem Tagesspiegel, "dass wir dadurch mehr als die bisher erlaubten 1000 Zuschauer in die Max-Schmeling-Halle bekommen."

Knapp 2500 Zuschauer sind nach der Regelung vom Dienstag in der Heimspielstätte der BR Volleys und der Füchse Berlin erlaubt. Überhaupt, so Niroomand weiter, sei er guter Dinge, "dass sich die Situation, was die Zuschauer betrifft, für uns weiter verbessern wird."

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Was halten Virologen und Epidemiologen von der Regelung?
Auch Infektionsmediziner, Virologen und Experten für die Verbreitung von Krankheitskeimen haben in jüngster Zeit immer wieder betont, dass sie den Wunsch von Veranstaltern und potenziellen Besuchern nachvollziehen und unterstützen. Allerdings sind die wirklich verlässlichen wissenschaftlichen Daten rar.

Der hier wahrscheinlich aussagekräftigste Großversuch, bei dem massive Datenmengen gesammelt wurden - ein Popkonzert in Leipzig unter wissenschaftlicher Leitung des Hallenser Infektiologen Stefan Moritz - wird derzeit erst noch ausgewertet. Die generelle Einschätzung ist, dass unter Idealbedingungen - also wenn alle Besucher sich an Grundregeln wie korrektes Maskentragen, Abstandhalten, Hygiene und Verzicht auf die Veranstaltung bei Symptomen oder nach Kontakt mit möglicherweise Infizierten halten, das Infektionsrisiko für Teilnehmer insgesamt gering sein sollte.

Vor allem Veranstaltungen und Spiele unter freiem Himmel gelten dann als vergleichsweise unproblematisch. Teilweise anders ist es in Hallen. Hier gibt es kaum Möglichkeiten, selbst bei Ventilation mit Frischluft die Luftströme optimal zu kontrollieren und effektiv zu leiten. Dazu kommt, dass auf dem Weg zum Platz oft Gänge und Türen zu passieren sind und sich in vergleichsweise engen, schlecht belüfteten Bereichen Schlangen bilden können.

Was ist der größte Unsicherheitsfaktor?
An den Veranstaltungsorten ist das die Frage, wie konsequent sich Besucher an die Regeln halten - und wie konsequent Veranstalter bereit und in der Lage sind, hier effektiv zu kontrollieren und einzuschreiten. Dazu kommt, dass diese Aspekte in Zügen und anderen Verkehrsmitteln, die Besucher zu Hallen und Stadien bringen, kaum zu kontrollieren sind.

Die Regelung in Sachsen-Anhalt, ab November in Clubs bis zu 60 Prozent der Personenzahl einlassen zu dürfen, für die eine Betriebsgenehmigung vorliegt, halten Virologen für eher problematisch. Die Personendichte ist dann immer noch hoch, und es ist bekannt, dass es sehr viele Infektionen bei Veranstaltungen in solchen und ähnlichen Räumlichkeiten gegeben hat. Das konsequente und korrekte Maskentragen gilt auch hier als beste Möglichkeit, die Übertragungswahrscheinlichkeit zu reduzieren.

In der Praxis geschieht dies aber, das zeigt die Erfahrung, oft nicht. So wird häufig beobachtet (und nicht geahndet), dass Personen die Nase nicht bedecken und die Masken zwischendurch abnehmen. Hierbei können dann sogar konzentriert Virenpartikel in einen Bereich eines Raumes gelangen und die Personen dort hohen Erregerzahlen aussetzen.

Inwiefern tangieren die Regelungen den Amateursport?
Die vereinbarten Regelungen der Chefs der Staatskanzleien der Bundesländer hat keine Auswirkungen auf den Amateursport. Dieser obliegt weiterhin den regionalen beziehungsweise lokalen Maßnahmen zum Infektionsschutz. Das machten verschiedene Bundesländer auch direkt nach der Entscheidung vom Dienstag deutlich.

Schleswig-Holstein verkündete kurz nach der Einigung, an seiner erlaubten Zuschauerquote von 25 Prozent festzuhalten. Auch in Nordrhein-Westfalen ist mitunter eine Stadion- oder Hallenauslastung von bis zu 30 Prozent erlaubt.

Das könnte das bizarre Szenario nach sich ziehen, dass bei einem Bundesligaspiel, etwa von Bayer Leverkusen (erlaubt: 6000 Fans), deutlich weniger Zuschauer im Stadion sind als bei manchem Viertligaspiel in der Region. Der Amateursport bleibt ein Flickenteppich mit sehr unterschiedlichen Maßnahmenregelungen. Nur ein Beispiel: In Berlin sind in Punktspielen keine Tischtennis-Doppel erlaubt, in anderen Bundesländern dagegen schon.

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