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Peyton Siva fand in schwierigen Zeiten Kraft in seinem Glauben und dem Sport.

© Friso Gentsch/dpa

Alba Berlins Peyton Siva: „Basketball war mein sicherer Hafen“

Der Alba-Spielmacher über seine schwierige Kindheit, die Bedeutung von Religion und Heimat sowie die am Sonntag beginnende Finalserie gegen Bayern München.

Peyton Siva, 28, spielt seit 2016 für Alba und will in der Sonntag beginnenden Finalserie gegen Bayern München seinen ersten Titel mit den Berlinern holen. In den Play-offs gehört der NBA-erfahrene Point Guard bisher zu den besten Spielern. Mit ihm sprach Julian Graeber.

Herr Siva, Sie spielen schon seit drei Jahren bei Alba. Wie gut ist Ihr Deutsch mittlerweile?

Oh, nicht besonders. Ich kann ein paar einfache Sätze und Worte. Entschuldigung, guten Morgen, bitte. Das war's dann aber schon.

Dann wissen Sie vermutlich nicht, was Strohwitwer heißt?

Nein, keine Chance. Was ist das?

Ein Ehemann, der allein zu Hause bleibt, während seine Frau verreist ist.

Oh ja, das bin ich. Meine Frau ist mit meinen zwei Töchtern seit dem Beginn der Play-offs zu Hause in Louisville.

Wie ist das Leben als Strohwitwer?

Es ist hart, von meinen Mädchen getrennt zu sein. Sie wissen aber, was für eine wichtige Phase wir gerade mit dem Team haben und geben mir damit die Möglichkeit, mich voll auf Basketball zu fokussieren. Meine Tage bestehen momentan eigentlich nur aus Trainieren, Essen, Schlafen. Ziemlich eintönig, aber zum Glück spielen wir ja am Sonntag endlich.

Zwischen Bayern und Alba hat sich eine große Rivalität entwickelt. Wie gehen Sie damit um?

Für mich ist das einfach ein Gegner, den ich besiegen muss. Ich schaue nie so intensiv in die Vergangenheit. Rivalitäten hast du überall – am College war es Louisville gegen Kentucky, hier ist es Alba gegen München. Als Basketball-Profi darfst du dich dadurch nicht zu sehr beeinflussen lassen.

Was ist Ihr erster Gedanke, wenn Sie an die Finalserie des Vorjahres denken?
Die Enttäuschung nach Spiel fünf, das war echt hart. Wie wir damals gekämpft haben und das ganze Jahr gespielt haben, hat mich aber auch stolz gemacht.

München hat im Gegensatz zu Ulm und Oldenburg einen sehr breiten Kader. Wie schlägt man solch ein ausgeglichenes Team in einer Fünf-Spiele-Serie?
Ulm und Oldenburg haben auf ein paar wenige Spieler gesetzt, die sehr viele Minuten auf dem Parkett standen – und unser Plan war, sie müde zu spielen. Gegen München wird das viel schwieriger, weil sie sehr ausgeglichen sind. Wir müssen als Team voll da sein, unseren schnellen Stil spielen und viel Energie von der Bank bekommen.

Sie haben den Spielstil gerade angesprochen. Alba spielt gerne schnell, Bayern eher langsam. Glauben Sie, dass Ihr Team auch in einem langsamen Spiel eine Chance hätte?

Ich denke schon. Wir haben genügend Spiele absolviert dieses Jahr und können unseren Stil anpassen. Aber unser Plan ist natürlich, ihnen unser Spiel aufzuzwingen, selbst schnelle Abschlüsse zu kreieren und den Ball dabei so selten wie möglich zu verlieren. Denn München nutzt jeden Fehler eiskalt aus.

Was macht die Bayern so stark?

Sie haben einen breiten Kader, sind erfahren und mit Derrick Williams, Devin Booker, Danilo Barthel oder Vladimir Lucic haben sie überragende Spieler. Dazu kommen mit Maodo Lo und Stefan Jovic zwei fantastische Point Guards, die wirklich entscheidend für ihr Spiel sind. Meine Aufgabe ist es, sie aus dem Spiel zu nehmen.

Nach dem Gewinn der College-Meisterschaft und der Saison in der NBA hatten Sie in den vergangenen Jahren einige Verletzungsprobleme. Fühlt es sich durch die Erfolge mit Alba nun so an, als seien Sie endlich wieder da, wo sie hingehören?

Es war ein harter Weg hierhin, seit ich weg bin von den Detroit Pistons. Ich hatte viele Verletzungen, auch in dieser Saison, fühle mich jetzt aber endlich gesund. Dadurch ist auch das Selbstvertrauen zurück und die Euroleague-Qualifikation hat Alba, aber auch mir wieder viel Aufmerksamkeit gebracht. Dafür muss ich dem Team danken und vor allem Coach Aito, der immer an mich geglaubt hat.

Luke Sikma hat gerade um vier Jahre bei Alba verlängert. Ihr Vertrag läuft zum Saisonende aus, wann sind bei Ihnen Neuigkeiten zu erwarten?

Ich weiß es nicht. Jetzt zählt für mich erst mal nur das Finale. 

Würden Sie denn gerne bei Alba bleiben?

Ich würde sehr gerne bleiben. In dieser Phase meiner Karriere wäre es toll, Stabilität zu haben.

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Albas aktueller Erfolg ist eng mit Trainer Aito Garcia Reneses verbunden. Was macht ihn so besonders?
Er lässt uns auf dem Spielfeld viele Freiheiten und schaut uns nicht die ganze Zeit über die Schulter. Damit gibt er uns sehr viel Selbstvertrauen. Er ist nicht die Art Trainer, die in der Kabine rumschreit, sondern weiß ganz genau, wie er mit uns sprechen muss. Er ist einfach ein großartiger Lehrer.

Inwieweit hat er Ihnen geholfen, Ihr eigenes Spiel noch einmal auf eine andere Ebene zu heben?

Er hat mir bei vielen kleinen Dingen geholfen, aber vor allem beim Lesen des Spiels. Er hat mir gesagt, dass ich nicht immer gegen die großen, kräftigen Spieler in die Zone ziehen, sondern lieber etwas geduldiger agieren und die richtigen Entscheidungen treffen soll.

Ist Ihr verbesserter Distanzwurf eine Konsequenz aus diesen Lehren?

Auf jeden Fall. Ich werfe deutlich häufiger aus dem Drei-Punkte-Bereich und habe meine Reichweite vergrößert. Aito ermutigt mich, solche Würfe zu nehmen. Das ist auch ein Weg, um die harten Kontakte in der Zone zu vermeiden und meinen Körper zu schützen. Wenn ich will, kann ich aber immer noch dunken. Ich werde zwar älter, bin aber noch nicht alt.

Es ist noch nicht ganz klar, ob Aito nach der Saison bei Alba bleibt. Hat das einen Einfluss auf Ihre Vertragsverlängerung?

Definitiv. Als Spieler willst du immer für einen Trainer spielen, der an dich glaubt und dein Spiel weiterentwickelt. Aito ist so ein Trainer.

Football war meine erste Liebe

Peyton Siva, 28, spielt seit 2016 für Alba und will in der Sonntag beginnenden Finalserie gegen Bayern München seinen ersten Titel mit den Berlinern holen. In den Play-offs gehört der NBA-erfahrene Point Guard bisher zu den besten Spielern.
Peyton Siva, 28, spielt seit 2016 für Alba und will in der Sonntag beginnenden Finalserie gegen Bayern München seinen ersten Titel mit den Berlinern holen. In den Play-offs gehört der NBA-erfahrene Point Guard bisher zu den besten Spielern.

© Andreas Gora/dpa

An der High School haben Sie auch American Football gespielt. Warum haben Sie sich irgendwann für Basketball entschieden?

Football war immer meine erste Liebe, jeder in meiner Familie hat Football gespielt. Dann habe ich mir dabei aber leider das Schlüsselbein gebrochen und durch Basketball hatte ich die Chance, ein Stipendium zu bekommen und dann auch Profi zu werden.

Haben die Erfahrungen vom Football Ihnen geholfen, ein besserer Basketball-Spieler zu werden?

Es hat mich viel härter gemacht. Beim Football musst du sehr athletisch sein und darfst keine Angst vor Körperkontakt haben. Diese Robustheit hilft mir auch beim Basketball.

Haben Sie im Basketball Vorbilder?

Vor allem Jungs, die auch aus Seattle kommen, wie Jamal Crawford oder Jason Terry, der auf der gleichen High School war. Ansonsten habe ich hin und wieder Kontakt zu Isaiah Thomas und hole mir ein paar Ratschläge. Von Damian Lillard und Kemba Walker schaue ich mir sehr gerne Videos an.

Ist es ein Zufall, dass das alles eher kleine Guards sind?

Nein, ich kann mir ja schlecht Russell Westbrook angucken und dann so spielen wie er oder wie Kevin Durant über jeden Gegner werfen (lacht).

Als Basketball-Profi muss man ziemlich flexibel sein und häufig umziehen. Was bedeutet für Sie Heimat?
Ein Platz, an dem ich wohl fühle. Wo ich mich entspannen kann, wo ich in der Nähe meiner Familie und Freunde runterkomme. Ich habe nie besonders lange an einem Ort gelebt und Heimat ist, wo meine Lieben sind. Egal, ob das nun Louisville, Seattle oder Berlin ist.

In den sozialen Medien benutzen Sie oft den Hashtag IAJ – it's all Jesus. Was bedeutet Ihnen Ihr Glaube?

Es ist das Wichtigste in meinem Leben. Als Kind hat mir der Glaube geholfen, mit den schwierigen Dingen umzugehen, die ich erleben musste. Ich bin vorher nie gerne in die Kirche gegangen, aber mein Pastor in Seattle hat mir damals Halt gegeben und er schickt mir immer noch Zitate aus der Bibel.

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Als Sie 13 oder 14 Jahre alt waren, haben Sie Ihren Vater, der schwere Depressionen und Drogenprobleme hatte, vom Suizid abgehalten. Wie sehr hat Sie diese Erfahrung geprägt?
Zu dieser Zeit habe ich das gar nicht als Moment gesehen, der mein Leben völlig verändert. Viele meiner Freunde hatten mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Daher dachte ich, das wäre normal, jedes Kind würde solche Dinge erleben. Später habe ich dann erkannt, dass es alles andere als normal war – besonders für ein Kind. Wenn dein Vater solche Probleme hat, fragst du dich natürlich: Habe ich irgendetwas falsch gemacht? Ich habe viele Dinge in meiner Familie auf mich projiziert. Mein Bruder hatte auch Probleme mit Drogen und Depressionen und es ist schwer, besonders als Jugendlicher, damit umzugehen.

Wie wichtig war der Sport in dieser schweren Phase?

Basketball war ein Weg für mich, dieser Situation zu entkommen, ein sicherer Hafen. Wenn ich auf dem Platz stehe, ist das eine ganz andere Welt für mich. Ich denke über nichts anderes nach, konzentriere mich nur auf das Spiel. Durch Basketball und Football hatte ich immer etwas zu tun und gar keine Zeit, irgendwelche Probleme zu machen.

Und wie haben Sie das Erlebte abseits des Basketballfeldes verarbeitet?

Ich war ein Typ, der seine Gefühle oft für sich behalten hat und dann irgendwann explodiert ist. Später habe ich gelernt, mich zu öffnen und darüber zu reden. Das Verhältnis zu meinem Vater ist seitdem viel enger, ich spreche viel mit ihm, mit meinem Bruder, mit meiner Frau – sie hat in ihrer Kindheit ähnliche Dinge erlebt. So habe ich einen Weg gefunden, damit umzugehen.

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