zum Hauptinhalt
Schweigen ist Gelb. Paris-Trainer Thomas Tuchel verliert kein schlechtes Wort über seinen alten Arbeitgeber.

© Thibault Camus/dpa

Achtelfinale der Champions League: Thomas Tuchels komplizierte Rückkehr nach Dortmund

Mit Paris St. Germain tritt Thomas Tuchel am Dienstag bei Borussia Dortmund an, wo er keine einfache Zeit hatte. Parallelen zu Lucien Favre sind unverkennbar.

Neulich ist Thomas Tuchel gefragt worden, woran er bei den Stichworten Borussia und Dortmund als erstes denke. Der Trainer hat kurz nachgedacht und sich dann für die Farbe Gelb entschieden. In der Folge sprach der 46-Jährige über die atemberaubende Intensität, die das Publikum bei Heimspielen im größten Stadion Deutschlands entfacht und von der einmaligen Fußballbegeisterung in der Stadt. Bei seinen ersten Auftritten im Stadion sei es ihm schwergefallen, seine Mannschaft überhaupt zu coachen, so sehr habe ihn die Wucht der weltweit größten Stehplatztribüne in ihren Bann gezogen.

An Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc hat Tuchel bei seinen Ausführungen kein Wort verschwendet. Das war keine Überraschung, schließlich haben sich die Wege im Sommer 2017 vor allem deshalb getrennt, weil die Aversionen des Trainers und der handelnden Personen nicht mehr zu kitten waren.

Kern des Streits: der Anschlag auf den BVB-Bus

Geschwelt hatte der Konflikt schon länger, offen zutage trat er, nachdem am 11. April 2017 ein Anschlag mit drei Sprengsätzen auf den Mannschaftsbus des BVB verübt worden war und es in der Folge darum ging, ob die Borussia nur einen Abend später ihr Champions-League-Viertelfinale gegen AS Monaco austragen solle.

Tuchel war strikt dagegen, die Vereinsspitze dafür. Es wurde gespielt, danach zerbrach die ohnehin brüchige Beziehung. Nun kehrt Tuchel nach Dortmund zurück. Wieder Champions League, dieses Mal Achtelfinale. Der in Dortmund nie geliebte Trainer ist inzwischen in Paris gelandet, wo eine katarische Investorengruppe in den vergangenen drei Jahren rund 600 Millionen Euro in den Kader gepumpt hat. Allein für den Brasilianer Neymar (222 Millionen) und den französischen Weltmeister Kylian Mbappeé (180 Millionen) bezahlte der Hauptstadtklub weit mehr, als normale Profiklubs in vielen Jahren ausgeben können.

Doch sämtliche absurd anmutende Ablösesummen geraten in den Hintergrund, wenn Thomas Tuchel ins Ruhrgebiet zurückkehrt. Schließlich wurde die damalige Scheidung unter großem Getöse vollzogen. Doch vor dem Hinspiel zwischen dem BVB und Paris Saint Germain (21 Uhr, live auf Dazn) waren alle Protagonisten auffällig darum bemüht, sich so zurückhaltend zu äußern, dass die alten Wunden nicht erneut aufgerissen werden.

Allen voran Tuchel selbst, auf den bei seiner Wiederkehr alle Augen gerichtet sind. Er habe sich entschieden, „mich nicht in den Mittelpunkt der ganzen Geschichte zu stellen, sondern die Mannschaft gut vorzubereiten“, hat Tuchel jüngst zur „Welt am Sonntag“ gesagt. „Die Dinge sind aufgearbeitet und verarbeitet für mich. Sie bleiben da, wo sie jetzt sind.“

Mit Lucien Favre, der inzwischen in Dortmund die sportlichen Belange verantwortet, weiß der Kollege einen Bruder im Geiste an seiner Seite. Sicherlich sei es schwierig, ein Erlebnis wie das Bombenattentat außen vor zu lassen: „Aber seitdem sind fast drei Jahre vergangen. Ganz deutlich: Unser Gegner heißt Paris, nicht Tuchel.“

Parallelen zwischen Tuchel und Favre

Auch sonst tut sich manche Parallele auf, wenn man das Wirken von Tuchel und Favre in der Fußballstadt Dortmund vergleicht. Der eine wurde im Revier auch deshalb nicht glücklich, weil ihm das Stigma anhaftete, zwar ein Fachmann von hohen Gnaden zu sein, aber eben auch menschlich schwierig. Ein vom Ehrgeiz Getriebener, der nie zufrieden sei und dessen Hang zum Perfektionismus auf Dauer nerve. Auch Favre muss mit dem Ruf leben, ein profunder Kenner zu sein, mit seinen Zweifeln jedoch nicht die Euphorie und die Aufbruchstimmung erzeugen zu können, die nötig sei, um Großes zu erreichen.

Bei solchen Exkursen fällt in Dortmund fast zwangsläufig der Name Jürgen Klopp. Dortmunds Volkstribun wird noch immer wie ein Heiliger verehrt. Watzke tat dem Nachfolger Favres zuletzt keinen Gefallen, als er die Legendenbildung bei der Vorstellung seiner Biografie an der Seite von Klopp munter befeuerte.

Dabei wird Tuchel in der Rangliste der punktbesten Dortmunder Trainer an Position eins geführt, Favre an drei, Klopp folgt erst auf dem fünften Platz. Bei der Retrospektive spielen also offenbar nicht allein die sportlichen Erfolge eine Rolle, sondern auch weiche Faktoren. Und in der Disziplin, Menschen umarmen zu können, hat Jürgen Klopp eine Meisterschaft entwickelt, an die seine Kollegen Tuchel und Favre nicht einmal im entferntesten heranzureichen vermögen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false