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Hamburg's German head coach Christian Titz stands with the players on the pitch after the German first division Bundesliga football match Hamburger SV vs Borussia Moenchengladbach in Hamburg, northern Germany, on May 12, 2018. / AFP PHOTO / Patrik STOLLARZ / RESTRICTIONS: DURING MATCH TIME: DFL RULES TO LIMIT THE ONLINE USAGE TO 15 PICTURES PER MATCH AND FORBID IMAGE SEQUENCES TO SIMULATE VIDEO. == RESTRICTED TO EDITORIAL USE == FOR FURTHER QUERIES PLEASE CONTACT DFL DIRECTLY AT + 49 69 650050

© AFP

Abstieg aus der Fußball-Bundesliga: Zurück in die Zukunft mit dem HSV

Trotz des Abstiegs ist der Hamburger SV mit sich selbst im Reinen – und plant einen behutsamen Aufbau in Liga zwei.

Kurz bevor es zum großen Knall kam, gab es noch einen kleinen, unscheinbaren Moment der Zärtlichkeit. Der Ball befand sich in der Hälfte von Borussia Mönchengladbach, als sich vor ihrem Strafraum die Laufwege der beiden Hamburger Kyriakos Papadopoulos und Lewis Holtby kreuzten. Papadopoulos, der kantige Innenverteidiger, nahm den einen Kopf kleineren Holtby tröstend in den Arm und drückte ihn kurz an seine Brust. Tja, Junge, schien die Geste zu bedeuten, das war's wohl. Es war eine rührende Szene – und das war eine der seltsamsten Erkenntnisse dieses Nachmittags: dass der HSV, der in den vergangenen Jahren allenfalls zur allgemeinen Belustigung des Publikums beigetragen hat, noch zu Momenten der Rührung fähig ist.

Was dann passierte und den erstmaligen Abstieg der Hamburger aus der Fußball-Bundesliga noch um gut 20 Minuten hinauszögerte, war aus vielerlei Gründen verachtenswert. Mit ihrer von langer Hand geplanten Pyroattacke bewiesen die tumben Ultras des HSV wieder einmal, dass sie keinerlei Gespür für ein Fußballspiel und seine Geschichte besitzen.

Wenn man vor zwei Monaten vorhergesagt hätte, dass es am letzten Spieltag im Volksparkstadion richtig knallt, hätte das niemanden verwundert. Das Verhältnis zwischen Fans und Mannschaft war komplett zerrüttet. Doch seitdem ist einiges passiert. Das Team hatte sich bis zum letzten Spieltag zumindest die theoretische Chance erhalten, sich doch wieder zu retten. Das 2:1 gegen Mönchengladbach am Samstag war der dritte Sieg in den letzten vier Spielen. Trotzdem reichte es nicht. Als das klar war, weil der VfL Wolfsburg uneinholbar gegen Köln führte, erhoben sich die Zuschauer von den Sitzen, sie klatschen und sangen „Immer wieder HSV“. Es war eine Mischung aus Stolz und aus Trotz – und es war das Angebot der großen Mehrheit, den schweren Weg in die Zweite Liga mitzugehen. Dann machte eine Minderheit vieles kaputt.

„Das bleibt ein Stück weit hängen“, sagte Finanzvorstand Frank Wettstein. „Aber es bleibt auch hängen, wie der überwiegende Teil darauf reagiert hat.“ Mit Unverständnis, mit Wut, mit offensiver Ablehnung. Während sich die Ultras, die nach ihrer Einschätzung einzig wahren Fans, vorzeitig aus dem Staub machten, feierten die Übriggebliebenen nach dem Abpfiff die Mannschaft. Wettstein sprach von einem „gebührenden Abschied“. Es war keineswegs ironisch gemeint, wie auch der finale Applaus von den Rängen nicht ironisch gemeint war. „Ich bin sehr stolz auf meine Mitspieler und das Trainerteam, dass sie in dieser schweren Zeit durchgekämpft und nicht aufgegeben haben. Die Moral ist überragend gewesen“, sagte Kapitän Gotoku Sakai. Er kämpfte gegen die Tränen und seine Stimme klang brüchig.

"Titz kam zu spät"

Der Hamburger SV hat etwas geschafft, was ihm vor zwei Monaten kaum noch jemand zugetraut hätte: Er ist doch noch mit Würde abgestiegen – und das ist mit Blick auf die neue Saison eine unschätzbar positive Nachricht für den Verein. Der HSV ist trotz allem wieder halbwegs mit sich im Reinen. Zu verdanken hat er das vor allem Christian Titz, der Mitte März als Trainer der U 21 zum Chef der Profis befördert worden war. „Der Trainer kam zu spät“, sagte Innenverteidiger Papadopoulos. „Aber mit ihm steigen wir sofort wieder auf.“

Zwei Tage vor dem letzten Saisonspiel hatte der HSV verkündet, dass Titz – unabhängig von der Liga – auf jeden Fall bleibe. Solche eigentlich strategischen Entscheidungen hat der Klub oft im Affekt getroffen. Diesmal ist das anders. In den vergangenen Wochen gab es Gerüchte, dass Roger Schmidt, zurzeit in China tätig, neuer Trainer werden könnte. Das wäre wieder typisch HSV gewesen – weil Schmidt für einen ganz anderen Fußball steht als Titz, der der Mannschaft die Lust am Spielen zurückgegeben hat. „In den letzten acht Spielen hat die Mannschaft bewiesen, dass sie Bundesliganiveau hat“, sagte Wettstein. „Wenn man den Spielern in die Augen schaut, sieht man viele, die sich ihrer Verantwortung bewusst und bereit sind, das wieder zu korrigieren.“

Vor ein paar Wochen hätte sich das noch wie eine Drohung angehört. Inzwischen strebt der Verein statt einer totalen Revision einen möglichst behutsamen Übergang in eine ihm unbekannte Liga an. „Ich empfinde Stolz für die Jungs“, sagte Titz. Wettstein wollte sich zu konkreten Planungen zwar nicht äußern, „wir sind alle traurig und verbittert ob der Situation. Das ist der falsche Moment, um einzuschätzen, wie wir vorbereitet sind.“ Er kündigte aber an, noch einmal mit allen Spielern sprechen zu wollen.

Kyriakos Papadopoulos berichtete, dass sein Vertrag auch für die Zweite Liga gelte und er sich einen Verbleib vorstellen könne. Kapitän Gotoku Sakai wurde gefragt, ob er bleibe. „Ja“, antwortete er. Wann er denn unterschrieben habe: „Jetzt.“ Dann sagte er noch einen Satz, der fast programmatisch für den HSV im Frühjahr 2018 steht: „Die Vergangenheit kann man nicht zurückholen.“

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