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Ein bisschen Netz für den Trophäenschrank von Gerard Pique..

© Reuters

Abschied von Xavi und Andrea Pirlo: Eine Nacht zum Verneigen

Andrea Pirlo weint, Xavi Hernandez verlässt seine Liebe und Gerard Piqué fängt alles mit einem Tornetz ein – Berlin erlebte ein grandioses Champions-League-Finale zwischen dem FC Barcelona und Juventus Turin.

Ganz am Ende waren es dann doch die Gefühle, die dieser Finalnacht von Berlin Magie verliehen haben. Es waren die kleinen und großen Bilder, die so viel erzählen über das Schöne und Tragische dieses Spiels – erst auf dem Platz und erst recht, wenn der schrille Abpfiff die Nacht in Sieger und Verlierer teilt.

Wie Andrea Pirlo unverhohlen heult. Er, der 36 Jahre alte Italiener, der letzte große Flaneur des Fußballs, wie er sich die Tränen aus dem Gesicht wischt, bevor sie in seinen dichten Bart kullern. Bis Berlin, bis zu dieser 1:3-Niederlage in diesem großartigen Finale, hatte man geglaubt, dieser introvertierte Virtuose sei ein kühler Stratege, der seine Emotionalität so gut verbergen kann. Noch einmal hatte Pirlo ein paar wunderbare Pässe über das Spielfeld gesponnen, die zehn Jahre lang so ziemlich jede Verteidigung dieser Welt durchschnitten haben. Noch einmal hatte er alles rausgeholt aus seinem Körper und seiner Seele. Und für zehn Minuten nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich sah es auch so aus, als könne das große Juve den noch größere FC Barcelona tatsächlich in die Knie zwingen. Als Turin ein kultiviertes Pressing aufzog und Barca in die Breite zwang. Barcelona wankte kurz, durchstand aber schließlich diese Phase, die Pirlo noch einmal in seiner ganzen Pracht zeigte. „Ich hoffe, dass es nicht sein letztes Spiel für uns war“, sagte Juves Sportdirektor Giuseppe Marotta hinterher: „Andrea ist die Ikone des italienischen Fußballs und von Juventus, ich verstehe seine Tränen. Er hat viele Emotionen geschenkt und es ist richtig, dass auch er starke Gefühle erlebt.“

Selbst die Kurve des FC Barcelona feierte Andrea Pirlo

Auch Gianluigi Buffon hatte mit den Tränen zu ringen. Dieser baumlange Kerl, der in seinen 37 Jahren so ziemlich alles gewonnen hat, nur eben nicht diesen einen Pokal. Noch einmal segelte der viermalige Welttorhüter durch den Strafraum, noch einmal parierte er ein paar Geschosse der Katalanen, aber den entscheidenden Ball von Messi konnte er nicht mehr festhalten, der Barcelona zum zweiten Mal in dieser Nacht und damit entscheidend in Führung brachte. „Wir haben große Persönlichkeit gezeigt als Team“, sagte Juves Trainer Massimiliano Allegri: „Wir haben es mit Stolz und Mut bis zum Schluss versucht. Die Champions League geht an ein Team, das es verdient hat, so wie auch wir es verdient gehabt hätten.“

Pirlo und Buffon, diese beiden Juve-Legenden, die an gleicher Stelle vor neun Jahren mit Italien Weltmeister geworden waren, hielten sich für einen Moment aneinander fest. Als ihr Team schließlich die Treppe hoch zur Ehrung des Zweiten an diesem Abend aufbricht, wird es noch einmal emotional im Stadion. Als Pirlo schließlich vom Franzosen Michel Platini, der einstigen Juve-Legende und heutigem Uefa-Präsidenten, die Medaille umgehängt bekommt, nimmt der Applaus im Rund noch einmal zu, gerade so als wollten sich die Fans, als wollte sich der Fußball verneigen. „Pir-lo, Pir-lo“ wird skandiert – in der Kurve der Barca-Fans.

Der FC Barcelona nahm Abschied von Xavi Hernandez

Die Fans der Katalanen konnten nachfühlen, auch weil sie in dieser Nacht Abschied nahmen von einem ihrer Größten – von Xavi Hernandez. Der 35-Jährige, der längst nicht mehr erste Wahl ist im Team von Trainer Luis Enrique, kam für die letzten zehn Spielminuten noch einmal auf den Platz. Andrés Iniesta wickelte seinem langjährigen Mittelfeldpartner die Kapitänsbinde um, die er stellvertretend getragen hat. Mehr als eine Dekade war Xavi das Hirn der besten Mannschaft der Welt, prägte er als Passmaschine das Spiel des FC Barcelona. Noch einmal durfte er den Takt geben. Es war sein 151. Champions-League-Spiel. Keiner zuvor hat diese Marke je erreicht. Und nun wird er, der Welt- und zweifache Europameister, seinen Heimatverein verlassen und in Katar seine einmalige Karriere ausklingen lassen.

Alte Männer unter sich. Xavi Hernandez tröstet Andrea Pirlo.
Alte Männer unter sich. Xavi Hernandez tröstet Andrea Pirlo.

© dpa

Noch bevor Xavi in dieser Nacht zur Pokalübergabe schritt, nahm er Pirlo in den Arm und stopfte sich den Finalball unters Trikot. „Nachdem ich die Trophäe hochgehoben habe, habe ich mich nostalgisch gefühlt, weil ich dieses Trikot nie wieder tragen werde“, sagte Xavi: „Ich habe alles gegeben, mehr kann ich nicht verlangen. Ich bin glücklich und stolz.“

Während Xavi, Messi und Co. sich in der Kurve ihrer Fans feiern ließen, setzte Gerard Piqué sein Zerstörungswerk mit bemerkenswerter Akkuratesse fort. Mit einer Schere schnitt der lange Innenverteidiger das Netz vom Tor – Faden für Faden. Als er schließlich den letzten Faden durchtrennt hatte, brandete in der Kurve noch einmal Jubel auf. Im Basketball ist es üblich, dass der Sieger das Netz des Korbes abschneidet und jeder Spieler ein Teil davon erhält. Und so wird es später auch Piqué tun. Doch in diesem Moment hängte der 28-Jährige sich das Netz um seine Schultern und zog es wie einen riesigen Brautschleier hinter sich her. Es wirkte, als wollte er die großen Bilder und Gefühle dieser Berliner Nacht einfangen. Für immer und ewig.

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