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Unter Zugzwang. 96-Chef Martin Kind muss sich rechtfertigen.

© Peter Steffen/dpa

50+1-Regel: Martin Kind wettet um die Lizenz

Bei Hannover 96 riskiert der Klubchef viel, auch den Verbleib seines Teams in der Bundesliga - weil Kind vor allem um sein eigenes Wohl fürchtet.

Von David Joram

Nach seinem Versuch, die 50+1-Regel zu umgehen, nimmt der Druck auf Martin Kind zu – und das von verschiedenen Seiten. Wie die Deutsche Fußball-Liga (DFL) am Dienstag bekanntgab, erfuhr sie von der von Kind initiierten Satzungsänderung bei Hannover 96 erst aus dem Tagesspiegel. Dass die gewaltige Machtverschiebung zugunsten der Investorenseite und zulasten des Stammvereins (e.V.) sich noch mit der 50+1-Regel deckt, scheint ausgeschlossen. Doch das ist nicht das einzige Problem der 96er. Laut DFL-Satzung hätte die Satzungsänderung unverzüglich angezeigt werden müssen – doch das tat Martin Kind nicht. Die von der DFL eingeforderte Stellungnahme soll Hannover 96 nach Informationen dieser Zeitung inzwischen abgegeben haben.

Welche Konsequenzen nun drohen, blieb vorerst unklar, die DFL will sich dazu nicht weiter äußern. Theoretisch möglich ist vieles: Geldstrafe, Punktabzug – oder gar der Lizenzentzug. Klar scheint nur, dass Martin Kind die Änderungen wieder rückgängig machen muss. Andernfalls droht tatsächlich der Entzug der Lizenz – und diese will Kind nach eigener Aussage nicht gefährden.

Aber nicht nur die DFL macht Druck. Kinds Opposition, angeführt von der Interessengemeinschaft „Pro Verein 1896“, strebt seine Abwahl an – entweder auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung des e.V. (für die etwas mehr als 1000 Mitglieder ihre Unterschrift abgeben müssten) oder auf der ordentlichen Mitgliederversammlung am 23. März kommenden Jahres. Sollte Kind im e.V. entmachtet werden, würde ihn das auch den Einfluss auf die Profifußballabteilung kosten. Das könnte erklären, warum Kind so vehement eine Veränderung der Zuständigkeiten anstrebt – auch wenn dies gegen die Ligastatuten verstößt.

Erst zwei Vereinen wurde bislang die Bundesliga-Lizenz entzogen

Ein Hannoveraner Geschäftsmann, der Kind nahe steht, vermutet, dass es ihm auch um finanzielle Vorteile geht. Sollte Kind seine Anteile an der Profigesellschaft an einen anderen Investor verkaufen wollen, wären diese erheblich mehr wert, wenn der e.V. weniger (bis gar keine) Macht mehr hätte. Darum spielt Kind so gefährlich mit der Lizenz.

Das Lizenzierungsverfahren, das mit dem Start der Bundesliga im Jahr 1963 begann, war bislang meist reine Formsache für die Klubs. Wenn Missstände vorlagen, mussten eben Auflagen erfüllt werden. Einen Zwangsabstieg aus der Bundesliga gab es bislang in lediglich zwei Fällen. In der Saison 1964/65 zahlte Hertha BSC seinen Spielern unerlaubterweise Handgelder aus, weshalb die sportlich geretteten Berliner eine Liga nach unten mussten.

Der zweite Fall gilt bis heute als dunkelste Stunde des Fußballs in Deutschland: der sogenannte „Bundesliga-Skandal“ in der Saison 1970/71. Zahlreiche Spiele waren im Saison-Endspurt manipuliert worden. Als Horst-Gregorio Canellas, Präsident der Offenbacher Kickers, dies nach der Saison publik machte, hatte das weitreichende Folge. Unter anderem für Arminia Bielefeld, das in der darauffolgenden Saison 1971/72 keine Lizenz mehr für die Runde 1972/73 erhielt. Allerdings wäre Bielefeld sowieso abgestiegen.

Punktabzüge gab es in der Bundesliga auch schon. Dresden wurden 1993/94 wegen „Erschleichung der Lizenz“ vier Punkte abgezogen. Die Frankfurter Eintracht kassierte 1999/00 zwei Punkte Abzug, weil der Klub während der Saison gegen Auflagen verstoßen hatte. Den bislang letzten Punktabzug gab es für Kaiserslautern in der Saison 2003/04 wegen mehrfacher Verstöße gegen das Lizenzspieler-Statut.

Ob Hannover 96 ein ähnliches Schicksal erleidet, hängt ausschließlich an Martin Kind.

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