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Seltsame Erklärungsansätze. Martin Kind und Hannover 96 haben ganz eigene Vorstellungen von den 50+1-Leitlinien.

© Peter Steffen/dpa

50+1-Regel: Märchenstunde bei Hannover 96

Laut "Bild" hat 96-Investor Martin Kind 26 Millionen Euro zu wenig investiert, um den Klub zu übernehmen. Wie 96 reagiert, nervt nur noch. Ein Kommentar.

Von David Joram

Es ist schon beinahe wahnsinnig, was sich beim Bundesligisten Hannover 96 in Sachen 50+1-Regel abspielt. Deshalb nochmal ein Blick zurück: Investor Martin Kind hatte bekanntlich bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) beantragt, die Stimmenmehrheit im Klub übernehmen zu dürfen. Die DFL knüpft das an diverse Bedingungen, vor allem zeitliche und finanzielle. 20 Jahre lang hätte Kind in 96 so viel investieren müssen, wie es die Hauptsponsoren im selben Zeitraum taten: 46 Millionen Euro. Hat er das?

Am 5. Februar, dem Tag der DFL-Entscheidung, stellte Kind seinen Antrag auf ruhend, was Fragen aufwarf. Vor allem bei jenen, die glaubten, dass Kind doch ausreichend Geld in 96 gesteckt haben müsste.

Die genaue Höhe der Kindschen Förderungen blieb ein Rätsel, der Klubboss selbst erzählte von einem Betrag „weit über 46 Millionen“ – konkret wurde er nicht. Nun enthüllte die „Bild“ mit Verweis auf ein 78-seitiges DFL-Papier, dass Kind lediglich 19,698 Millionen Euro aufgewendet haben soll. Dazu zählen wohl auch „Investitionen“, die den Namen nicht wirklich verdienen: Kinds Gehaltsverzicht als Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer des Klubs etwa.

Weitaus spektakulärer als die klar verfehlte 46-Millionen-Marke ist der Umgang von Hannover 96 mit den Fakten. Schon im Februar wollte Kind den Medien weismachen, er habe den Antrag auf ruhend gestellt, um an einer Neugestaltung der 50+1-Regel mitzuwirken. Und: „Es gab keine Entscheidung der DFL gegen meinen Antrag.“ Die hätte es nach Informationen dieser Zeitung aber gegeben. Warum, scheint nun klar: 19,698 Millionen Euro sind keine 46 Millionen, erläutert auf 78 Seiten.

DFL arbeitete gründlich

Wenn das so zutrifft, haben die DFL-Herren – eine Frau sitzt nicht im neunköpfigen Gremium – ihre Arbeit gründlich erledigt, haben geprüft und hätten ihren Regularien entsprechend entschieden. Gegen Martin Kind. Das verdient Lob, weil im eng verwobenen Fußball-Business die Kontakte häufig zu gut sind, weil auch Verbände hin und wieder in die Trickkiste greifen. Diesmal nicht.

Bei Hannover 96 aber wird immer noch so getan, als befinde man sich in einer anderen Realität. „An unserer Überzeugung, dass Martin Kind die notwendigen Auflagen erfüllt, hat sich nichts geändert. Wir lassen unseren Antrag aber derzeit mit guten Gründen ruhen“, heißt es auf der Internetseite des Klubs. Ein „Störfeuer“ und ein „durchsichtiges Manöver“ sei die Berichterstattung des in dieser Causa stets gut informierten „Bild“-Kollegen. Außerdem seien dem Klub Zahlen und Unterlagen nicht bekannt.

Will Hannover 96 seinen Mitgliedern ernsthaft erzählen, man habe von nichts gewusst? Dass Kinds Antrag eigentlich stattgegeben worden wäre, man aber trotzdem lieber eine Grundsatzdebatte führen will? Es sind solche Märchenstunden, die Vertrauen zerstören – und von denen Fußballfans allmählich genug haben.

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