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Einmal umbauen, bitte. Viele Klubs der Ersten und Zweiten Bundesliga ärgern die Fragen der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zur 50+1-Regel.

© Foto: Fredrik von Erichsen/dap

50+1-Regel: DFL verstört die Klubs, Hannover 96 die DFL

In der 50+1-Debatte fühlen sich etliche Klubs von der Deutschen Fußball-Liga falsch vertreten – und bei Hannover 96 ist nun sowieso alles anders.

Von David Joram

Als am Samstagabend die Mitgliederversammlung von Hannover 96 ihr Ende fand, feierte die 96-Fanszene euphorisch. Der Präsident Martin Kind, den die Hannoveraner Fußballfans in der Kurve so sehr mögen wie Eintracht Braunschweig, hatte schließlich seine Macht im e.V. verloren. Fünf von fünf Aufsichtsräten, die Kinds Opposition zugerechnet werden, haben nun das Sagen. Viel gewaltiger hätten die Mitglieder ihr Misstrauen Kind gegenüber kaum ausdrücken können. Gewaltig könnte nun auch das Signal in der 50+1-Frage sein, das von dieser Mitgliederversammlung ausgeht – und zwar in die gesamte Republik.

Ralf Nestler, der neue Aufsichtsratschef im e.V. von Hannover 96 und harter Kritiker Kinds, berichtete nach der Wahl von mehreren Dutzend Glückwünschen anderer Fanbündnisse, die er erhalten habe; allesamt befürworten sie jene Regel, die den Einfluss von Investoren auf deutsche Profifußballvereine stark beschränkt. Wie groß wiederum der Einfluss der Fanszenen im Land auf die Entscheider in den Klubs geworden ist, verdeutlicht auch ein Artikel, der am Dienstag in der „FAZ“ erschien. Demnach hätten einige der 36 Klubs der Ersten und Zweiten Bundesliga eine von der Deutschen Fußball-Liga (DFL) initiierte anonyme Umfrage zum Investorenthema boykottiert. Ursprünglich hieß es, darunter sei auch der 1. FC Union, der dies am Dienstag aber dementierte.

Der 1. FC Union dementiert

Indes habe etwa nur die Hälfte aller Klubs die 22 Fragen komplett beantwortet, der Rest nur teilweise oder eben gar nicht. Ursprünglich hatten die Klubs die DFL dazu aufgefordert, zu klären, inwieweit die 50+1-Regel rechtssicherer gemacht werden könne. Der Vorwurf lautet nun, dass die versendeten Fragen gar nicht diesem Zweck dienten, sondern – umgekehrt – die 50+1-Regel eher in Frage stellen würden. „Dieser Fragebogen leistet keinen Beitrag zur Rechtssicherheit“, sagte St. Paulis Geschäftsführer Andreas Rettig, dessen Klub die Fragen boykottierte, auf Anfrage des Tagesspiegels. Eine Frage lautet beispielsweise: „Plant Ihr Klub, in den nächsten zwei Jahren Anteile zu verkaufen?“

Die DFL verweist darauf, dass die Fragen klären sollten, welche „Einstellungen, Anregungen und Wünsche der Klubs in Bezug auf die 50+1-Regel zu erheben“ seien. Unabhängig davon hat sie beim Bundeskartellamt längst eine Prüfung der Regel beantragt, „um mögliche kartellrechtliche Bedenken“ auszuräumen. Das Ergebnis ist offen.

Allerdings holen auch die Kartellrechtler Informationen bei den Klubs ein – und dürften sich deshalb ganz besonders für den Fall Hannover 96 interessieren. Dort wird die Lage zunehmend verfahrener.
96 hatte bei der DFL im Spätsommer 2017 einen Antrag auf Ausnahme der 50+1-Regel gestellt. Wie von der DFL verlangt, musste dieser Antrag von drei Parteien eingereicht werden – vom Stammverein (e.V.), der Profifußballgesellschaft (KGaA) – und von der übernehmenden Privatperson, dem Investor Martin Kind. Dies ist insofern wichtig, da Martin Kind damals auch im Namen des e.V. handelte und einer mehrheitlichen Übernahme der KGaA (eben durch den Investor Kind) zustimmte.

Die DFL lehnte diesen Antrag im Juli ab, weil sie diverse Leitlinien nicht erfüllt sah. Kind zog vors Ständige Schiedsgericht von DFL und DFB und klagte dagegen. Auch hier als Dreifaltiger, im Namen des e.V., der KGaA und seiner selbst. Der Vorsitzende Richter des Schiedsgerichts, Udo Steiner, bestätigt dies: „Kläger vor dem Ständigen Schiedsgericht sind alle drei Parteien: die KGaA, der e.V. von Hannover 96 und Martin Kind.“

Nun ist die Pointe, auf die alles hinausläuft, folgende: Der e.V. will nach dem Umsturz vom Samstag wohl gar nicht mehr, dass die 50+1-Regel bei 96 fällt – sondern vielmehr die Kontrolle über das Profifußballgeschäft (KGaA) beibehalten.

Der Verein könnte also die Option prüfen, dass „gestellte Anträge grundsätzlich zurückgezogen werden können“, wie ein Sprecher der DFL dem Tagesspiegel mitteilt. Auf die Frage, was passieren würde, falls der e.V. den Ausnahmeantrag zurückzöge oder die Klage vor dem Schiedsgericht, will Richter Steiner nicht eingehen. „Die prozessuale Situation ist im Moment offen, das Schiedsgericht berät zurzeit noch über Folgerungen aus dem Ergebnis der Mitgliederversammlung von Hannover 96. Ich kann bestätigen, dass wir uns damit derzeit befassen.“ Das Ergebnis auch hier – offen. „Man muss sehen, ob es möglicherweise eine Art Moratorium gibt. Auch der e.V. bei Hannover 96 wird Zeit brauchen, um die Dinge zu ordnen“, sagt Steiner. Das gilt möglicherweise für die gesamte Führung der Deutschen Fußball-Liga.

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