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Zum Narren gehalten? Finden viele Fans und protestieren gegen Hannovers Klubchef Martin Kind.

© Peter Steffen/dpa

50+1-Regel bei Hannover 96: DFL-Entscheidung im Fall Martin Kind erwartet

Am Montag soll der Fall Martin Kind abgeschlossen werden. Es geht dabei auch um die Glaubwürdigkeit des Ligaverbands - und grundsätzliche Fragen.

Von David Joram

Die Fans von Hannover 96 haben in den vergangenen Monaten selten für ihren Klub gebrüllt. Auf den Stehplätzen regierte die Stille aus Protest gegen Martin Kind. Gegen den Verkauf des Profifußballbetriebs an den Klubchef, für 50+1, lautete das Motto, andere Fankurven schlossen sich an. Diesen Montag halten sie deshalb für sehr bedeutend. Da treffen sich die Präsidiumsmitglieder der Deutschen Fußball-Liga (DFL), um über den Hannoveraner 50+1-Ausnahmeantrag zu entscheiden. Bekommt Kind die Stimmenmehrheit bei 96 oder nicht?

Entschieden ist offiziell nichts. Nach Tagesspiegel-Informationen gilt aber als sicher, dass das DFL-Präsidium dem 96-Antrag auf eine Ausnahme der 50+1-Regel nicht zustimmt. Letztlich kann die DFL nur gegen Kind entscheiden, sonst würde sie die eigene Glaubwürdigkeit opfern.

In den DFL-Regularien ist klar geregelt, wie viel Kapital ein Investor bereitstellen muss, um ein Fußballunternehmen stimmmehrheitlich übernehmen zu dürfen. Kinds finanzielles Engagement lag seit 2002 maximal im einstelligen Millionenbereich – zu wenig.

Dennoch hat Kind einen Ausnahmeantrag gestellt. Er beruft sich auf sein strategisches Engagement, weist stets daraufhin, dass er Hannover 96 1997 in Liga drei übernommen und in die Bundesliga geführt habe. Dass er mit wenig Geld viel erreicht habe. Er hat Recht – aber zieht er daraus auch den richtigen Schluss, zumindest nach den derzeitigen Maßstäben der DFL?

Die hat im Dezember 2014 allen Klubs Folgendes mitgeteilt: Ein Investor kann nur dann einen Klub mehrheitlich übernehmen, wenn er über 20 Jahre hinweg mindestens so viel Kapital bereitgestellt hat wie der jeweilige Hauptsponsor. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Wenn all diejenigen belohnt würden, die in ihren Klubs über 20 Jahre hinweg gute Arbeit leisten, dann könnten viele Klubchefs eine Ausnahme von der 50+1-Regel beantragen. Etwa Uli Hoeneß, der Präsident des FC Bayern München.

Könnte der FC Bayern der Familie Hoeneß gehören?

Hoeneß trat bei den Bayern am 1. Mai 1979 seinen Managerposten an, den Verein drückten hohe Schulden. Der Rest der Geschichte ist bekannt, die Bayern verzeichnen mittlerweile einen Umsatz von zuletzt 640,5 Millionen Euro und sind eine der größten Weltmarken im Sport. Von Hoeneß weiß man, dass er die e.V.-Anteile an der FC Bayern AG (immerhin noch 75 Prozent) nicht übernehmen will, selbst wenn er könnte. Nur: Was würde es bedeuten, wenn er prinzipiell könnte?

Rein formell müsste ihm zunächst die Mitgliederversammlung zustimmen, mit einer Dreiviertel-Mehrheit. Sie würde dann – möglicherweise – den Weg für weitere zweistellige Millionentransfers freimachen. Im Gegenzug würde sie Macht und Kontrolle über die FC Bayern AG komplett abgeben – an die Familie Hoeneß. Die Vorteile? Zumindest kurzfristig erhielten die Bayern vermutlich zusätzliches Kapital. Langfristig wäre die Macht und die Kontrolle der Mitglieder über den Profifußballbetrieb ausgehebelt.

Über solche Szenarien lässt sich diskutieren. Die DFL-Führung scheint flexibel. Nur müssen sich die Klubs überlegen, inwieweit sie Änderungen mittragen – und zu welchem Preis. Ob die 50+1-Regel ganz abgeschafft werden soll oder nicht, liegt an den Erst- und Zweitligisten. Mit einer Zweidrittel-Mehrheit können sie Satzungsänderungen beschließen, das wären 24 von 36 Klubs.

Dass dabei die Basis der Vereine mit einbezogen werden sollte, liegt in der Natur der Demokratie. Ihr Stimmrecht ist in jeder ordentlichen Vereinssatzung verankert. Sie muss nur davon Gebrauch machen. Noch kann sie die Richtung des Profifußballs mitgestalten.

Martin Kind ignoriert Mitgliedervotum

In Hannover war das im April anders. Zwar stimmten 71 Prozent der 96-Mitglieder für einen Antrag, wonach eine außerordentliche Mitgliederversammlung über die Aufhebung der 50+1-Regel in ihrem Klub entscheiden müsse. Allerdings wollte Martin Kind den Antrag nur als beratend, nicht als bindend verstanden wissen. Ihm reichten drei Stimmen des e.V.-Aufsichtsrates (bei zwei Gegenstimmen), um den 50+1-Ausnahmeantrag bei der DFL einzureichen. Das war eher kein Paradebeispiel für gelebte Demokratie.

Bei Hannover 96 geht es auch nicht um schwindelerregende Summen, sondern um 12 750 Euro. Für diesen Betrag will Kind die Stimmenmehrheit an Hannovers Management GmbH (einer 100-prozentigen e.V.-Tochter) übernehmen, die derzeit 100 Prozent der Stimmanteile an der KGaA besitzt. Nur: Warum sollte der e.V. für diesen geringen Betrag Macht abgeben? Wenn die Kontrolle nicht mehr von zufälligen Mitgliederentscheidungen abhinge, stünden vermögende Hannoveraner Geldgeber bereit, verbreitete Kind. Er will weiter für diese Option kämpfen.

Gegen einen negativen DFL-Entscheid hat Kind Klagen angekündigt. Dass daraus die generelle Abschaffung der 50+1-Regel folgt, gilt aber wohl als leere Drohung. Sie dürfte durch das Recht auf Verbandsautonomie gedeckt sein. Kind zielt wohl eher darauf ab, dass die internen DFL-Regularien nicht in der DFL-Satzung verankert sind. Ob dieser Vorstoß Erfolg haben könnte, ist völlig offen.

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