zum Hauptinhalt
Komplementär sticht Kommanditist. Bei Hertha BSC haben weiterhin der Verein und sein Präsident Werner Gegenbauer (l.) das Sagen, auch wenn Investor Lars Windhorst seine eigene Agenda verfolgt.

© imago images/Nordphoto

100 Millionen Euro stehen noch aus: Investor Windhorst lässt Hertha BSC warten

Hertha BSC sollte im Oktober noch einmal viel Geld von Investor Lars Windhorst bekommen. Dass die Auszahlung sich verzögert, schadet beiden Seiten.

Die Worte, mit denen Ingo Schiller Ende Oktober antwortete, waren offenbar mit Bedacht gewählt. „Vereinbarungsgemäß ist es noch nicht geschehen, aber es steht bevor“, sagte der Finanzgeschäftsführer von Hertha BSC, nachdem er gefragt worden war, ob die für Oktober angekündigten 100 Millionen Euro von Investor Lars Windhorst bereits bei Hertha eingegangen seien.

Inzwischen ist November. Das Geld ist immer noch nicht da, und trotzdem hat Schiller wohl nicht gelogen. Weil die Vereinbarung mit Windhorst längst eine andere ist, als die Öffentlichkeit Ende Oktober zu wissen glaubte.

[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Hertha und die Tennor Holding, das Unternehmen von Lars Windhorst, „haben sich hinsichtlich der ursprünglich für Oktober vereinbarten Zahlung in Höhe von 100 Millionen Euro auf einen neuen Zahlungsplan verständigt“, erklärte der Klub jetzt in einer Pressemitteilung, nachdem die „Sportbild“ von einer Verschiebung berichtet hatte. „Es ist gewährleistet, dass der gesamte Betrag innerhalb des laufenden Geschäftsjahres der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA zufließt.“ Das Geschäftsjahr endet am 30. Juni 2021.

Volle Transparenz sieht anders aus, ist bei diesem Thema vermutlich aber auch gar nicht gewollt. Präsident Werner Gegenbauer hat bei der Mitgliederversammlung vor knapp zwei Wochen berichtet, dass dem Verein das Investment Windhorsts in Form einer Wandelanleihe vorliege. Das konnte man so verstehen, dass damit die letzte vereinbarte Rate von 100 Millionen Euro gemeint war. In Wirklichkeit aber ging es um die vorletzte Tranche von 50 Millionen Euro aus diesem Sommer. Damals ist also kein Geld geflossen. Das Investment ist lediglich in Form einer Anleihe abgesichert worden, die Hertha jedoch jederzeit in Kapital umwandeln kann.

Auch im Sommer floss kein Geld

Manchmal schadet Geheimniskrämerei mehr, als sie nutzt. Das Geraune jedenfalls ist groß, seitdem die Meldung von der verschobenen 100-Millionen-Euro-Zahlung ungewollt an die Öffentlichkeit gelangt ist. Den Schaden haben nun beide Seiten.

So können sich Kritiker Windhorsts, die ohnehin schon immer an seiner Seriosität gezweifelt haben, bestätigt fühlen. Von wegen: Vielleicht läuft es bei ihm ja doch nicht so rosig, wenn er jetzt nicht zahlen kann. Hertha wiederum sieht sich mit der Vermutung konfrontiert, dass der Investor mit der generellen Linie des Vereins unzufrieden ist und sein Kapital daher nicht mehr ganz so enthusiastisch zur Verfügung stellt. Denn dass Hertha und Windhorst nicht immer synchron ticken, ist schon lange kein Geheimnis mehr.

Seit dem Sommer 2019 hat Tennor 274 Millionen Euro in den Berliner Fußball-Bundesligisten investiert und im Gegenzug in nicht unerheblichem Umfang Anteile an der Kommanditgesellschaft auf Aktien erhalten. Wenn die derzeit noch fehlenden 100 Millionen Euro auf Herthas Konto eingehen, wird Windhorst insgesamt 66,6 Prozent der KGaA besitzen.

Hertha BSC hat die Entscheidungshoheit

Die Stimmenmehrheit und damit die Entscheidungsgewalt liegen trotzdem weiterhin beim Verein Hertha BSC. Das hat Präsident Gegenbauer bei der Mitgliederversammlung vor einigen Wochen noch einmal unmissverständlich erklärt: „Wir müssen vertrauensvoll mit dem Investor zusammenarbeiten, ihm aber auch klar machen, dass wir der Komplementär sind und der Komplementär die Entscheidungen trifft.“

So deutlich wie in der Theorie aber war das bisher in der Praxis nicht immer – weil Windhorst seit seinem Einstieg sehr wohl eine eigene Agenda verfolgt. Er war es, der den Begriff „Big City Club“ erstmals im Zusammenhang mit Hertha BSC benutzt und mit Jürgen Klinsmann einen Bruder im Geiste als Aufsichtsrat installiert hat. Nach Windhorsts Geschmack dürfte der Klub auf dem Weg nach oben ruhig ein bisschen schneller vorankommen. So hat der frühere Nationaltorwart Jens Lehmann, Klinsmanns Nachfolger als Aufsichtsrat, schon für diese Saison die Qualifikation für den Europapokal als Ziel ausgerufen. Der Verein selbst ist nicht ganz so forsch – was angesichts der aktuellen Platzierung in der Tabelle für einen gewissen Realitätssinn spricht.

Windhorst verfolgt geschäftliche Interessen

Windhorst hat sein Geld nicht aus romantischer Liebe für Hertha BSC investiert. Er verfolgt mit seinem Engagement vor allem geschäftliche Interessen. Je erfolgreicher der Klub ist, desto wertvoller werden seine Anteile. Deshalb, so wird kolportiert, hätte er es lieber gesehen, wenn Hertha offensiver in neue Spieler investiert hätte, als dies im Sommer geschehen ist. Angesichts der Unwägbarkeiten, die wegen der Coronavirus-Pandemie schwer einzuschätzen sind, hat sich die Geschäftsführung jedoch für einen eher konservativen Weg entschieden. „Es war wichtig, dass wir verantwortungsvoll mit den Mitteln umgehen“, sagt Manager Michael Preetz. „Das haben wir getan.“

Diese Differenzen zwischen Klub und Investor sind durch den verhuschten Umgang mit der Verschiebung der letzten Ratenzahlung noch einmal ungewollt in den Fokus gerückt. Trotzdem hat Manager Preetz am Donnerstag erklärt: „Der Austausch mit Tennor ist völlig in Ordnung. Da muss sich keiner Sorgen machen.“ Der Eindruck ist längst ein anderer.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false