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Hört, hört! Rafal Gikiewicz traf als siebter Torwart in Liga zwei aus dem Spiel.

© Annegret Hilse/dpa

1. FC Union Berlin: Wenn der Tormann trifft

Der Schlussmann des 1. FC Union Berlin, Rafal Gikiewicz, hat nach einer Flanke getroffen: Ins Tor von Heidenheim. Jetzt hofft er auf eine spezielle Würdigung.

Bis Mittwoch muss sich Rafal Gikiewicz noch gedulden. Dann wird der Torwart des 1. FC Union die Freizeit in der Länderspielpause nutzen, daheim seine Spielkonsole anschmeißen und sehen, ob sich sein großer Wunsch erfüllt hat. „Ich hoffe, ich bekomme jetzt eine schwarze Karte bei Fifa 19“, hatte Gikiewicz nach seinem Tor zum 1:1 am Sonntag gegen Heidenheim gesagt. Damit hatte er die Lacher auf seiner Seite. Schwarze Karten und damit besonders gute Fähigkeiten vergibt der Spielehersteller EA Sports in seiner beliebten Fußball-Simulation für die besten Spieler der Woche – und diese werden eben jeden Mittwoch veröffentlicht. „Ich spiele viel Fifa und Andy Gogia und Cello Hartel haben gleich gesagt, dass ich jetzt ins Team der Woche komme“, erzählte Gikiewicz.

Der 30 Jahre alte Pole hatte am Sonntag verständlicherweise gute Laune. Als es bereits ganz stark nach der ersten Niederlage der Berliner seit Ende April aussah, stürmte der Torwart bei einem Freistoß mit nach vorne und vollendete eine Flanke von Sebastian Andersson mit dem Kopf. „Ich wollte am langen Pfosten warten, weil alle zum Ball gegangen sind“, sagte Gikiewicz.

Mit 1,90 Meter hat er eine ordentliche Größe, ist für einen Torwart allerdings nicht gerade ein Riese. Timing und Stellungsspiel stimmten aber perfekt. „Er ist da gut hochgestiegen“, sagte Unions Trainer Urs Fischer. Die Kopfballstärke ist dabei kein Zufall. In der Jugend erzielte Gikiewicz als Stürmer noch regelmäßig Tore und sein Zwillingsbruder Lukasz spielt in der saudischen Profiliga. „Er ist Stürmer und macht auch viele Tore mit dem Kopf“, sagte Rafal Gikiewicz.

Union schießt gerne späte Tore

Seine Mitspieler und Fans feierten Gikiewicz nach seinem Tor überschwänglich, gänzlich über die durchwachsene Leistung hinwegtäuschen konnte der emotionale Schlusspunkt jedoch nicht. „Es freut mich sehr für Rafa“, sagte Unions österreichischer Kapitän Christopher Trimmel. „Wir werden aber jetzt nicht jede Woche auf das Glück hoffen, dass unser Tormann ein Tor macht.“

Trainer Fischer wollte den späten Ausgleich nicht nur auf das Glück schieben. „Dass die Mannschaft nicht aufgibt und bis zum Schluss an das Tor glaubt, ist auch eine Qualität“, sagte Fischer. Im neunten Ligaspiel war Gikiewiczs Kopfballtreffer bereits das sechste Berliner Tor ab der 87. Minute. Da fällt es schwer, nur an Zufall und Glück zu glauben. „Wir haben hervorragende Kopfballspieler“, sagte Trimmel, der aus dem Unentschieden auch Nahrung für Unions neues Selbstverständnis zieht. „Wir sind immer noch ungeschlagen. Das ist nicht selbstverständlich und wenn du selbst die schwächeren Spiele nicht verlierst, ist das schon positiv.“

Air Gikiewicz. Unions Torwart bei seinem erfolgreichen Kopfball in der Nachspielzeit.
Air Gikiewicz. Unions Torwart bei seinem erfolgreichen Kopfball in der Nachspielzeit.

© Annegret Hilse/dpa

Beinahe wäre es jedoch gar nicht zum Ausgleich gekommen. Zu Beginn der Nachspielzeit stoppte Fischer seinen Torwart noch auf seinem Weg in den Strafraum. „Da waren noch fünf Minuten zu spielen und das war mir zu früh“, sagte Fischer. Sein Kollege aus Heidenheim nahm die Situation mit Humor. „Ich bin froh, dass der Urs den Torwart nicht schon vorher nach vorne geschickt hat“, sagte Frank Schmidt. „Dann hätten wir vielleicht noch 1:2 verloren.“

Schmidt und seinem Team muss das Tor von Gikiewicz wie ein Déjà-vu vorgekommen sein. Denn vor drei Jahren kassierte Heidenheim durch Aues Schlussmann Martin Männel schon einmal ein Torwarttor zum späten Ausgleich. „Ob es der Torwart macht, ein Eigentor ist oder sonst was, ist dann auch egal“, sagte Schmidt.

Siebter Treffer aus dem Spiel durch einen Torwart

Aus Heidenheimer Sicht durchaus verständlich, die Atmosphäre im Stadion An der Alten Försterei am Sonntag sagte aber anderes aus. Die Zuschauer schwankten zwischen Unglaube und Ekstase, auch die Spieler auf dem Platz konnten es kaum glauben. „Ein Torwart schießt nicht jeden Spieltag ein Tor. Ich habe mehr als 200 Nachrichten auf dem Handy. Das ist ein großer Moment“, sagte Gikiewicz.

Ganz so einzigartig, wie sich sein Tor im Köpenicker Jubel anfühlte, war es aber nicht. Seit der Einführung der eingleisigen Zweiten Liga 1981 ist der Pole schon der siebte Torhüter, dem ein Treffer aus dem Spiel gelingt. Den Anfang machte Wilhelm Huxhorn 1985 für Darmstadt 98. Sein weiter Abschlag aus 103 Metern Torentfernung brachte ihm einen Eintrag in das Guinness-Buch der Rekorde ein.

Zehn Jahre später verewigten sich Stefan Brasas (SV Meppen) und Stephan Kuhnert (Mainz 05) in der Torschützenliste. 2013 folgte St. Paulis Philipp Tschauner, 2015 dann Männel und Fabio Coltorti (RB Leipzig). In der Bundesliga gelang das Kunststück nur drei Torhütern: Jens Lehmann 1997 für Schalke im Derby gegen Dortmund, Werders Frank Rost 2002 gegen Rostock und zuletzt vor drei Jahren Marwin Hitz, der für Augsburg den Ausgleich gegen Leverkusen erzielte.

Gikiewiczs offensive Rolle beschränkt sich aber nicht nur auf sein Tor. Schon gegen Duisburg hatte er den Ausgleich durch Florian Hübner vorbereitet. „Ein Tor und eine Vorlage nach neun Spielen, das ist schon stark“, sagte Gikiewicz lachend. In der mannschaftsinternen Scorerliste liegt er auf Platz vier. Der schwarzen Karte bei Fifa 19 sollte damit nichts mehr im Wege stehen.

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