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Sonderermittler gegen Trump: It’s Mueller Time!

FBI-Sonderermittler Robert Mueller ist zum Symbol für den Widerstand gegen Donald Trump geworden - und zur größten Gefahr für dessen Präsidentschaft.

Sieben Tage war Robert Mueller im Amt, als das Schlimmste eintrat – der 11. September 2001. Mueller, gerademal eine Woche an der Spitze der Bundespolizei FBI, stand vor einer unvorstellbaren Herausforderung: Die Ermittlungen im Auftrag des damals mächtigsten Mannes der Welt, aber auch der Umbau des FBI zu einer Behörde, die nicht nur Verbrechen aufklären, sondern zunehmend verhindern soll, wurden zu einer der größten Bewährungsproben für ihn, der kurz zuvor eine Krebserkrankung überstanden hatte. Er meisterte die Aufgabe mit Bravour.

17 Jahre später steht der inzwischen grauhaarige Robert Mueller wieder vor einer Bewährungsprobe, und seine Aufgabe ist von ähnlich großer Bedeutung. Der 74-Jährige soll herausfinden, ob sich Russland in den US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 eingemischt hat – und ob der nun mächtigste Mann der Welt schuldig ist. Schuldig, während des Wahlkampfs unlautere Verbindungen zu Russland gehabt, schuldig, gegen Wahlkampfgesetze verstoßen zu haben. Und schuldig, die Aufklärung dieser Vorwürfe durch die Justiz zu behindern. In den kommenden Wochen, heißt es in Washington, könnte Mueller seinen Abschlussbericht vorlegen. Der könnte es in sich haben.

Scheitert der eine, gewinnt der andere

Robert Mueller, ein großer hagerer Mann mit kräftigen dunklen Brauen, der mit vollem Namen Robert Swan Mueller III heißt, ist zum wohl wichtigsten Gegenspieler von Trump geworden. Das „Time“-Magazin listete ihn gerade auf Platz drei der Menschen des Jahres 2018 – direkt hinter dem US-Präsidenten Donald Trump. Die Schicksale der beiden Männer sind aufs Engste miteinander verbunden. Scheitert der eine, gewinnt der andere. Das Land schaut gebannt auf das Duell der beiden Männer, deren Lebenswege so ähnlich begonnen haben.

Beide wurden Mitte der 1940er Jahre in New York in schwerreiche Familien hineingeboren und in der Erwartung erzogen, dass sie später Führungsaufgaben wahrnehmen würden. Beiden ist das mehr als gelungen. Doch der Weg dahin konnte unterschiedlicher nicht sein. Ging es Trump den Großteil seines Lebens über darum, noch mehr Reichtümer anzuhäufen, wechselte Mueller früh in den Staatsdienst. Ließ Trump sich krankschreiben, um dem Vietnamkrieg zu entkommen, meldete Mueller sich freiwillig und verdiente gleich mehrere Tapferkeitsmedaillen. Einmal soll er, so beschreibt es das Magazin „Wired“, derart intensiv in einer Schlacht gekämpft haben, dass er gar nicht merkte, wie eine Kugel sein Bein durchschlug. Als FBI-Direktor habe er später davon gesprochen, wie sehr ihn die Erfahrung, Elitesoldaten in den Krieg zu führen, verändert habe, erzählt Garrett Graff, der seit seinem Buch „The Threat Matrix: Inside Robert Mueller’s FBI and the War on Global Terror“ (Die Bedrohungs-Matrix: Hinter den Kulissen von Robert Muellers FBI und dem Krieg gegen den globalen Terror) als Mueller-Biograf gilt.

Eines seiner seltenen Interviews ist drei Jahre alt, geführt von Aaron Harber in dessen gleichnamiger Talkshow. „Der Staatsdienst gibt dir die Chance, jeden Morgen aufzustehen … und das Richtige zu tun“, sagt er da und fügt hinzu: „Das ist ein Grad von Freiheit, der nur schwer zu erreichen ist.“

Dunkler Anzug, weißes Hemd: ja nicht auffallen.

Auch Muellers Art sich zu kleiden sagt etwas darüber aus, wie er wahrgenommen werden will. Dunkler Anzug, weißes Hemd, unaufdringliche Krawatte: ja nicht auffallen.

Die, die ihn kennen, loben Mueller als einen aufrechten, pflichtbewussten Mann, der stets gut vorbereitet und auch durchaus selbstkritisch ist. Als vielleicht größte Niederlage empfindet er das Bombenattentat auf den Boston-Marathon im Jahr 2013 kurz vor dem Ende seiner Amtszeit als oberster Kriminalbeamter der Vereinigten Staaten. Einen der beiden Attentäter, Tamerlan Zarnajew, hatten FBI-Agenten zwei Jahre zuvor befragt, aber den Fall nicht weiter verfolgt. Darauf sei er nicht stolz, sagte er später der „Washington Post“.

Heute gibt Mueller keine Interviews mehr, und das wird sich auch nicht ändern, solange seine Ermittlungen laufen. Die sind zeitlich unbegrenzt. Mueller gilt derzeit als der wohl verschwiegenste Mensch des Hauptstadtbetriebs, eine Art Blackbox, aus der kaum etwas über den Stand und das Ausmaß seiner Nachforschungen nach draußen dringt. Garrett Graff hat es einmal so beschrieben: „Das ist ein Mann, der mehr Anfragen für Pressekonferenzen und Interviews abgelehnt hat, als die meisten Menschen in Washington überhaupt bekommen. Er spricht nicht gerne über sich selbst, er spricht nicht gerne mit der Presse.“

Muellers einziges öffentliches Statement als Sonderermittler datiert auf den 17. Mai 2017, den Tag, an dem er ernannt wurde: „Ich nehme diese Verantwortung an und werde sie nach bestem Wissen und Gewissen wahrnehmen.“ Auch privat verzichtet er weitgehend auf das gesellschaftliche Treiben Washingtons und lebt mit seiner Frau Ann, mit der er seit mehr als 50 Jahren verheiratet ist und zwei Töchter hat, in einer abgeschlossenen Wohnanlage außerhalb der Stadt.

Von seinem Lagezentrum in einem unauffälligen Bürogebäude nicht weit vom Kapitol schickt er an seiner Stelle Mitarbeiter zu Gerichtsterminen und ins Weiße Haus. Seine Mitarbeiter, das sind erfahrene Anwälte. Es ist ein kleines, schlagkräftiges Team von Experten, die er fast alle seit Jahren kennt. Wenn etwas nach draußen dringt, dann durch Gerichtsdokumente, die der Sonderermittler einreichen muss, oder durch Recherchen der Medien.

Je stiller Robert Mueller ist, desto lauter tobt Donald Trump. Immer wieder bezichtigt der Präsident den immerhin von seinem eigenen Justizministerium eingesetzten FBI-Sonderermittler, eine „Hexenjagd“ zu veranstalten. Je mehr Mueller den Druck erhöht, umso erratischer und unkontrollierbarer reagiert der Präsident – und verprellt selbst Vertraute wie den abgebrühten Verteidigungsminister James Mattis, der aus Frust gerade seinen Rücktritt angekündigt hat. Mattis’ Weggang verheißt nichts Gutes, galt er doch als der „letzte Erwachsene“ in der Regierung, als einer, der dafür stand, dass die Vereinigten Staaten unter Trump doch noch halbwegs berechenbar und vernünftig agierten. Auch der festgefahrene Streit um den Haushalt, in dessen Folge derzeit gleich mehrere Bundesbehörden lahmgelegt sind, zeigt, wie sehr der Präsident gerade auf Krawall aus ist – wohl auch, um von dem abzulenken, was sich da am Horizont zusammenbraut.

"Das Weiße Haus hat allen Grund zur Panik"

Die seit mehr als anderthalb Jahren andauernden Ermittlungen von Mueller setzen Trump zunehmend zu – ganz so, wie es die „Washington Post“ direkt nach seiner Berufung vorhergesagt hatte: „Das Weiße Haus hat allen Grund zur Panik.“ Denn Mueller lasse sich von niemandem einschüchtern.

Sein genauer Auftrag lautet, „sämtliche Verbindungen und Absprachen zwischen der russischen Regierung und Personen aus dem Wahlkampfteam von Präsident Donald Trump“ unter die Lupe zu nehmen. Zudem darf Mueller „alle Themen untersuchen, die sich direkt daraus ergeben“. Er kann damit sein Mandat quasi beliebig erweitern, und hat es offenbar bereits getan, zum Beispiel auf den Vorwurf der Behinderung der Justiz.

Seit Beginn seiner Untersuchungen hat Mueller gegen insgesamt 33 Personen Anklage erhoben. Die meisten von ihnen sind russische Staatsbürger, aber es sind auch fünf ehemalige Trump-Vertraute darunter. Was darüber hinaus bekannt geworden ist, sind Schweigegeldzahlungen an zwei Frauen, mit denen Trump vor seinem Wahlsieg Affären gehabt haben soll. Gab Trump, wie von seinem Ex-Anwalt Michael Cohen behauptet, diese Zahlungen in Auftrag, hätte er gegen das Gesetz zur Wahlkampffinanzierung verstoßen. Denn das käme dem Versuch gleich, unangenehme Informationen zu verheimlichen, die seine Wahlchancen hätten mindern können.

Oft ist es der Beifang, der interessant wird

Zumindest das New Yorker Bundesgericht, das Cohen gerade unter anderem wegen dieser Zahlungen zu drei Jahren Haft verurteilt hat, glaubt dessen Aussage. Und geht damit davon aus, dass Trump ein Mitverschwörer ist, der zu einer Straftat anstiftete. Wegen solcher Vorwürfe trat Präsident Richard Nixon während der Watergate-Affäre 1974 zurück. Es sind Vorwürfe, die zur Grundlage eines Amtsenthebungsverfahrens werden können. Dass das Gericht Cohen überhaupt auf die Spur kam, liegt an Muellers Ermittlungen.

Der fischt breitflächig nach allen Informationen, die er finden kann. Oft ist es der Beifang, der dann interessant wird. Einen Vertrauten Trumps nach dem anderen bringt er dazu, sich schuldig zu bekennen. Seine Strategie ähnele erstaunlich dem Vorgehen bei Ermittlungen gegen einen Mafia-Clan, sagt Mueller-Biograf Graff: „Man beginnt bei den weniger wichtigen Personen der Organisation und drängt sie dazu, zu kooperieren. Diese Strategie verfolgt Mueller unglaublich methodisch.“ Haben die Vertrauten gelogen, um eigene Verfehlungen wie zum Beispiel Steuerhinterziehungen zu vertuschen, gibt ihm das den Hebel, um weiterzubohren. Er überzeugt sie, sich als Zeuge gegen Trump zur Verfügung zu stellen, um eine Straferleichterung zu bekommen.

Stück für Stück setzt Mueller so sein Puzzle zusammen. Vielleicht stößt er bei seiner Suche auf finanzielle Verstrickungen des Trump-Konzerns mit Russland, vielleicht sogar auf Abhängigkeiten. Fest steht, durch zwölf Jahre FBI-Arbeit ist Mueller geschult im Umgang mit Mafiabossen, Mördern und anderen Verbrechern, selbst mit Diktatoren. Er scheut keine Schlacht.

Hat Mueller sich verrannt?

Trumps Unterstützer auf der rechten Seite des politischen Spektrums werfen Robert Mueller vor, größenwahnsinnig und machtversessen zu sein, dass er sein Mandat überschreite, nur um Trump aus dem Amt zu jagen. Sie kritisieren seine Vorgehensweise, lauter überführte Lügner als Zeugen einsetzen zu wollen, und dass er die Ermittlungen in die Länge ziehe.

Hat sich der Sonderermittler bei seiner Suche verrannt, weil er einfach nicht aufgeben kann?

Robert Mueller gilt als nachtragend, als ein Mann, „der Lügen nicht ausstehen kann und hat eine ganz genaue Vorstellung davon, wie sich die Menschen um ihn herum zu verhalten haben“, sagt Graff.

Wahr ist, dass Mueller längst zu einem Symbol für den Widerstand gegen Trump geworden ist. Beim Onlinehändler Amazon gibt es T-Shirts mit seinem Konterfei oder der Aufschrift: „It’s Mueller Time“ – es ist Muellers Zeit –, Aufkleber, Kühlschrankmagneten und sogar „Gebetskerzen“, auf denen er als Heiliger abgebildet ist.

Theoretisch kann der Präsident auch ihn feuern

Nachdem Trump Anfang November Justizminister Jeff Sessions entlassen hatte und ankündigte, ihn interimsmäßig durch dessen Stabschef Matthew Whitaker zu ersetzen, einem Mann, der die Russland-Ermittlungen öffentlich kritisierte, riefen Aktivisten zu landesweiten Protesten auf. Hunderttausende gingen auf die Straße, forderten, Muellers Ermittlungen vor Trump zu beschützen – und vor allem ihn selbst. Denn theoretisch kann der Präsident auch ihn feuern. Und jetzt, wo ihm die Demokraten mit ihrer neu gewonnenen Mehrheit ab sofort im Repräsentantenhaus zusetzen werden, mag er versucht sein, das zu tun. Dieser Schritt aber könnte letztlich genau das auslösen, was Trump vermeiden möchte: eine Anklage und ein Amtsenthebungsverfahren wegen Behinderung der Justiz.

Nur wenige Tage nach seiner Ernennung zum Sonderermittler hielt Mueller eine Rede vor dem Abschlussjahrgang der Tabor Academy in Marion, Massachusetts, eine College-Vorbereitungsschule, an der seine Enkelin ihr Examen gemacht hatte. Darin mahnt er die 133 Schüler eindringlich: „Was immer ihr macht, macht es mit Anstand und Würde. Ihr mögt schlau, aggressiv, wortgewandt und überzeugend sein. Aber wenn ihr nicht ehrlich seid, leidet euer Ruf.“ Und wenn ein guter Ruf erst einmal verloren sei, fuhr Mueller fort, könne er „niemals, niemals wieder hergestellt werden“.

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