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Der Berliner Musiker Jens Friebe.

© Ériver Hijano

Sicherheit/Freiheit: "Eine Wette, die ich nicht verlieren konnte"

Der Popmusiker Jens Friebe erzählt, wann er sich einmal zwischen Sicherheit und Freiheit entscheiden musste. 

Vor einem Jahr im Sommer saß ich mit einer Freundin in meiner Küche. Ich hatte eine tiefe Schaffenskrise. Ich muss dazusagen, dass das bei mir nichts Besonderes ist. Mein ganzes erwachsenes Leben ist eine einzige Schaffenskrise, unterbrochen von kurzen produktiven Episoden. Aber anstatt mich daran zu gewöhnen, jammere ich darüber immer gern und viel, so auch an diesem Abend: Ach, ich habe keine Ideen mehr, ich habe nichts mehr zu sagen, es ist alles nicht gut genug, es ist alles nicht wichtig genug, ich bin am Ende, wenn ich mich so uninspiriert an den Schreibtisch setze, kommt nur Scheiße dabei heraus ...

Die Freundin sah mich streng an und sagte: Ich höre mir das Geheule nicht länger an. Wir machen das so: Du schreibst ab jetzt einen Monat lang jeden Tag einen Text. Und dann entscheide ICH, ob das Scheiße ist!

Für immer weiterjammern

Ich war sofort begeistert. Es war eine Wette, die ich nicht verlieren konnte. Entweder es käme was Anständiges dabei heraus, dann wäre es eh gut. Oder ich würde nur Schrott produzieren, dann hätte ich zumindest recht gehabt und könnte, quasi mit offizieller Beglaubigung meiner Nichtsnutzigkeit, für immer weiterjammern.

Es klappte dann überraschend gut. Die Unterwerfung unter das fremde Regime befreite mich von meinem eigenen, das erleichterte mich extrem. Ich schrieb zwar nicht jeden Tag einen ganzen Text, aber ich schrieb jeden Tag irgendwas, und als wir uns nach einem Monat wieder zusammensetzten, war die Ausbeute ziemlich spektakulär. Fast alle Texte für meine neue Platte sind in diesem einen Monat entstanden! Ich dachte natürlich, jetzt bricht eine neue Ära mit stetigem kreativen Ausstoß an und wollte sofort genauso weitermachen. Aber dann ging es irgendwie nicht mehr.

Jens Friebe, 42, gilt einer der cleversten Popmusiker Deutsch-lands. Auf seinem aktuellen Album "Fuck Penetration" belustigt er sich über Machosex, Kapitalismus und den "Herrn der Ringe". Am 25. Januar 2019 spielt Friebe im Festsaal Kreuzberg.

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