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Serie Bundestagswahlen: 1980: Wie ein wilder Stier

CSU-Chef Franz Josef Strauß als Kanzlerkandidat der Union: Er bescherte der angeschlagenen sozialliberalen Koalition noch einige Jahre an der Macht - und machte Helmut Kohl wieder stark.

Der Bundestagswahl am 5. Oktober 1980 ging einer der denkwürdigsten Wahlkämpfe in der Geschichte der Bundesrepublik voraus. Das lag vor allem an einem: Franz Josef Strauß. Der  hatte, was jeder erfolgreiche Politiker braucht: ein von Zweifeln ungetrübtes Selbstbewusstsein. Das Problem des CSU-Chefs war, dass er davon ein Übermaß besaß. Sein Hass auf den von ihm als mittelmäßig erachteten CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl trieb den Bayern 1980 in die Kanzlerkandidatur (Kohl hatte als Gegenkandidaten vergeblich den niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht aufgeboten).

Strauß war ein wilder Stier, der alle Gatter durchbrechen wollte. Für den Gegner sind solche Kandidaten günstig. Der aggressiv-furiose Auftritt von Strauß war ein Geschenk für den angeschlagenen Kanzler Helmut Schmidt, dessen zweite Amtszeit seit 1976 vor allem durch Krisenmanagement geprägt war: wirtschaftspolitisch, außenpolitisch, in der eigenen Partei. Zwar waren damals nicht alle Merkwürdigkeiten im politischen wie privaten Leben des CSU-Politikers bekannt, aber die Skandale seiner Ministerjahre in Bonn zu Beginn der 60er Jahre (Schützenpanzer, Spiegel-Affäre, Starfighter) begleiteten seine weitere Karriere.

 "Stoppt Strauß"

Schmidt machte nicht den Fehler, auf den Polarisierungsversuch durch Strauß einzugehen und spielte im Wahlkampf seine Lieblingsrolle des moderaten, weitsichtigen, wenn auch bissigen Weltökonomen. Daran arbeitete sich der bayerische Ministerpräsident vergeblich ab. Es war ein scharfer Wahlkampf, geprägt von einer Duell-Situation, die der Herausforderer mit  seiner falschen, weil egozentrischen Wahlkampfstrategie nicht gewinnen konnte (man muss allerdings sagen, dass es ein vergleichsweise unterhaltsamer Kampf war, denn Schmidt wie Strauß spielten ihre Rollen gut. Und wer Schmähungen im Wahlkampf mag, wurde bedient).

Der Slogan „Stoppt Strauß“ vereinigte eine breite Wählerschicht hinter den Regierungsparteien. Die SPD holte 42,9 Prozent, zwar ihr bis heute zweitbestes Ergebnis in nationalen Wahlen. Aber angesichts des weithin ungeliebten Oppositionskandidaten war es kein hoffnungsvoll stimmendes Resultat, denn es lag nur knapp über Schmidts Ergebnis von 1976. Die FDP legte deutlich auf 10,6 Prozent zu (wohl auch dank vieler CDU-Anhänger, die von Strauß abgestoßen waren). Die Koalition war gestärkt – jedenfalls nach der Sitzarithmetik. Der Wahlsieg verschleierte jedoch die Risse, die sich in der SPD und im Regierungsbündnis schon längst aufgetan hatten. Rot-Gelb hatte sich eigentlich überlebt.

Die Differenzen zwischen SPD und FDP in der Wirtschafts- und Sozialpolitik wuchsen: Während die Sozialdemokraten an der Nachfragepolitik nach keynesianischem Muster festhalten wollten, drängte die FDP immer stärker zu einer arbeitgeberfreundlichen Angebotspolitik. Die Koalition war haushaltspolitisch zwischen Geldausgeben und Konsolidieren gespalten. Es war Strauß, der Schmidts zerfallendem Bündnis eine Verlängerung bescherte. Im Regierungslager wurde diese Verlängerung zunehmend als Strafe empfunden, vor allem bei den linken Sozialdemokraten und auf dem Wirtschaftsflügel der FDP um Otto Graf Lambsdorff.

 Den Machtkampf vermieden

Dass die Union einbrach, hat nicht zuletzt Kohl gefallen: Mit 44,5 Prozent lieferte Strauß das schlechteste Wahlergebnis seit 1949 ab. Die bundespolitische Karriere des Bayern war damit praktisch erledigt, auch wenn seine Einmischungen bis zu seinem Tod 1988 dauern sollten. Kohls Weg zur zweiten Kanzlerkandidatur und damit ins Kanzleramt war dagegen praktisch sicher, auch weil er Strauß ohne größeren Machtkampf den Vortritt gelassen hatte (Angela Merkel ging 2002 ähnlich vor, als sie dem drängelnden Edmund Stoiber die Kandidatur überließ). Kohls moderater Kurs war jetzt unangefochten, und das eröffnete der FDP den Koalitionswechsel. Der dann schneller kam als viele nach dem sozialliberalen Wahlsieg dachten.

 Die Grünen sind da

Auch weit unter der Fünfprozentmarke wurde im Oktober 1980 Geschichte geschrieben. Erstmals traten die Grünen bei einer Bundestagswahl an. Am Ende standen nur 1,5 Prozent zu Buche, das Profil der Partei zwischen ökologisch-konservativer Weltverbesserung über allen Parteien und linksorientierter Gegenpartei war noch recht unklar. Die „Stoppt Strauß“-Kampagne kostete der neuen Kraft zudem Stimmen, die zur SPD wanderten, um einen Regierungswechsel sicher zu verhindern. Aber nun waren die Grünen da. Das Dreiparteiensystem, das fast 30 Jahre lang die Bundespolitik bestimmt hatte, stand vor dem Ende.

Die weiteren Teile der Serie zu den Bundestagswahlen lesen sie hier.

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