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Zwei grüne Stars. Konstantin von Notz (links) und Robert Habeck.

© dpa

Robert Habeck und Konstantin von Notz: Bei aller Freundschaft

Sie sind Verbündete seit Jahren: Robert Habeck und Konstantin von Notz haben gemeinsam bei den Grünen Karriere gemacht. Doch was, wenn der Ehrgeiz des einen den anderen den Job kostet?

Zwei Freunde. Der eine erfolgreich in der Landespolitik, der andere im Bund, beide Mitglieder derselben Partei. In der Politik sind sie gemeinsam groß geworden – es ist eine Allianz, die über Jahre hält. Dann macht der eine einen Schritt, der den anderen den Posten kosten kann.

Die Geschichte der beiden Grünen-Politiker Konstantin von Notz und Robert Habeck ist eine, die Aufsehen erregt. Es steht die alte Frage dahinter, ob es wahre Freundschaft in der Politik überhaupt geben kann. Ob zwei Menschen, die beide nach Erfolg und Posten streben, loyal zueinander sein können.

Konstantin von Notz glaubt daran. Immer noch. Er ist einer der Hoffnungsträger der Grünen, ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender, profilierter Netzpolitiker und Kämpfer gegen die Vorratsdatenspeicherung. Als Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss ein gefragter Interviewpartner. Und doch könnte er nach der Wahl im nächsten Jahr nicht mehr im Bundestag sitzen. Denn den sicheren Listenplatz zwei der Grünen in Schleswig-Holstein, der traditionell für den männlichen Spitzenkandidaten des Landesverbandes reserviert ist, besetzt dann womöglich Notz’ langjähriger Freund Robert Habeck.

"Es braucht Vertrauen"

Der 45-jährige Notz, runde Brille, nach hinten gekämmtes Haar, sitzt in seinem Büro im Jakob-Kaiser-Haus, unweit des Bundestags. Im Regal stehen zwei Kästen Club Mate, an der Wand lehnt ein riesiges Bild, das ihn und seine Parteifreundin Luise Amtsberg zeigt, gemeinsam waren sie Spitzenkandidaten der Grünen in Schleswig-Holstein im Bundestagswahlkampf 2013. „Wenn Freundschaft in der Politik Bestand haben soll, dann braucht es Vertrauen“, sagt Notz.

Um die Geschichte der strapazierten Freundschaft zwischen Notz und Habeck zu verstehen, muss man zurückschauen in das Schleswig-Holstein der 2000er Jahre. Denn es ist eine Geschichte, die eng verbunden ist mit der Entwicklung ihres Landesverbandes.

Sie sind sich sofort sympathisch

Notz und Habeck lernen sich auf einem Parteitag kennen, 2003 oder 2004 muss das gewesen sein, so genau weiß Notz das nicht mehr. Die Szene hat er aber noch im Kopf: Sie stehen an einem Bistrotisch, „Bist du nicht der ...?“ – die beiden Männer sind sich sofort sympathisch.

Es entsteht eine Clique, zu der noch andere junge Grüne gehören. Etwa Eka von Kalben, die heutige Fraktionsvorsitzende der Grünen in Schleswig-Holstein oder Anke Erdmann, Vorsitzende des Bildungsausschusses im Schleswig-Holsteinischen Landtag. Auch mit Luise Amtsberg sind Notz und Habeck später befreundet. Die junge Frau machte 2005 ein Praktikum in der Landesgeschäftsstelle in Kiel und ist heute Bundestagsabgeordnete. Sie gilt als Habecks politisches Ziehkind.

Die neue Clique: "Beautiful People"

In der Partei wird die Gruppe als Block wahrgenommen. Eine eingeschworene Gemeinschaft – allen ist klar, dass sie am gleichen Strang ziehen. „Das waren die ,beautiful people’. Die jungen Eloquenten, die für die Zukunft stehen“, sagt ein Grüner. Das kam nicht bei allen gut an. „Sie haben sich benommen, als seien sie bei den Pfadfindern“, erzählt eine andere, die dabei war.

Doch die Grünen in Schleswig-Holstein profitieren vom Elan des politischen Nachwuchses. 2005 ist der Landesverband in einem desolaten Zustand. Nach dem Debakel um die Kieler Ministerpräsidentin Heide Simonis, die ein Abweichler zu Fall brachte, sind die Grünen nicht mehr an der Regierung beteiligt. Viele sagen: „So kann es nicht mehr weitergehen.“

Sie wachsen an- und miteinander

Robert Habeck, der von Beruf Autor ist und von dem manche glauben, er werde sich in seiner Position als Landesvorsitzender bald langweilen, beschließt einen Parteirat auf Landesebene aufzubauen. Mit Notz und den anderen stößt er einen Prozess an, der den Landesverband programmatisch neu aufstellt. Unter dem Motto „Grüne Horizonte“ diskutieren sie über bedingungsloses Grundeinkommen, Kopftuchverbot und Kinderwahlrecht. Eine gute Zeit, sagt Notz. „Robert und mich verband sehr, dass wir fanden, der Landesverband brauche etwas Sauerstoff. Wir wollten ihn beleben.“ Die beiden wachsen an- und miteinander.

Bei den Landtagswahlen 2009 stellen sie eine neue Landesliste auf, auf der auch Luise Amtsberg, Eka von Kalben und Anke Erdmann stehen. Bei den gleichzeitig stattfindenden Bundestagswahlen zieht Konstantin von Notz über den Landeslistenplatz zwei in den Bundestag ein. Weil die Piraten damals so stark sind, soll Notz das Thema Netzpolitik seriös besetzen. Er profiliert sich in Berlin, wird nach einer Legislaturperiode stellvertretender Fraktionsvorsitzender.

Kein Zweckbündnis

Habeck wird nach den Landtagswahlen 2012 nicht nur Landwirtschaftsminister, sondern auch stellvertretender Ministerpräsident. Als Spitzenkandidat war er mit dafür verantwortlich, dass seine Partei gut 13 Prozent holte. Er ist ein fleißiger Parlamentarier und schafft es, selbst aus drögen Themen wie landwirtschaftlichem Wegebau eine interessante Erzählung zu machen. Sein Stil ist fordernd, aber er hat Charme, Charisma, kann andere von sich überzeugen. Notz gilt im Gegensatz zum impulsiven Habeck als der Bedächtige, der Rationale, der Kopfmensch. So unterschiedlich die beiden sind, sie ergänzen sich.

In den Jahren der räumlichen Trennung zwischen Berlin und Kiel sind Notz und Habeck in engem Kontakt. Sie stoßen zu Silvester um Mitternacht miteinander an, sie telefonieren in ihrer Freizeit und schmieden gemeinsam politische Pläne. Sie glauben an die Freundschaft, es soll kein Zweckbündnis sein.

Ein Dilemma, das alle belastet

Doch vor gut einem Jahr verkündet Robert Habeck: Er will Spitzenkandidat der Grünen im Bund werden. Habeck spricht das vorher mit Notz ab. Denn das Dilemma ist: Wird Habeck Spitzenkandidat, wird er zwangsläufig auch den Listenplatz zwei in Schleswig-Holstein besetzen – bislang Notz’ Ticket in den Bundestag. Habecks Entscheidung habe ihn nicht überrascht, sagt Notz heute. Hat es ihn verletzt? Notz atmet ein, zögert – und sagt dann: „Nein, eigentlich nicht.“ Eigentlich.

Im Landesverband sind dagegen einige überrascht, sie fühlen sich im Stich gelassen. Wie sollen sie ohne ihren charismatischen Spitzenkandidaten die nächsten Landtagswahlen meistern? „Das ist eine Veränderung, die uns allen viel abverlangt. Alle haben gesagt: Robert, was machst du da?“, erzählt eine Grüne. „Er strebt immer nach Höherem, kennt auch nichts anderes. Er stellt seine Interessen über alles andere.“ Ein anderer sagt: „Robert macht sich die Dinge radikal zum Projekt. Wenn er ein neues Ziel hat, konzentriert sich alles voll darauf.“ Nach dem Amt des stellvertretenden Ministerpräsidenten soll nun eben die Rolle des Spitzenkandidaten kommen.

Auch Habeck geht ein Risiko ein

Notz und Habeck stimmen sich ab. Wird Habeck bei der Urwahl zum Spitzenkandidaten gewählt, tritt Notz nicht für den zweiten Listenplatz in Schleswig-Holstein an. Wird Habeck nicht gewählt, behält Notz den zweiten Listenplatz. Auch Habeck geht dabei ein Risiko ein: Wenn er in der Urwahl nicht Spitzenkandidat wird – es bewerben sich auch Cem Özdemir und Anton Hofreiter – dann will er keine Rückkehroption in die Landespolitik. Das Kapitel scheint für ihn abgeschlossen. Bei einem Landesparteitag im April dieses Jahres lässt er sich von den Delegierten bestätigen, dass sie sein Vorhaben unterstützen.

Notz spricht heute nüchtern über die Angelegenheit. Er will sich nicht als Opfer von Habecks Karriereträumen inszenieren. „Ich hänge mit Leidenschaft an dem, was ich tue. Aber das heißt nicht, dass es lebensexistenziell ist.“ Die Prozesse in der Politik seien harsch, aber das wisse jeder, der in diesen Betrieb einsteige. Und er könne sich künftig viele andere Tätigkeiten gut vorstellen.

"Ich hoffe, dass es der Freundschaft nicht schadet"

Aber was heißt das für eine Freundschaft, wenn einer plötzlich ein größeres Rad dreht? Und wenn das den anderen den Job kosten könnte, den er liebt? Notz selbst gibt sich gelassen. Natürlich sei das alles eine Herausforderung. „Aber ich hoffe, dass es der Freundschaft nicht schaden wird.“

So ruhig war er wohl nicht von Anfang an. Und auch heute, so ist zu hören, ist er noch sauer. Nur zeige er es nicht. Obwohl immer noch freundschaftlich, sei der Umgang zwischen ihm und Habeck weniger herzlich als früher. Vielleicht ist da Ärger darüber, dass Habeck einfach erwartet, dass die Partei ihm folgt.

Habeck will sich nicht mehr äußern

„Es ist eine schwierige, eine belastende Situation für die beiden, die die Freundschaft hoffentlich nicht überstrapaziert“, sagt auch die gemeinsame Freundin Eka von Kalben. Die Clique von einst, sie steht nicht mehr ganz so geschlossen. Luise Amtsberg, heißt es, habe sich hart von ihrem politischen Ziehvater Habeck abgewandt. Darüber sprechen will sie nicht.

Auch Habeck möchte sich nicht zu seiner Freundschaft zu Notz äußern. Er wolle nur noch nach vorne schauen, seit jenem Landesparteitag im April, als ihn der Landesverband in seinem Vorhaben bestätigte. Als Notz von Habecks Weigerung hört, runzelt er die Stirn. Er wirkt ehrlich überrascht.

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