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Der FC Bayern steht hinter Uli Hoeneß. Das wird höchstwahrscheinlich auch heute Abend so sein - trotz Steuerskandal.

© dpa

Nach Steuerhinterziehung von Uli Hoeneß: Eine Debatte über Deutschlands Steuersystem ist überfällig

Am Dienstagabend spielt der FC Bayern gegen Barcelona. Die Fans werden kommen, um das Spiel zu sehen. Und sie werden zu ihrem Uli stehen, obgleich es in Sachen Steuerhinterziehung ein paar Fragen gibt. Dennoch bleibt zu klären, warum die Politiker so wenig gegen Steuerhinterziehung tut.

Natürlich ist er da. Wie vor einem knappen Jahr, als er die Finalniederlage seines Vereins im eigenen Stadion erlebte und wie zerschmettert auf der Tribüne kauerte. Eine Elendsgestalt. Am Dienstagabend ist die Stunde der Wiedergutmachung, wenn der FC Bayern mit Barcelona die beste Mannschaft der vergangenen Jahre empfängt. Es ist Zeit für die Ablösung, und die Bayern sind reif dafür. Weil sie seit vielen Jahren so professionell gemanagt werden wie kein anderer Klub. Weil es Uli Hoeneß gibt.

Zumindest bis zum Anpfiff wird Hoeneß mehr Aufmerksamkeit bekommen als Lionel Messi. Vielleicht auch von den Fans in der Kurve, denen jeden Monat die Steuern automatisch vom Gehalt abgezogen werden. Sie kommen wegen des Spiels, und sie werden zu ihrem Uli stehen, obgleich es doch ein paar Fragen gibt, deren Antworten der Steuerhinterzieher Hoeneß der Öffentlichkeit schuldet. Einer Öffentlichkeit und einer Gesellschaft, die den FC Bayern und ihn selbst groß und vermögend hat werden lassen, und auf die er bisweilen als Ratgeber und Erklärer für alles Mögliche auch immer mal wieder Einfluss genommen hat. Womöglich mit gespaltener Zunge.

Wenn überhaupt, dann werden es die Gerichte klären, ob Hoeneß ein Lump ist, ein Betrüger. Offenkundig hat er Geld, das er in Deutschland verdient und versteuert hat, auf einem Schweizer Konto deponiert und die Erträge dieses Geldes nicht versteuert. Das ist eine Straftat, und damit das Strafmaß milde ausfällt, hat Hoeneß sich selbst angezeigt. Möglicherweise hat er aber nicht alle Verfehlungen angezeigt, was wiederum die Staatsanwaltschaft in München zur Hausdurchsuchung veranlasst haben könnte. Kurzum, es gibt auch noch reichlich Konjunktive in dem Fall.

Trotzdem ist die Öffentlichkeit enorm aufgeregt und erfreuen sich die Medien an einem Spektakel, das bekannt vorkommt: Gérard Depardieu flüchtet vor der französischen Reichensteuer in Putins zwielichtige Oligarchendemokratie; posthum wird bekannt, wie filigran Gunter Sachs sein Geld in sogenannten Steueroasen versteckt hat; und nun die Steuerflucht des allseits geschätzten Uli Hoeneß. Hat er nicht genug Geld, die Steuern zu zahlen?

Das Irritierende am Fall Hoeneß: Er ist nicht nach Österreich gezogen wie Franz Beckenbauer, um die Steuerschuld zu drücken. Hoeneß ist vielmehr bekannt für Bürger- und Gemeinsinn, ein engagierter Zeitgenosse mit Grips im Dickschädel, der eigentlich weiß, wofür Steuern sind. Aber das wissen die meisten der schätzungsweise acht Millionen Kleinkriminellen auch, die ab und zu schwarz arbeiten und so rund 340 Milliarden Euro im Jahr am Finanzamt vorbei transferieren.

Dieser Hinweis auf die Steuerhinterziehung der kleinen Leute soll nicht die Gier der Reichen bagatellisieren, die als die Gewinner der Globalisierung in den vergangenen 20 Jahren immer reicher geworden sind. Es gibt heute mehr legale und illegale Möglichkeiten der Steuervermeidung für reiche Individuen und multinationale Konzerne als je zuvor. Und es ist eine Schande, wie wenig die Politiker dagegen tun. Oder werden die Reichen bewusst geschont?

Hierzulande zahlen die oberen zehn Prozent der Steuerpflichtigen mehr als die Hälfte der Einkommensteuer. Gleichzeitig besitzen die reichsten zehn Prozent 60 Prozent des Vermögens. Eine Debatte über unser Steuersystem, über Chancen und Gerechtigkeit und Staatsaufgaben wäre schön im Wahljahr. Gerne auch mit Uli Hoeneß.

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