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Ein Jahr danach: Michael Browns Vater (ganz rechts) führt einen Protestmarsch gegen Rassismus an.

© Marcus Di Paola/imago

Rassismus in den USA und Deutschland: Diskriminierung vergiftet Leben

Ein Jahr nach Ferguson: Nicht nur die USA diskutieren über institutionellen Rassismus. Auch in Deutschland gibt es immer mehr Menschen, die ihrer Hautfarbe wegen immer wieder kontrolliert werden und unter Verdacht stehen. Und die sich wehren.

Vor genau einem Jahr starb in Ferguson, einem Vorort von St. Louis, Michael Brown, erschossen von einem Polizisten. Im Körper des unbewaffneten schwarzen 18-Jährigen wurden sechs Kugeln aus der Dienstwaffe des weißen Polizisten Darren Wilson gefunden. Der Polizist war auf der Suche nach Dieben, die in einem Laden in der Nähe Zigarillos geklaut hatten.

Der Fall Ferguson löste nicht nur eine Welle der Wut in den USA aus. Er führte auch zu einer neuen und inzwischen machtvollen Diskussion über den Rassismus, der auch 150 Jahre nach Abschaffung der Sklaverei in den USA noch stark ist und sehr oft tödlich.

Die größere Aufmerksamkeit brachte weitere ähnliche Tode an die Öffentlichkeit: Noch 2014 starben ähnlich wie Brown Tamir Rice in Cleveland und Eric Garner in New York, in Baltimore Freddie Gray, in Charleston Walter Scott. Im Juli wurde Sandra Bland, die in Texas auf dem Weg zu ihrer neuen Arbeitsstelle war, per Elektroschocker aus ihrem Wagen geholt und in Haft genommen. Sie hatte beim Spurwechsel den Blinker nicht gesetzt. Drei Tage später wurde Bland tot in ihrer Zelle gefunden. Auch am Todestag von Michael Brown starb ein 19-jähriger Student durch Polizeikugeln.

Der Dauerverdacht vergiftet Leben

So weit liegen die USA allerdings nicht weg. Auch hierzulande gab es, wenn auch nicht in US-Dimensionen – das „Wall Street Journal“ kam bei einer eigenen Recherche auf mehrere hundert Fälle pro Jahr – Todesfälle unter Umständen, bei denen die dunkle Hautfarbe des Toten eine Rolle gespielt haben dürfte. Vor allem aber ist eine stetig wachsende Minderheit nicht weißer Bürgerinnen und Bürger in Deutschland nicht mehr bereit, sich Diskriminierung gefallen zu lassen, die ihr Leben vergiftet und sie ständig in Angst hält. Ihnen geht es nicht um individuellen Rassismus, der hässlich genug ist. Sie haben den Kampf gegen das aufgenommen, was Forschung und Bürgerrechtsgruppen als „institutionellen Rassismus“ bezeichnen, jene Diskriminierung, die in Gesetzen steckt, in Polizeivorschriften oder einer Organisation des Bildungswesens, die als „anders“ Etikettierte stillschweigend ausschließt oder sie Sonderkontrollen aussetzt. Aktuell ist der Paragraf 22, Absatz 1a, des Bundespolizeigesetzes ein wesentliches Schlachtfeld der Auseinandersetzung.

Polizeigesetz "grundrechtlich nicht haltbar"

Das Deutsche Institut für Menschenrechte bescheinigte diesem Paragrafen in einer Stellungnahme für das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz bündig, er sei „grund- und menschenrechtlich nicht haltbar“ und auf keine Weise in Einklang mit dem Grundgesetz zu bringen. Ein Paar hatte gegen die Bundespolizei geklagt, weil es sich seiner Hautfarbe wegen herausgefiltert und kontrolliert sah.

Die Debatte um racial profiling, also Kontrollen nach Hautfarbe, krankt stark daran, dass sich immer wieder einzelne Beamtinnen und Beamten persönlich angegriffen sehen. Auch Bundespolizeipräsident Romann nahm kürzlich wieder seine Leute in Schutz, die sich „hart getroffen“ fühlten durch den Rassismusvorwurf, der „falsch“ sei.

Doch es geht gar nicht darum, einzelne Menschen zu treffen oder zu beschämen. Beschämend finden NGOs und Fachjuristen Vorschriften, die sie aus ihrer Sicht zu rassistischem Verhalten geradezu zwingen – wie eben jener Paragraf im Bundespolizeigesetz.

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