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Großformat: „Memento Mori“ von Harald Hermann.

© Doris Spiekermann-Klaas

Porträt: Sammlers Leidenschaft

Kunst verändert Räume. Das gilt insbesondere für die eigene Wohnung. Modedesigner Dirk Schönberger verrät, mit welcher Kunst er lebt und was ihn inspiriert.

Es wird eng bei Dirk Schönberger. Carsten Fock muss sich die Wand inzwischen mit Sergej Jensen teilen, Ralf Dereich füllt allen Platz über dem Ledersofa. Und im anderen Raum duldet Harald Hermann niemanden neben sich. Sein „Memento Mori“ erstreckt sich über zweieinhalb Meter - ein endzeitliches Panoptikum, wo Deckenplatten auf Bäume fallen, während ein weiß geschminkter Mann im Anzug und mit Zylinder eine schwarze Fahne schwenkt. Schönberger entdeckt in dem Gemälde von 2010 immer wieder neue Details. Dann gibt es Tage, an denen er nicht so gut mit dem monumentalen Format kann. Was auch daran liegt, dass an der Wand gegenüber Arbeiten lehnen, die ihre Wirkung auch gern entfalten würden; eine geometrische Abstraktion von Georg Karl Faber beispielsweise. Doch der Hermann macht das unmöglich, wenn auch ohne Absicht. Es wird also Zeit für Schönberger, den Kreativdirektor von Adidas, ein paar Entscheidungen zu fällen. Seine Altbauwohnung in Berlins Mitte ist groß, aber nicht riesig. So wird man zum Sammler, heißt es: wenn die Wände nicht mehr reichen, man Arbeiten einpacken und notfalls in einem Lager unterbringen muss. Schönberger wehrt das sanft für sich ab. Er mache das nicht professionell oder gehe jedes Wochenende durch die Galerien, um zu kaufen. Aber: „Ich lebe mit Kunst.“ Vor allem mit Gemälden und Zeichnungen von Carsten Fock. Mit Ralf Dereichs großen Formaten und einem aus Stoff und Farbe gemachten Bild von Sergej Jensen, ein Künstler, für dessen Arbeiten es Wartelisten gibt. Schönberger ist auf freundliche Art beharrlich geblieben. Schließlich war da der unbedingte Wunsch, ein Werk von Jensen zu besitzen. Wenn diese Sehnsucht kommt, wenn es ihn packt, dann spürt Schönberger das körperlich.

Die himmelblauen Sneakers sind von Carsten Fock gestaltet.
Die himmelblauen Sneakers sind von Carsten Fock gestaltet.

© Doris Spiekermann-Klaas

„Das Herz rast, sobald ich den Bildern begegne“, sagt er. Das Gefühl macht ihn glücklich. Auch später noch, wenn er die Arbeiten zu Hause hat. Es sind fast ausschließlich Gemälde, denn „Malerei nimmt den allerdirektesten Weg zu mir“, sagt der Modemacher. Gibt es einen besseren Grund, mit dem Sammeln zu beginnen? Viel rationaler reagiert er auf die Frage nach dem Verhältnis zwischen Kunst und Mode. Prinzipiell und im Speziellen bei Adidas. Seit 2011 ist er für den Sporthersteller aus Herzogenaurach tätig, zuvor wurde er als Retter der Marke Joop! gefeiert, und noch früher arbeitete er bei Dirk Bikkembergs in Antwerpen. Eine Weile hatte Schönberger sein eigenes Label, irgendwann merkte er: „Ich war vom High-Fashion-Bereich absorbiert. Eine Veränderung stand an.“ Schon auf dem Gymnasium habe er zur Adidas-Fraktion gehört. Gleichzeitig war er immer an Kunst und Musik interessiert. Nur Zeitgenössisches. Alles Alte lehnte der Rheinländer als konventionell ab. Das hat sich geändert. Aber wenn es um die eigenen Wände geht, dann bitte bloß die eigene Generation. Schönberger, Jahrgang 1968, lernte Fock in Antwerpen kennen, als dieser noch figürlich arbeitete. Als der Designer sich endlich zum Kauf eines Bildes entschloss, war der Künstler längst bei abstrakten Sujets angelangt. Geblieben ist sein Kampf um das Motiv. „An Carsten bewundere ich, wie er sich abarbeitet.“ Schönberger mag nicht bloß Mode, Malerei und Musik mit Tendenzen zur Dekonstruktion. Die feine Hose, die er trägt, bricht er ästhetisch mit hellen Sneakers. Ein anderes blaues Paar Turnschuhe liegt im Wohnzimmer unter Glas. Fock hat es bearbeitet, und eigentlich nur zum Spaß, und doch deutet sich da etwas an, die Schuhe sind so etwas wie ein Vorgriff auf eine Idee, die schon länger in Schönbergers Kopf kreist. Schönberger, der bei Adidas ebenso für die edle Kollektion Y-3 der japanischen Mode-Ikone Yohji Yamamoto zuständig ist wie für Kooperationen mit Justin Bieber, Kanye West oder Tom Dixon, kann sich durchaus ein Projekt mit bildenden Künstlern vorstellen. Die Grenze zieht er allerdings klar: „Kunst darf nicht zum Mittel werden, die eigene Arbeit glaubwürdiger zu machen.“ Kein „Mondrian-Dress“ mit schwarz-rot-gelbem Print. Für Schönberger kommt es auch nicht in Frage, im Museum alte Gemälde zu studieren und Details der historischen Kleidung in seine Kollektionen zu übernehmen. Wenn er so etwas sieht, macht ihn das eher wütend. „Ich mag es, wenn ein Bild, Musik oder Film etwas in mir auslöst.

An der Wand und auf dem Boden: Bilder von Sergej Jensen und Carsten Fock.
An der Wand und auf dem Boden: Bilder von Sergej Jensen und Carsten Fock.

© Doris Spiekermann-Klaas

Eine Idee generiert. Es darf aber nie um Details gehen. Was mich inspiriert, ist die Haltung.“ Kunst und Mode würde er auch nie auf eine Ebene stellen. „Kunst kann viel freier und radikaler agieren. In der Mode geht es am Ende immer um den Körper.“ Und bei Adidas um eine Massenmarke, auch wenn sie diverse Kulturen anspricht und Schönberger daran erinnert, dass ein Künstler wie Jonathan Meese Adidas zu seiner Uniform gemacht hat. Dennoch ist die Idee in der Welt. Ob es ein großer Name sein müsste? „Nö, wir arbeiten ja auch mit ganz jungen Modedesignern zusammen. Ich habe ein paar Künstler im Kopf.“ Aber es ist ein langer Prozess. Es gibt allerdings eine zweite Liste. Auf der stehen Künstler wie Gregor Hildebrandt oder Emanuel Bornstein, deren Bilder Schönberger unmittelbar berühren. „Da spüre ich wieder, wie ich nervös werde.“ Bald wird es wohl noch etwas voller in seiner Wohnung werden.

"Kunst kann freier agieren. In der Mode geht es am Ende immer um den Körper" Dirk Schönberger.
"Kunst kann freier agieren. In der Mode geht es am Ende immer um den Körper" Dirk Schönberger.

© Doris Spiekermann-Klaas

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