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Ein ukrainischer Marinesoldat (rechts) wird nach der Festnahme im November 2018 von einem Mitarbeiter des russischen Nachrichtendienstes FSB abgeführt.

© AFP

Zwischenfall im Schwarzen Meer: Russland soll ukrainische Seeleute freilassen

Nach der Konfrontation zwischen Russland und der Ukraine im Schwarzen Meer ordnet der Seegerichtshof die Freilassung der ukrainischen Matrosen an.

Der Internationale Seegerichtshof in Hamburg hat Russland aufgefordert, der Ukraine drei im November 2018 festgesetzte Marineschiffe zurückzugeben und die 24 Seeleute umgehend freizulassen. Mit dieser Anordnung gab der Gerichtshof am Samstag einem Antrag der ukrainischen Regierung statt. Russland hatte allerdings schon zu Beginn des Verfahrens klar gemacht, dass es die Zuständigkeit des internationalen Tribunals in diesem Fall nicht anerkennt. Deswegen ist es unklar, ob Moskau der Anordnung nachkommt.

Der Zwischenfall, um den es nun in Hamburg ging, ereignete sich am 25. November 2018 im Schwarzen Meer in der Nähe der Straße von Kertsch, einer Meerenge vor der Halbinsel Krim, die 2014 von Russland annektiert worden war. Zwei ukrainische Kriegsschiffe und ein Schlepper waren auf dem Weg von Odessa nach Berdjansk, einer ukrainischen Hafenstadt am Asowschen Meer.

Allerdings teilte die russische Küstenwache, die zum Inlandsnachrichtendienst FSB gehört, in der Nacht vom 24. auf den 25. November per Funk mit, dass die Straße von Kertsch geschlossen sei. Die ukrainischen Marineschiffe setzten dennoch ihren Weg fort und wurden schließlich von Schiffen der russischen Küstenwache an der Fahrt durch die Meerenge gehindert.

Erst Warnschüsse, dann gezielte Schüsse

Nach etwa acht Stunden kehrten die drei ukrainischen Schiffe um und nahmen Kurs auf ihren Heimathafen Odessa. Die russische Küstenwache folgte ihnen und forderte sie vergeblich zum Anhalten auf. Darauf feuerten die Russen zunächst Warnschüsse und dann gezielte Schüsse ab. Das ukrainische Kriegsschiff Berdjansk wurde getroffen, drei Seeleute wurden verletzt. Die russische Küstenwache brachte die drei Schiffe auf und nahm die 24 Seeleute fest. Seitdem sind die Ukrainer hinter Gittern. Ein Gericht in Moskau verlängerte kürzlich die Untersuchungshaft bis Juli. Den Seeleuten wird in Russland illegaler Grenzübertritt vorgeworfen, ihnen drohen bis zu sechs Jahre Haft.

Aus Sicht der russischen Regierung fällt dieser Zwischenfall nicht in die Zuständigkeit des Internationalen Seegerichtshofs. Die Botschaft in Berlin berief sich in einem Schreiben an das Gericht auf eine Ausnahmeklausel in der Seerechtskonvention, die sich auf „Streitigkeiten über militärische Handlungen“ bezieht. Deshalb blieben Vertreter Russlands der Verhandlung fern.

Das Tribunal, das über die Einhaltung des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen wacht, kam allerdings zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Zwischenfall nicht um eine militärische Aktion handelte. Kern des Disputs seien unterschiedliche Auffassungen über die Durchfahrt durch die Straße von Kertsch, sagte der südkoreanische Gerichtspräsident Jin-Hyun Paik. Hinsichtlich der von Russland abgefeuerten Schüsse sagte er, auch die Gewaltanwendung sei eher im Kontext einer Operation zur Rechtsdurchsetzung zu sehen und nicht als militärische Aktion.

Eigentliche Verhandlung folgt erst noch

Der Gerichtshof verhängte am Samstag nur sogenannte vorläufige Maßnahmen, die eigentliche Entscheidung in dem Fall steht noch aus. Die Richter sahen allerdings eine besondere Dringlichkeit gegeben, die eine solche Anordnung erforderlich machte. Russland muss nun die drei Schiffe herausgeben und die 24 Seeleute auf freien Fuß setzen. Außerdem sollen die Männer in die Ukraine zurückkehren dürfen. Anders als von der Regierung in Kiew gefordert sah der Gerichtshof es nicht als notwendig an, von Russland die Einstellung der Strafverfahren gegen die Seeleute zu verlangen. Die Richter fordern allerdings sowohl Russland als auch die Ukraine auf, „Handlungen zu unterlassen, die den Disput verschlimmern oder ausweiten könnten“. Von den 20 Richtern des Tribunals votierten 19 für die Anordnung, ein russischer Richter stimmte dagegen.

Der Gerichtspräsident Jin-Hyun Paik betonte, dass auch die nicht anwesende Partei verpflichtet sei, der Anordnung umgehend Folge zu leisten. Innerhalb eines Monats sollen beide Staaten in Hamburg einen Bericht über die Umsetzung vorlegen.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Manuel Sarrazin, der die Bekanntgabe der Entscheidung im Gerichtssaal verfolgte, appellierte an die Bundesregierung, „auf höchster Ebene“ die Einhaltung des Beschlusses anzumahnen. „Die Bundesregierung muss gegenüber dem Kreml deutlich machen, dass eine Nichteinhaltung auch die bilateralen Beziehungen schwer beschädigen würde“, sagte Sarrazin dem Tagesspiegel. Daran, ob Russland dieser Anordnung folge, werde sich zeigen, ob der Kreml überhaupt an der Einhaltung von internationalem Recht interessiert sei.

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