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Sauber bleiben: Ein Fabrikarbeiter justiert den Stern an einem neuen Mercedes.

© imago images / ITAR-TASS

Zwischen Spenden und Staatsgeld: Daimler gibt nichts mehr – was heißt das für die Parteien?

Der Daimler-Konzern hat seine Spenden an Parteien eingestellt. Hat das Folgen für deren Etats? Wie finanzieren die sich? Ein Überblick.

„Wir geben nichts.“ Die Führung des Daimler-Konzerns, ansässig in Stuttgart, hat gerade beschlossen, eine den Schwaben gern zugeschriebene Maxime in die Tat umzusetzen: In diesem Jahr, so heißt es aus dem Automobilunternehmen, solle es keine Spenden an die Parteien geben. „Wir haben beschlossen, in diesem Jahr den Schwerpunkt bei Projekten aus den Bereichen Bildung, Naturschutz, Wissenschaft, Kunst und Kultur zu setzen“, lautet die offizielle Begründung. Daimler bleibt also spendabel – nur Union, SPD und all die anderen werden leer ausgehen.

Dabei ist der Weltkonzern bisher stets in den Großspender-Listen der Parteien prominent vertreten gewesen. 2018 etwa flossen aus der Konzernkasse insgesamt 320.000 Euro an im Bundestag vertretene Parteien – jeweils 100.000 Euro an CDU und SPD sowie je 40.000 Euro an Grüne, CSU und FDP. Bei Linken und AfD bleibt es somit wie bisher – sie bekamen nichts.

Was steht hinter der Entscheidung von Daimler?

Zwar ist der Spendenverzicht vorerst einmalig. Daimler-Sprecher Jörg Howe sagte dem Tagesspiegel: „Wir beschließen das jedes Jahr neu.“ Anfang des Jahres tage der Vorstand und entscheide über die Verteilung der Spendengelder. Nun konzentriert sich der Autobauer auf anderes – insgesamt stehen 20 Millionen Euro für 1900 Projekte zur Verfügung. Intern wird aber damit gerechnet, dass der Beschluss für ein Ende der Parteispenden nicht auf dieses Jahr beschränkt bleibt.

Über die tieferen Gründe kann man nur spekulieren. Doch lässt die Reaktion von Thomas Bareiß Mutmaßungen zu. Der parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Mitglied der generell sehr wirtschaftsfreundlichen CDU-Landesgruppe im Bundestag, twitterte empört, man könne ja anderer Meinung sein als Politiker und Parteien und sich streiten, auch eine Partei mehr mögen als andere. Aber Parteispenden „wegen anderer Schwerpunkte“ generell zu stoppen, „ist (vielleicht populär) aber letztendlich verantwortungslos, Demokratie gefährdend, dumm“.

Sollte da auch Wut über einen Konzern anklingen, der sich ein bisschen an der Politik rächen will? Immerhin haben sich die Bundesregierung und die Autokonzerne schon besser vertragen als zuletzt – in der Dieselkrise überwarf man sich, bei der Förderung der Elektromobilität gibt es Differenzen.

Aber die Entscheidung im Daimler-Vorstand kann auch ganz profane betriebswirtschaftliche Gründe haben. Dem Stuttgarter Unternehmen ging es schon besser. Die ganze Branche ist im Umbruch, große Zukunftsinvestitionen sind nötig. Schon im Februar kündigte der scheidende Daimler-Chef Dieter Zetsche an, dass das Unternehmen sparen müsse.

Welche Unternehmen und Verbände sind noch Großspender der Parteien?

Daimler ist zuletzt im Mai 2018 als Großspender mit mehr als 50.000 Euro pro Überweisung in Erscheinung getreten – jener Kategorie, die von den Parteien unverzüglich dem Bundestagspräsidenten gemeldet werden muss. Ansonsten gab es im Vorjahr nur vom Essener Chemiekonzern Evonik Großspenden, jeweils 80.000 Euro an CDU und SPD. Die BMW-Erben Susanne Klatten und Stefan Quandt ließen ebenfalls CDU und SPD vier Großspenden mit zusammen 250.000 Euro zukommen, allerdings als Privatleute. Immer wieder gibt es auch Mittelständler, die als Großspender auftreten.

Ansonsten gelten vor allem drei Industrieverbände als gebefreudig: der Arbeitgeberverband Südwestmetall und die Verbände der Metall- und Elektroindustrie in Bayern und Nordrhein-Westfalen, die neben Union und SPD auch Grüne und FDP bedenken. Südwestmetall hält an den Parteispenden fest. 2018 flossen 430.000 Euro auf die Konten der Parteien, 150.000 an die CDU, je 110.000 an FDP und Grüne und 60.000 an die SPD. Grundvoraussetzung ist neben der eindeutig demokratischen Gesinnung eine positive Einstellung zur sozialen Marktwirtschaft und zu Europa.

Die Zeiten, in denen das Geld von Großunternehmen üppig floss, sind ohnehin vorbei. Flick-Affäre und Helmut Kohls unbekannte Spender liegen lange zurück. Zuletzt musste sich die FDP als „Mövenpick-Partei“ beschimpfen lassen, nachdem die schwarz-gelbe Koalition 2009 den Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen reduziert hatte – zuvor war Geld von Mövenpick-Miteigner August von Finck an die Freien Demokraten (aber auch an die CSU) geflossen. Kaum ein Dax-Konzern spendet heute noch regelmäßig an Parteien.

Welche anderen Wege der Beeinflussung finden Unternehmen?

Parteispenden seien nur ein Baustein der Einflussnahme, betont Christina Deckwirth von der Organisation Lobbycontrol. „Daimler wird auf jeden Fall ein mächtiger Lobbyakteur bleiben, weil sie eng mit der Politik vernetzt sind.“ So sei der frühere Staatsminister im Kanzleramt Eckart von Klaeden (CDU) Cheflobbyist. „Unsere Vermutung ist, dass das eher mit Image zu tun hat.“ Die Spenden nutzten den Unternehmen kaum. VW sei schon 2008 aus Parteispenden ausgestiegen, BMW 2014. „Die sind dann verstärkt auf Parteisponsoring umgestiegen.“

Das biete Unternehmen mehrere Vorteile: Sponsoring lasse sich, im Gegensatz zur Spende, steuerlich absetzen und bringe Sichtbarkeit auf den Veranstaltungen, wodurch sich neue Kontaktmöglichkeiten ergeben könnten. Einige Unternehmen würden inzwischen hierfür mehr Geld ausgeben als früher für Spenden. Auch den Parteien gefällt diese Variante. Ein Bundesparteitag kostet bis zu zwei Millionen Euro, die Einnahmen für Stände von Autokonzernen, Krankenkassen oder Zigarettenindustrie federn das ab. „Daher brauchen wir klare gesetzliche Transparenzpflichten auch für das Sponsoring“, fordert Deckwirth.

Wie finanziert sich die Union?

Trotz der Empörung von Bareiß – auf große Unternehmensspenden sind die Parteien heutzutage auch nicht mehr angewiesen. Nach dem Rechenschaftsbericht der CDU für 2017, der unlängst vom Bundestag veröffentlicht wurde, hat die Partei im Wahljahr Einnahmen in Höhe von knapp 157 Millionen Euro verbucht. Davon waren nur 12,7 Millionen Euro Spenden von juristischen Personen, also Unternehmen oder Verbänden. Das sind acht Prozent der Gesamteinkünfte. Die 100.000 Euro von der Daimler AG, die im April 2017 einliefen, fallen also in den Promillebereich.

Freilich ist die Ankündigung, die Summe nun zu streichen, zweifellos ein ungutes Signal – schließlich machen kleinere Zuwendungen aus der Wirtschaft durchaus einen erklecklichen Anteil an der Spendengesamtsumme aus. Aber wie andere Parteien auch finanziert sich die CDU stark aus Mitgliedsbeiträgen (24 Prozent) und vor allem der staatlichen Parteienfinanzierung (31 Prozent oder 48,4 Millionen Euro). Spenden von Privatleuten machen mit einem Achtel ungefähr so viel aus wie die die Zuwendungen von Mandatsträgern. Unter denen sticht eine gewisse Angela Merkel mit 25.314 Euro hervor. Nicht weit dahinter: Der Berliner Bundestagabgeordnete Thomas Heilmann mit 21.600 Euro. Die CSU hat mit 27 Prozent den geringsten Anteil an Staatsfinanzierung – mit 22,7 Prozent ist der Spendenanteil leicht höher als bei der CDU und damit der höchste aller Bundestagsparteien.

Wie sieht es bei der SPD aus?

Für die Sozialdemokraten (Einnahmen 2017: 166 Millionen Euro) sind Spenden weniger wichtig als bei der CDU, sie machen nur knapp neun Prozent aus. Und davon kommen deutlich mehr von Privatleiten und Mitgliedern als von Unternehmen. Die Finanzierung der SPD ruht neben den staatlichen Mitteln in Höhe von 49 Millionen Euro stärker auf Mitglieds- und Mandatsträgerbeiträgen – zusammen waren das 78 Millionen Euro. Katarina Barley war mit 33.000 Euro 2017 in der Spitze der Spender an die eigene Partei.

Doch die Probleme wachsen: Schatzmeister Dietmar Nietan hat gerade das vergangene Jahr viel Kopfzerbrechen bereitet, als die schwierige Regierungsbildung mit Sonderparteitagen und Mitgliedervotum vier Millionen Euro zusätzlich kostete. Zudem gibt es durch das schlechte Bundestagswahlergebnis im Jahr etwa 1,6 Millionen Euro weniger aus der Parteienfinanzierung.

Was ist mit FDP, Grünen, Linken und AfD?

Was die kleineren Parteien betrifft, machen die Staatszuwendungen ebenfalls stets den größten Anteil aus - zwischen 30 Prozent bei der FDP und 41 Prozent bei der AfD. Aus Spenden dagegen fließen den Kleinparteien sehr unterschiedlich Mittel zu: Waren es bei der FDP immerhin 15 Millionen Euro im Jahr 2017, so kamen bei der AfD nur 6,8 Millionen zusammen, bei den Grünen 5,9 Millionen und bei der Linken 2,7 Millionen Euro. Bei den Freien Demokraten war übrigens Parteichef Christian Lindner zuletzt als Großspender aufgelistet, er verdient nebenher mit Rednerauftritten gutes Geld – und spendete seiner Partei im vorigen August 50.249 Euro und 17 Cent.

Vor allem die Linke fordert seit langem, dass Parteien gar keine Spenden mehr von Unternehmen, Wirtschaftsverbänden und Vereinen annehmen dürfen, dass Parteiensponsoring wie Unternehmensstände auf Parteitagen untersagt wird und dass Spenden von Privatpersonen 25.000 Euro im Jahr nicht überschreiten dürfen.

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