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Zweite Libyen-Konferenz in Berlin: Gebrochene Versprechen, erneuerte Versprechen

Anfang 2020 gelobte die erste Libyen-Konferenz in Berlin dem Land Frieden, viele Länder schickten aber weiter Waffen. Kann das zweite Treffen mehr Erfolg haben?

Von Hans Monath

Der US-Außenminister war offenbar angetan von seinen Gastgebern. „Leadership“ (Führung) habe Deutschland beim Thema Libyen gezeigt, lobte Antony Blinken am Mittwoch nach einem Gespräch mit seinem deutschen Kollegen Heiko Maas (SPD) kurz vor Beginn der zweiten Libyen-Konferenz in Berlin innerhalb von rund eineinhalb Jahren. Und er betonte die Gemeinsamkeiten: Die USA und Deutschland verfolgten in Libyen „genau dieselben Ziele“.

Es geht darum, dass in dem nordafrikanischen Krisenlandes ein friedlicher Übergang zu Demokratie und Selbstständigkeit gelingt. Anders als im Januar 2020, als Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Bitten der Vereinten Nationen Staats- und Regierungschefs aus rund 20 Staaten geladen hatte, nahmen am Mittwoch neben Vertretern der USA, der Türkei, mehrerer EU-Staaten, Russlands, Chinas, der Türkei und Ägyptens und weiterer Länder auch Delegierte der libyschen Übergangsregierung an den Beratungen teil. Bei „Berlin I“ waren die Vertreter der verfeindeten Lager aus Libyen nur als Beobachter geladen gewesen.

Die Delegationen einigten sich am Mittwoch darauf, am 24. Dezember Dezember in Libyen freie Parlamentswahlen abzuhalten, alle ausländischen Kämpfer abzuziehen und aus den verfeindeten Milizen gemeinsame nationale Sicherheitskräfte zu bilden, um so das staatliche Gewaltmonopol wieder herzustellen. Jüngsten UN-Schätzungen zufolge befinden sich immer noch um die 20.000 ausländische Kämpfer im Land. Die Konferenz soll dem unter Vermittlung der UN vereinbarten Übergangsprozess bis zur Abstimmung Nachdruck verleihen.

Der Gastgeber gibt sich Mühe: Deutschland richtete die zweite Libyen-Konferenz in Berlin aus.,
Der Gastgeber gibt sich Mühe: Deutschland richtete die zweite Libyen-Konferenz in Berlin aus.,

© Thomas Köhler/imago images/photothek

Libyen war nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Muammar al Gaddafi 2011 in einem Kampf zwischen zahlreichen politischen Lagern und verbündeten Milizen versunken, der von ausländischen Mächten befeuert wird. Drei Jahre nach dem Sturz Gaddafis hatte Rebellengeneral Chalifa Haftar versucht, die Hauptstadt Tripolis einzunehmen, scheiterte aber. In Libyen wird seit dem vergangenen Herbst zwar nicht mehr gekämpft, doch die Teilung zwischen dem Westteil des Landes, in dem die von Abdulhamid Dbeibah geführte Übergangsregierung ihren Sitz hat, und dem von Haftar beherrschten Osten besteht fort. Die Milizen und ihre Söldner aus dem Ausland sind weiter aktiv.

Schon in „Berlin I“ hatten sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und sein russischer Kollege Wladimir Putin mit den anderen Teilnehmern dazu verpflichtet, sich nicht in die inneren Angelegenheiten Libyens einzumischen, die Entwaffnung der Milizen zu unterstützen und das UN-Waffenembargo einzuhalten. Das Versprechen hielten sie so wenig ein wie etwa Ägypten oder die Vereinigten Arabischen Emirate. Moskau bestreitet jede Verantwortung für die privaten russischen Söldner, die auf Seiten Haftars kämpfen. Ankara verweigert die Einstufung der türkischen Soldaten in Libyen als ausländische Kämpfer, da diese von der Übergangsregierung zu deren Schutz angefordert worden seien.

Außenminister Maas forderte ein Ende der ausländischen Einmischung in dem Land. „Ausländische Kämpfer, Truppen und Söldner" müssten Libyen verlassen, ihre „bloße Anwesenheit" beeinflusse den Friedensprozess, sagte er. Auch das Waffenembargo müsse eingehalten werden. Maas betonte die Fortschritte, die seit „Berlin I“ erreicht worden seien.

Noch vor knapp zwei Jahren habe Libyen gedroht, „in einer Spirale aus Chaos und Gewalt zu versinken“, sagte der Außenminister. Durch Hartnäckigkeit und enge Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen seien sichtbare Fortschritte erreicht worden. „Der seit Oktober letzten Jahres haltende Waffenstillstand zählt ebenso hierzu wie die Bildung der libyschen Einheitsregierung“, sagte Maas. Dies gebe „Anlass zur Hoffnung für die Menschen. Nun sei die für Dezember geplante Wahl „entscheidend für Frieden und Stabilität“ in dem Land.

Ähnlich äußerte sich auch UN-Generalsekretär António Guterres, der die vollständige Umsetzung des Waffenstillstandsabkommens forderte. In Kürze würden auch UN-Beobachter nach Tripolis entsandt werden, um die Einhaltung zu überprüfen, kündigte Guterres an.

Zwischen Washington und Berlin stimmt die Chemie wieder: Außenminister Heiko Maas (SPD, rechts) empfängt seinen US-Kollegen Antony J. Blinken.
Zwischen Washington und Berlin stimmt die Chemie wieder: Außenminister Heiko Maas (SPD, rechts) empfängt seinen US-Kollegen Antony J. Blinken.

© Thomas Köhler/imago images/photothek

Als ermutigend gilt in der Bundesregierung auch die Tatsache, dass die Ölfelder nicht mehr blockiert sind und die nationale libysche Ölgesellschaft die Lieferung des Rohstoffes wieder aufgenommen hat. Libyen verfügt über die größten nachgewiesenen Ölreserven Afrikas. Im Februar hatten sich libysche Delegierte unter UN-Schirmherrschaft auf den Unternehmer und Milliardär Dbeibah als Übergangs-Regierungschef bis zur Wahl im Dezember geeinigt. General Haftar versprach daraufhin, den Friedensprozess zu unterstützen. Der Prozess gilt aber als äußerst fragil.

Mehrere Experten hatten vor Beginn der Konferenz darauf hingewiesen, dass nicht der von Berlin auf Bitten der UN angestoßene diplomatische Prozess Fortschritte in dem Krisenland erbracht habe, sondern die von anderen Mächten unterstützten militärischen Aktionen. Das Misstrauen zwischen den rivalisierenden Gruppen ist weiterhin groß. So geht die Angst um, dass wieder Kämpfe ausbrechen. Andere Beobachter sehen die Chancen für Frieden als so gut an wie seit langem nicht.

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Blinken traf in Berlin neben Maas auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. An einem Kompromiss zur Pipeline Nord Stream 2, die von den USA abgelehnt wird, arbeiten beide Seiten laut Maas intensiv. Bis August soll es eine Lösung geben, Details der Verhandlungen wollte er nicht nennen.

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