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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)

© AFP/Annegret Hilse

Update

Zweifel an Verhältnismäßigkeit der Ausgangssperre: Juristen im Kanzleramt haben Bedenken gegen bundesweite Notbremse

Kommende Woche sollen umstrittene Änderungen am Infektionsschutzgesetz beschlossen werden. Bedenken haben der „Bild“ zufolge selbst Merkels Experten.

Experten im Bundeskanzleramt haben laut einem Medienbericht rechtliche Bedenken angesichts der Notbremse des Bundes zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Mehrere Referate des Kanzleramts stellten der „Bild“ zufolge die Verhältnismäßigkeit der geplanten nächtlichen Ausgangssperre in Frage.

In einem Vermerk von Anfang März erklärte demnach eine Rechtsexpertin des Gesundheitsreferats, die „grundsätzliche Geltung einer nächtlichen Ausgangssperre“ sei mit Blick auf die „Verhältnismäßigkeit“ und die „derzeit nicht belegte Wirksamkeit“ problematisch und vor Gericht als rechtswidrig eingestuft worden.

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Zudem wird in dem Vermerk laut „Bild“ kritisiert, dass der Gesetzentwurf einen „rein inzidenzbasierten Maßstab“ vorsieht, um die bundesweite Notbremse auszulösen. Neben den Inzidenzen müssten andere Faktoren wie der R-Faktor und die Zahl der Intensivpatienten aufgenommen werden.

Als „besonders problematisch“ werden in dem Vermerk „Bild“ zufolge auch die „automatischen Schließungen von Kitas und Schulen“ eingestuft, da sie das Recht auf Bildung nicht angemessen berücksichtigten. Dem Bericht zufolge wurde der Vermerk von sieben weiteren Referaten im Kanzleramt abgezeichnet.

Vizekanzler Scholz nennt Ausgangssperren „verhältnismäßig“

Trotz der anhaltenden Kritik hat Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) die geplanten Ausgangsbeschränkungen als „verhältnismäßig“ verteidigt. „Das hat überall geholfen. In vielen Staaten der Welt ist das gemacht worden. Und es hat die Inzidenzwerte nach unten gebracht“, sagte der Finanzminister am Donnerstag im ARD-„Morgenmagazin“. „Deshalb ist das eine Maßnahme, die zu den vielen anderen dazugehört. Und sie ist auch verhältnismäßig.“

Der SPD-Kanzlerkandidat sagte zur geplanten Änderung des Infektionsschutzgesetzes: „Viele der gesetzlichen Vorschläge, die jetzt gemacht worden sind, beruhen auf der Praxis der Länder.“ Ziel sei nun, mit einer bundesweiten Regelung für Klarheit zu sorgen. „In dem einen Bundesland beginnt die Ausgangsbeschränkung um neun, wenn die Inzidenz zu hoch ist, in dem anderen um zehn. (...) Da muss man einfach nur für eine Einheitlichkeit sorgen.“ Die Kritik an den Maßnahmen sei bereits „tausendmal in den Ländern erörtert“ worden.

„Was mich irritiert ist mehr, wenn jetzt einige sagen, man müsste das alles gar nicht machen“, sagte Scholz. Er sei zuversichtlich, dass das Gesetz „mit ganz kluger Feinjustierung“ im Bundestag beschlossen werde. „Und dann, glaube ich, ist das für die Bürgerinnen und Bürger auch ein Zeitpunkt, wo sie erlöst werden von der verwirrenden Debatte.“

Das Bundeskabinett hatte am Dienstag den Entwurf für ein neues Infektionsschutzgesetz gebilligt, das erstmals eine bundeseinheitliche Notbremse vorsieht. Diese soll ab einem Inzidenzwert von 100 greifen und umfasst unter anderem eine nächtliche Ausgangssperre und die Schließung der meisten Geschäfte.

Die Länder sehen bei dem Gesetzentwurf noch Nachbesserungsbedarf. So hatte unter anderem die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) Zweifel an der Verhältnismäßigkeit geäußert. Der Gesetzentwurf soll am Freitag erstmals im Bundestag beraten werden, und dort ebenso wie im Bundesrat kommende Woche beschlossen werden. (AFP, Reuters)

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