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Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock gibt eine Pressekonferenz.

© picture alliance/dpa

Zweierlei Maß bei Nebeneinkünften: Baerbocks Moral bringt die Grünen in die Bredouille

Sollten die Grünen in der Wählergunst abstürzen, wäre das hausgemacht: Gegen andere teilen sie gerne aus, bei sich selbst relativieren sie. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Für die Grünen wird es enger. Der Wahlkampf zeigt Zähne: Die Zahlen der Zustimmung sinken, die Union liegt wieder vor ihnen, bei der Kanzlerpräferenz schiebt sich Armin Laschet vor Annalena Baerbock. Und warum? Weil die Grünen, die hart mit Kritik an den Konkurrenten sind, selbst in die Kritik geraten, dabei aber offenkundig mit zweierlei Maß messen. Besonders bei sich selbst.

Prominente Vertreter bringen die Partei, die sich aufmacht, die Regierungsmacht zu übernehmen, in die Bredouille - und das moralisch. Voran Baerbock, Cem Özdemir und Robert Habeck hinterdrein. Es geht um gesellschaftlich so pikante Themen wie Nebeneinkünfte und Sonderzahlungen.

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Baerbock, die erste Kanzlerkandidatin, hat gerade rund 25.000 Euro an Sonderzahlungen aus drei Jahren beim Bundestag nachgemeldet. Es geht um so etwas wie Erfolgsboni nach Wahlen und Weihnachtsgelder für die Parteivorsitzende. Und sie will jetzt ihren Corona-Zuschuss von 1500 Euro versteuern. Dieser für die sogenannten Alltagshelden gedachte Bonus ist nur als Gehaltszuschlag von der Steuer befreit. Aus anderen Parteien sind solche Zahlungen bisher nicht bekannt.

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Nach der Grünen-Kanzlerkandidatin hat dann auch der frühere Parteichef und Spitzenkandidat Özdemir Nebeneinkünfte nachgemeldet. Wie das Büro des Bundestagsabgeordneten mitteilte - am Abend des vergangenen Donnerstags -, handelt es sich um insgesamt 20.580,11 Euro aus den Jahren 2014 bis 2017.

Vergessen, lautet das Argument bei den Nebeneinkünften. Auch seien die Summen nicht riesig hoch. Doch gilt das für die Grünen-Klientel, für viele andere im Land hingegen schon - was bereits in den konkurrierenden Parteien als Wahlkampfthema gesehen wird. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hat bereits erklärt, dass es bei Spitzenpolitikern völlig unnötig sei, sich den Corona-Zuschuss steuerfrei auszahlen zu lassen.

Lars Klingbeil, SPD-Generalsekretär
Lars Klingbeil, SPD-Generalsekretär

© Kay Nietfeld/dpa

Damit meinte er Baerbock, aber auch Habeck. Auch verweisen Sozialdemokraten darauf, dass das Finanzamt üblicherweise bei diesen Summen schnell hinterher sei, wie die Bürger:innen wissen.

Das Ganze ist also mindestens politisch nicht zu Ende. Dazu macht es schlicht keinen guten Eindruck, im Gegenteil: Wähler:innen könnten darauf mit Ärger und Argwohn reagieren; diese Befürchtung grassiert inzwischen unter Grünen-Anhängern. Und Meinungsforscher warnen schon vor der Gefahr eines Absturzes in der Wählergunst, sollten weitere Vorfälle dieser Art berichtet werden.

[Lesen Sie auch: Nacktbilder, Beleidigungen und Fakes: Der Hass im Netz gegen Baerbock eskaliert (T+)]

Dass Baerbocks Kollege Robert Habeck sie verteidigt, macht die Sache nicht besser - weil er als Politiker anders sein und reden will, aber bei seiner Verteidigung doch so klingt wie all die anderen. Wie es klingt? Relativierend, ja für manche beschwichtigend.

Zumal Baerbocks Worte über die anderen, voran die CSU vor Kurzem in der Maskenaffäre, nachhallen. Im März sagte sie: „Generell muss an der Haltung, wie man eigentlich mit Transparenz, wie man eigentlich mit einem Mandat und Nebeneinkünften umgehen muss, dringend, dringend was geändert werden, weil es geht eben nicht nur um das Vertrauen in die Union, sondern auch in den Parlamentarismus, in die Demokratie in Gänze verloren.“ Und jetzt, nicht zuletzt, um das Vertrauen in die Grünen. Sonst wird es eng.

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