zum Hauptinhalt
Keine Gefahr im Ver-Zug? Wenn schön viel Platz zum Nächsten bleibt, reist man sicher. Für Bundesbedienstete hat man sich etwas einfallen lassen.

© imago images/Ralph Peters

Zwei Tickets pro Dienstreise in der Bahn: Freche Privilegien für Bundesbedienstete

Bundesbedienstete können sich jetzt zwei Bahntickets kaufen, damit ihr Nachbarsitz (coronaviren-)frei bleibt. Warum nicht vier? Was soll der Geiz? Eine Glosse.

Eine Glosse von Ariane Bemmer

Der deutsche Staat ist und bleibt ein Knauser, auch da, wo er großzügig sein will. Und das kommt ja fast noch unangenehmer, als wenn er da spart, wo er ohnehin nur Geiz versprüht.

In diesen misanstrophieanfälligen Coronazeiten will er für seine Bundesbediensteten das Bahnfahren sicherer machen und gewährt ihnen die Spezialkondition, je zwei Fahr- und Sitzplatzkarten kaufen (und dann auch zur Erstattung einreichen) zu dürfen, um ihnen einen freien Nachbarsitz zu garantieren. So nämlich ist ihnen möglich, das Antiansteckungsareal von 1,50 Meter Luftlinie zum nächsten potenziellen Virenträger freizuhalten.

Aber das ist ja nur ein Drittel der Wahrheit. Die kennt nämlich auch die Reihen vor und hinter dem Platz, auf dem der Bundesbedienstete sitzt. Was ist bitte damit? Müsste man nicht, dem Infektionsschutzgedanken folgend, auch die zwei Sitzplätze blocken? Dem Maßband zufolge schon. Auf eine entsprechende Anfrage dieser Zeitung beim Bundesinnenministerium gab es leider keine Antwort.

Vermutlich aus Scham. Denn da, so muss man annehmen, ist der Geiz vor und zwar der prinzipielle, denn ums Geld wird’s kaum gehen.

Es bleibt den Bundesbediensteten vorerst nichts weiter, als sich hinzuträumen zu fortknoxsicheren Bahnreisen à la Angelina Jolie und Brad Pitt, die 2011 für ihre Bahnfahrt von London nach Glasgow den ganzen Zug mieteten. So geht Infektionsschutz auf Schienen, liebes Bundesinnenministerium. Aber davon will hier natürlich niemand etwas wissen.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Die deutschen Steuerzahler, bei denen über Umwege die Rechnungen für die je zwei Tickets pro dienstreisenden Bundesbediensteten landen, können sich von solchen Sicherheitsüberlegungen ausgenommen weiter auf den übrigen Plätzen drängeln (und wenn sie dafür zu feige sind, können sie Zuhause bleiben und sich fragen, warum man Bundesbedienstete vor ihrerlei schützen muss, aber sie nicht).

Die Drängelei des niedrigrangigen Pöbels möchte die Bahn auch gern beibehalten, schließlich verdient man an besetzten und nicht an leeren Plätzen – außer siehe oben. Ansonsten hätte der Konzern mit einer Sitzplatzreservierungspflicht ein einfaches und billiges Mittel zur Verhinderung von Virenübersprungsdichte haben können. Dass die Bahn im Staatsbesitz ist, also quasi allen gehört (und pathetisch intoniert allen verpflichtet sein sollte?), gehört mit zum großen Ganzen, für das es einen misanthropischen Ordnungspfiff gibt: Zurücktreten bitte – und sei es erstmal nur von diesem frechen Plan.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false