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Pegida-Gründer Lutz Bachmann (links) filmt bei einer Demonstration am Tag der Deutschen Einheit in Dresden.

© AFP

Zwei Jahre nach Gründung: Bei Pegida ist nicht Pegida das Problem

Pegida ist längst ein gedanklicher Ort geworden - für viele, nicht nur einige wenige. Das liegt an der Ideenlosigkeit der anderen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hannes Heine

Kein Politiker, kein Kommentator, kein Wissenschaftler hatte das damals, im Herbst 2014, für möglich gehalten. Eine kleine, unbekannte Initiative holt nach wenigen Wochen erst 5000, dann 15.000, schließlich 25.000 Männer und Frauen auf die Straßen von Dresden. Schon gar nicht traute dieser Bewegung, angeführt von zweifelhaften Aktivisten, irgendjemand in den Bildungsbürgerstuben zu, auch in Dutzenden anderen Städten wieder und wieder Tausende mobilisieren zu können. Und längst nicht nur Neonazis – die allerdings auch von Anfang an dabei waren.

In den Talkshows hagelte es dann erstmal Spott, die Denker dieses Landes meinten schlicht: Die dort demonstrieren sind blöd, Verlierer, Kleingeister, Ossis. Empirisch stimmte das zu keinem Zeitpunkt – Hooligans und Doktoren, Betriebsräte und Erwerbslose laufen bis heute nicht nur in Dresden nebeneinander. Nun dürfte immerhin klar sein: Pegida ist nicht nur eine Episode, schon gar nicht nur eine aus Dresden, nicht mal nur eine aus Sachsen. Pegida ist längst ein gedanklicher Ort geworden. Hunderttausende, vielleicht Millionen, haben sich mit einem Teil der Pegida-Parolen angefreundet – und zwar bei weitem nicht nur Biodeutsche.

Am zweiten Jahrestag von Pegida ist nicht Pegida das Problem. Der Gesellschaftsentwurf der Pegida-Demonstranten ist vage, widersprüchlich, im besten Fall beharrend, im schlimmsten Fall reaktionär und rassistisch. Grob vereinfacht: Man will die 90er, vielleicht die 80er, einige sicher auch die 50er zurück. Aber es ist wenigstens eine Erzählung – eine von Sicherheit und Behaglichkeit, wenn sie auch nicht für jeden gelten soll. Das Problem ist: Wo ist der Gesellschaftsentwurf der viel zahlreicheren Pegida-Gegner? Bislang bleibt es bei unsicheren Irgendwie-weiter-so-Ansagen. Es fehlen Vorschläge zur Gestaltung der Gesellschaft, mit denen sich diejenigen mobilisieren lassen, die jene Pegida-Welt nicht wollen.

Verweigerung der gesellschaftlichen Debatte

Sicher, abstrakt ist von Freiheit und Rechtsstaat die Rede, sobald die Kanzlerin spricht. Nur was dafür in einer sich rapide ändernden Welt getan werden muss, bleibt unklar. Noch viel bedenklicher ist, dass die ideenmüde Regierungschefin allein zu sein scheint. Einst bereiteten Politiker, Forscher, Medienmacher, Gewerkschafter und Kirchenleute die Gesellschaft auf ihre Zukunft vor. Über Bildungsreform, Humanisierung der Arbeit, individuelle Freiheitsrechte wurde im ganz großen Kollektiv gesprochen.

Doch trotz der so vielfach beschimpften Pegida-Märsche (und den inzwischen steten Wahlerfolgen der AfD) bleiben von CSU bis Linkspartei, von den Kirchen bis zu den Gewerkschaften konkrete Vorschläge dazu aus, wie sich die Menschen demnächst das Leben vorzustellen haben. Klare Linien fehlen, die aber braucht es, bevor man sich gesellschaftlich einigen kann.

Ist die Bundesrepublik noch ein Sozialstaat – und wenn ja, für wen soll er künftig gelten? Gestaltet Einwanderung das Land – oder das Land die Einwanderung? Gehört der Islam nun dazu – oder doch nur ein bisschen, quasi ein Wohlfühlteil von ihm? In jeder Familie, in jedem Betrieb, in jedem Verein werden solche Fragen ausdiskutiert. Und zwar zügig. Nur im Großen, in der Gesellschaft, verweigern sich die Denker der Debatte. Nicht Pegida ist das Problem, sondern die Ideenlosigkeit der anderen.

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