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US-Präsident Joe Biden gerät innenpolitisch immer stärker unter Druck. (Archivfoto)

© Reuters/Kevin Lamarque

Zwei Drittel gegen erneute Kandidatur: Joe Biden droht als Präsident zu scheitern

Mit großen Visionen startete der Demokrat ins Amt. Nun befindet sich seine Popularität im freien Fall. Was das für die nächsten Wahlen bedeutet. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Juliane Schäuble

Dankbarkeit ist keine politische Kategorie. Das musste auch US-Präsident Joe Biden lernen. Dabei hat sich der fast 80-jährige Demokrat eigentlich den lebenslangen Respekt seiner Partei verdient, als er sich im Frühjahr 2019 entschied, noch einmal in die Politik zurückzukehren, um eine Wiederwahl von Donald Trump zu verhindern.

Biden war überzeugt, dass er es eher als jeder andere in seiner Partei schaffen würde, mit seinem ausgleichenden Mitte-Kurs und dem Versprechen, Amerika zu heilen, den Rechtspopulisten zu besiegen – und er hat recht behalten. Nur: Eine Wahl zu gewinnen, ist das eine. Erfolgreich zu regieren, das andere.

Anderthalb Jahre später befindet sich Bidens Ansehen im freien Fall. Selbst zwei Drittel seiner eigenen Partei sprechen sich einer Umfrage von „New York Times“ und Siena College zufolge gegen eine erneute Kandidatur ihres Präsidenten in zwei Jahren aus. Keine Rede ist mehr davon, dass er mit seinen Reformplänen zu einem zweiten Franklin D. Roosevelt oder Lyndon B. Johnson werden könnte.

Zwar legte Biden zu Beginn seiner Amtszeit ein beeindruckendes Tempo vor, brachte milliardenschwere Covid-Hilfen und ein gigantisches Infrastrukturpaket auf den Weg. Aber sein „Build Back Better“-Plan, der Amerika modernisieren und sozial gerechter machen soll, hängt im Kongress fest – was nicht nur an den bockigen Republikanern, sondern auch an seiner eigenen Partei liegt. Zudem ist die Spaltung des Landes eher noch tiefer geworden.

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Biden scheitert an den Erwartungen, die er selbst geweckt hat

Natürlich ist es nicht Bidens Schuld, dass sich große Teile der Republikanische Partei nicht aus dem Klammergriff ihres Ex-Präsidenten lösen und lieber Donald Trumps demokratiezersetzendem Kurs folgen. Auch kann er nichts für eine Pandemie, die bereits im dritten Jahr wütet und die globale Wirtschaft aus dem Tritt bringt. Oder den verbrecherischen Angriffskrieg Russlands in der Ukraine, der die weltweite Energieversorgung gefährdet und Bidens Außenpolitik auf den Prüfstand stellt.

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Scheitert er, dann auch an den übergroßen Erwartungen, die an einen US-Präsidenten in der derzeitigen Lage gestellt werden. Allerdings wurden diese nicht zuletzt von ihm selbst geschürt, um klarzumachen, worum es bei der Schicksalswahl 2020 ging: um die Zukunft der US-Demokratie und des Westens als Ganzes sowie die Rettung der Welt vor Pandemie und Klimakrise.

Die Stimmung ist brandgefährlich für die Demokraten

Im Sommer 2022 ist die Kombination aus Unzufriedenheit mit der Biden-Regierung und handfesten Zukunftssorgen brandgefährlich für die Demokratische Partei. Zu beobachten ist sie in jedem Winkel des Landes und in allen Schichten: Mehr als drei Viertel aller registrierten Wähler sind der Umfrage zufolge der Meinung, dass sich die Vereinigten Staaten in die falsche Richtung bewegen. Nur 13 Prozent sind überzeugt, dass der eingeschlagene Kurs der richtige ist.

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Mit diesen Werten ist es kaum vorstellbar, dass Biden eine zweite Amtszeit anstreben kann. Zwar zieht er dies selbst offenbar vor allem für den Fall in Erwägung, dass Trump tatsächlich noch einmal antritt. Immerhin hat er ihn ja bereits einmal geschlagen. Aber die Ausgangslage wäre eine komplett andere.

Eine zerstrittene Partei läuft Gefahr zu verlieren

Genauso gilt aber für seine Partei, dass sie öffentlichen Streit über die Frage vermeiden sollte, wer 2024 ins Rennen geht. Denn ein Grund für den Erfolg 2020 war die Geschlossenheit der Partei, Bidens Fähigkeit, eine größtmögliche Koalition zusammenzubringen. Die Mehrheiten in den USA sind so knapp, dass eine zerstrittene Partei Gefahr läuft zu verlieren.

Das gilt im Übrigen auch für die Republikaner: Würden sich signifikante Teile der Partei offen gegen Trump stellen, während andere an ihm festhalten, stiegen die Chancen, dass auch der nächste Präsident im Weißen Haus ein Demokrat ist. Wenig spricht derzeit allerdings dafür, dass der wieder Joe Biden heißt. Der wäre daher gut beraten, auf die Rufe nach einer Alternative zu hören. Es könnte sein letzter Dienst an seiner Partei werden – und damit auch an seinem Land.

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