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Mundschutzmaske an einem Schülertisch in einer Stuttgarter Schule (Archivbild)

© Imago/Michael Weber

Zwangslage für Eltern je nach Wohnort: Die Präsenzpflicht an Schulen muss fallen – und zwar bundesweit

In der Corona-Schulpolitik macht jedes Bundesland eigene Regeln. Das muss sich dringend ändern. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Karin Christmann

Mit Zähnen und Klauen verteidigen die Bundesländer ihre Zuständigkeit in der Bildungspolitik seit Langem gegen jede föderalismusreformerische Narretei. Sie haben in den Schulen das Sagen, es ist ihr vielleicht wichtigstes Zuständigkeitsfeld. Im Sinne der Kinder ist das gewiss nicht.

Hier geht es um Lebenschancen, die höchst ungleich verteilt werden, denn die Schulen sind bundesweit von sehr unterschiedlicher Qualität. Im Fall der Corona-Schulpolitik ist die Sache mit den Lebenschancen aber plötzlich erschreckend wörtlich zu nehmen.

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Bald enden die Weihnachtsferien. Stand heute kehren die Kinder, etwa in Berlin, in voller Klassenstärke in die Schulen zurück, und die Präsenzpflicht gilt. Das ist angesichts all dessen, was über Omikron schon bekannt ist, der reine Irrwitz und politisch nicht mehr zu verantworten.

Die Kinder brauchen vor allem "einen Packen Taschentücher"? Danke für nichts

Es gibt Eltern, die das Virus nicht unbedingt für ungefährlich für ihr Kind halten. Würde ihren Sorgen und Bedenken nur ansatzweise so viel Verständnis und politisches Wohlwollen entgegengebracht wie das lange Zeit bei impfunwilligen Altenpflegern oder testunwilligen Bahnfahrerinnen der Fall war, die Präsenzpflicht wäre morgen bundesweit aufgehoben. Genau darauf sollten sich die Kultusministerinnen und -minister in der Tat schleunigst einigen.

Im Großen und Ganzen bestärkten sich die 16 Amtsinhaberinnen und -inhaber bisher gegenseitig darin, wie unverzichtbar der Präsenzunterricht sei. Und doch gab es regional große Unterschiede in der Frage, wie viel Freiheit Eltern zugestanden wird, die das anders sehen, und wie gut ganz praktisch der Schutz war, der den Kindern in den Schulen mit Maskenpflicht, Luftfiltern oder Wechselunterricht gewährt wurde.

Einen von vielen Tiefpunkten in der Debatte lieferte im Sommer Theresa Schopper, die grüne Kultusministerin Baden-Württembergs. Sie beschied den Eltern, Delta werde sich „in den Schulen breitmachen“. Aber Kinder bräuchten vor allem „einen Packen Taschentücher“. Danke für nichts.

[Mehr zum Thema: „Das System Schule implodiert“: So erlebt eine Berliner Lehrerin den Corona-Alltag (T+)]

Ganz schnöde vom Wohnort hängt bis heute ab, welches Risiko Eltern einzugehen gezwungen werden. Nicht erst seit Beginn der Delta-Welle war das nicht mehr zu rechtfertigen. Angesichts von Omikron muss damit erst recht Schluss sein. Denn es werden bald ein paar unschöne Wahrheiten nicht mehr zu umgehen sein. Etwa die, dass der Präsenzbetrieb in Schulen (und Kitas) einen so großen Beitrag zum Infektionsgeschehen leistet, dass es mit einem simplen „Die Schulen müssen offenbleiben“ nicht getan ist.

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In der Debatte um Wechsel- und Distanzunterricht sollte eines ein Ende haben: dass jede Landesregierung nach eigenem Gusto entscheidet. Es geht hier um eine massive Zwangslage, in die Familien gebracht werden – oder nicht. Von deren Wohnort darf das nicht länger abhängen.

Natürlich gilt wie eh und je: Es müsste allerhöchste Priorität haben, die Schulen sicher zu machen, für alle Kinder, die vor Ort lernen. Aber, auch da hat sich nichts geändert: Die Kultusministerinnen und -minister setzen ihre Prioritäten anders. Die bundesweite Aufhebung der Präsenzpflicht wäre nichts anderes, als den Eltern ein Notwehrrecht zuzugestehen. Es ist an der Zeit.

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