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Grüne Riege für die Ampel-Koalition.

© Kay Nietfeld/dpa

Zustimmung für die Ampel: Rückenwind von 57 Prozent der Grünen Basis

Als letzte der drei Ampel-Parteien stimmen die Grünen für den Koalitionsvertrag. Dabei verzichten überraschend viele Mitglieder auf ihr Wahlrecht.

Vor den Konferenzräumen der „Alten Münze“ in Berlin-Mitte steht am Montagnachmittag ein schwarzer Leichenwagen geparkt. Doch als Symbolbild taugt das nicht. In dem ehemaligen Münzprägewerk wird an diesem Tag nicht die Ampel-Koalition beerdigt, sondern endgültig auf den Weg gebracht.

Als letzte der drei Parteien haben die Grünen dem Bündnis mit SPD und FDP zugestimmt. Nach zehn Tagen überwiegend digitaler Abstimmung votierten 86 Prozent der Basis für eine Annahme des Koalitionsvertrags. Bereits am Dienstag soll das 177-seitige Werk unterzeichnet werden. Am Mittwoch wird dann wohl Olaf Scholz (SPD) zum neunten Bundeskanzler der Bundesrepublik gewählt, die Grünen wechseln nach 16 Jahren aus der Opposition auf die Regierungsbank.

Doch so richtig scheint diese Vorstellung an der Basis keine Begeisterung ausgelöst zu haben. Die 86 Prozent Zustimmung – bei FDP und SPD hatten mehr als 90 Prozent der Delegierten für die Ampel gestimmt – trügen ein bisschen. Denn nur 57 Prozent der rund 125.000 Mitglieder haben sich überhaupt an der hauptsächlich digitalen Abstimmung beteiligt. Am Ende reichen 61.174 Ja-Stimmen für 86 Prozent Zustimmung.

Bundesgeschäftsführer Michael Kellner spricht dennoch von „Rückenwind“ und einem „wirklich starken Ergebnis“. Bei früheren Urwahlen, bei denen die Basis über das Spitzenpersonal der Partei entschieden habe und bei denen mehr mobilisiert worden sei, hätte die Wahlbeteiligung bei 59 und 61 Prozent gelegen.

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Und so wirkt es ein bisschen so, als die fünf designierten Grünen-Minister plus die nächste Kulturstaatsministerin Claudia Roth auf die Bühne in der „Alten Münze“ steigen, als würden sie weiter für Unterstützung werben. „Das ist ein echter Aufbruch, in manchen Politikfeldern ein Paradigmenwechsel“, sagt Noch-Parteichefin Annalena Baerbock, die bald als erste weibliche Außenministerin Deutschlands nach Brüssel reisen wird. Die Planungen laufen bereits. Die 40-Jährige lobt zudem die Zusammensetzung des Kabinetts. Es sei auf der „Höhe unserer gesellschaftlichen Realität“, dass Geschlechterparität, Vielfalt, Alter und Herkunft gut gemischt seien.

Bei den Grünen hatten es einen harten Posten-Streit gegeben

Über die Zusammensetzung der Grünen-Posten war lang und hart gerungen worden. Erst in letzter Minute war Realo-Vertreter Cem Özdemir, dessen Eltern Einwanderer aus der Türkei sind, noch als Landwirtschaftsminister aufgestellt worden. Der langjährige Fraktionschef vom linken Flügel, Anton Hofreiter, hatte das Nachsehen. „Das war für unsere Partei nicht einfach“, sagt Baerbock. Doch dafür haben die Grünen nun den einzigen Minister im Kabinett mit einer Migrationsgeschichte. Was angesichts dessen, dass mehr als 25 Prozent der Deutschen einen Migrationshintergrund haben, Kritikern nicht ausreicht.

[Hofreiter vs. Özdemir: Lesen Sie mit Tagesspiegel Plus, wie bei den Grünen alte Flügelkämpfe aufbrechen]

Özdemir äußerte sich gerührt. Es sei für ihn ein emotionaler Moment. „Mir ist es nicht an der Wiege gesungen worden, dass ich heute hier stehe als designierter Minister unseres Landes“, sagte Özdemir, der seinen Stuttgarter Wahlkreis mit 40 Prozent der Erststimmen gewonnen hatte. Als Grüner sei er sich der Spannungen zwischen Landwirtschaft und Verbraucherschutz bewusst, er wolle sie aber überwinden. „Ich bin der oberste Anwalt von Bäuerinnen und Bauern in unserem Land, aber gleichzeitig auch der oberste Tierschützer“, sagte Özdemir. Er wolle den Leuten nicht vorschreiben, was sie zu essen haben.

Habeck: "Wir starten mit Rückenlage"

Auf Noch-Parteichef Robert Habeck dürfte die größte Herausforderung zukommen. Als Minister für Wirtschaft, Energie und Klimaschutz muss er die Energiewende und die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft voranbringen. Bis 2030 sollen 80 Prozent des deutschen Stromverbrauchs aus Erneuerbaren Energien stammen.

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Eine Mammutaufgabe, bei der er sich nicht nur Freunde machen dürfte. Habeck machte klar, die Grünen hätten sich darauf in Länderregierungen und Opposition vorbereitet. Auch, dass die „Versöhnung ökologischer Fragen und ökonomischer Notwendigkeiten“ eine Aufgabe aller Ressorts sei.

„Wir starten in Rückenlage“, sagte Habeck angesichts von Klimaschutzversäumnissen der alten Regierung. Am Ende der Legislatur müsste sich die Ampel daran messen lassen, dass Deutschland die CO2-Emissionen gesenkt habe und zurück auf dem Weg der Pariser Klimaziele sei. Auch die eigene Basis wird das tun.

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