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Suchtpotential. Sucht erzeugende und verstärkende Stoffe in Zigaretten werden werden in der EU verboten.

© Robert Schlesinger/dpa

Zusatzstoffe in Zigaretten: Die Tabakindustrie droht der Bundesregierung

Suchtverstärker in Zigaretten sollen verboten werden. Die Hersteller müssen massenweise Ware aus dem Handel zurückrufen - obwohl sie das Verbot seit zwei Jahren erwarten.

Die Tabakindustrie droht der Bundesregierung mit einer Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die neue Tabak-Verordnung. Diese sieht vor, dass bestimmte Zusatzstoffe in Zigaretten verboten werden. Dazu gehören Substanzen, die die Sucht erzeugende Wirkung verstärken und die Inhalation oder Nikotinaufnahme erleichtern. Der Deutsche Zigarettenverband (DZV) protestiert nun dagegen, dass die Verordnung rückwirkend zum 20. Mai gelten soll.

Durch den Rückruf von Zigaretten aus dem Handel drohe der Branche ein Schaden im „hohen dreistelligen Millionenbereich, vielleicht auch über einer Milliarde“, sagte DZV-Geschäftsführer Jan Mücke der „Bild am Sonntag“. Das sei ein „ungeheuerlicher Vorgang“.

Mit der Verordnung setzt die Bundesregierung eine europäische Richtlinie aus dem April 2014 um. Diese verpflichtet die Mitgliedsstaaten, bis zum 20.5.2016 entsprechende Zusatzstoffe zu verbieten. Das Kabinett hatte den Gesetzentwurf im Dezember 2015 verabschiedet, der Bundesrat muss noch zustimmen. Das Verbot von Zusatzstoffen gehöre zu einem Paket von Maßnahmen, die die Gesundheit insbesondere auch von Kindern und Jugendlichen schützen sollten, sagte die Vorsitzende des Verbraucherausschusses, Renate Künast, dem Tagesspiegel.

Künast: Die Zigarettenindustrie hat sich „verzockt“

Die Grünen-Politikerin bezeichnete es als „lächerlich“, nun öffentliche Krokodilstränen zu vergießen. „Die Zigarettenindustrie wusste seit zwei Jahren exakt, was bis wann zu tun ist.“ Natürlich müsse man die Bundesregierung für ihr „offensichtliches Schneckentempo“ kritisieren, welches es nun durch eine sehr späte Vorlage so aussehen lasse, als habe sie eine Rückwirkung erfunden, sagte sie. „Aber alle Rechtsabteilungen der Zigarettenindustrie wussten, dass es keinen rechtlichen Spielraum gibt, den 20.5. dieses Jahres nicht einzuhalten.“ Die Zigarettenindustrie habe sich „verzockt“.

Künast hatte 2005 als damalige Verbraucherministerin angefangen, die Zusatzstoffe in Zigaretten stärker unter die Lupe zu nehmen. Als ersten Schritt ordnete sie damals an, dass die Hersteller sämtliche Zusatzstoffe veröffentlichen müssen. Diese sind mittlerweile in einer Datenbank aufgelistet.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach betonte ebenfalls, es gebe keine Gründe, die Verordnung aufzuschieben. „Die Tabakindustrie hatte alle Zeit der Welt, sich auf diese zu erwartende Maßnahme vorzubereiten“, sagte Lauterbach dem Tagesspiegel. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef erhob schwere Vorwürfe gegen die Branche: „Die Zigarettenindustrie sucht nach Methoden, junge Menschen in dauerhafte Abhängigkeit zu führen“, kritisierte er. Doch viele Zusatzstoffe machten nicht nur stärker abhängig, sondern seien auch krebserregend. Lauterbach machte deutlich, dass er in der SPD keinen Verhandlungsspielraum sieht, über das Datum des Inkrafttretens zu debattieren: „Das ist eine abwegige Forderung.“

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