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Mike Mohring, Landesvorsitzender der CDU in Thüringen, mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer, am Montag in Berlin.

© Michael Kappeler/dpa

Zusammenarbeit mit der Linken in Thüringen: Die CDU muss demokratische Verantwortung zeigen

Es ist eine Ausnahmesituation. Die CDU braucht einen Plan, wie sie eine linke Minderheitsregierung in Thüringen unterstützen könnte. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Georg Ismar

Mit Parteitagsbeschlüssen ist das so eine Sache. Gern beschlossen, um das Profil zu schärfen – und in der Hoffnung, dass sich die Frage in der Praxis ohnehin nicht stellen wird.

Aber diese Zeiten sind keine normalen. In Thüringen haben erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik CDU, SPD, Grünen und FDP zusammen keine 50 Prozent der Wählerstimmen erhalten, Linke und AfD liegen gemeinsam bei 54,4 Prozent.

Wenn man stabile Verhältnisse in Thüringen will, wendet sich der Blick automatisch Richtung CDU, auch weil die FDP Gespräche über eine Unterstützung einer möglichen rot-rot-grünen Minderheitsregierung bisher klar ablehnt.

Und so holt die CDU und ihre Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ein Beschluss vom Parteitag in Hamburg 2018 ein: „Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab.“

In der Konsequenz für Thüringen heißt das, dass ein bei den Bürgern überaus beliebter Regierungschef Bodo Ramelow genauso behandelt wird wie der AfD-Rechtsaußen Björn Höcke.

Kramp-Karrenbauer und Generalsekretär Paul Ziemiak fürchten den Dammbruch auch hin zur AfD, denn schließlich gibt es bei der rechten Partei Leute, mit denen mancher CDU-Politiker auch gut kann.

Währen Spitzenkandidat Mike Mohring Gespräche mit Ramelow ankündigt, fordert bereits der thüringische Vizefraktionschef Michael Heym Gespräche mit AfD und FDP. Das Bündnis hätte auch eine Mehrheit. Das ist das Gefährliche an der Lage, in der die CDU nun ist.

Doch diese Äquidistanz ist in dem Fall nicht mehr zeitgemäß. Die AfD radikalisiert sich, während die Linke im Osten oft SPD-Politik macht. Es geht hier auch nicht um eine Koalition im Bund, sondern um eine Sondersituation, nirgends sonst ist die Linke so stark, nirgends sonst hat sie so einen Pragmatiker wie Ramelow.

Es geht am Ende auch um demokratische Verantwortung – oder wie Mohring sagt: Um stabile Verhältnisse.

Ein Krimi spielte sich im Vorstand ab

Im Vorstand entwickelte sich folglich am Montag ein Krimi, die angeschlagene Kramp-Karrenbauer demonstrierte Stärke, verwies auf den Parteitagsbeschluss, der noch einmal bestätigt wurde. Der Kompromiss für Spitzenkandidat Mohring: Gespräche ja, aber das Koalitionsverbot bleibt. Doch was folgt daraus?

Sinnvoll wären zwei Dinge – entweder ein klarer Plan, wo die CDU Ramelow und eine linke Minderheitsregierung partiell unterstützen könnte, oder das Ausrufen einer „Lex Thüringen“: Wegen der Ausnahmesituation darf es eine wie auch immer geartete Kooperation oder Koalition geben – freie Hand sozusagen für Mohring.

Das Problem ist doch eigentlich nur, dass solche Fragen immer sofort zu Prinzipienfragen erklärt werden. Es geht nicht um 'kann die CDU mit der Linken', sondern um 'kann Mohring mit Ramelow'. Diese Frage hat nichts mit irgendwelchen Dammbrüchen zu tun.

schreibt NutzerIn Gophi

Die Sache ist mitnichten geklärt, nur vertagt. Politisch wäre es für die CDU ein hohes Risiko, aber auch eine Chance: Sie kann Stammwähler und Mitglieder gerade im Westen vergrätzen, die Haltung einfordern gegen die SED-Nachfolgepartei – sich hier noch zu öffnen, wäre für viele Konservative die Höchststrafe.

Und es kann die AfD noch stärker machen. Jenseits aller ideologischen Gräben könnte ein Bündnis der demokratischen Vernunft Thüringen aber auch voranbringen. Gerade wirtschaftlich. Laut Umfragen ist eine Mehrheit in Thüringen für eine linke Lockerung der CDU.

Die CDU leidet spürbar unter dem Trauma, in der Amtszeit der Vorsitzenden Angela Merkel zu beliebig geworden, zu sehr nach links gerückt zu sein. Aber in Zeiten parteipolitischer Unübersichtlichkeit und eines Erstarkens der Ränder sind starre Beschlüsse eine Falle.

Es war ein Fehler, die von dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther losgetretene Debatte um eine Zusammenarbeit mit pragmatischen Linkspolitikern im Osten abzuwürgen. Das mündete dann in dem Ausschluss-Beschluss 2018. Und so stolperte man nun in das durchaus erwartbare Thüringen-Dilemma hinein.

Ein Ausweg aus der Lage könnte für Kramp-Karrenbauer folgendes sein: Sie könnte alle CDU-Mitglieder befragen. Und dann die Lage neu bewerten.

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